Naville-Vogel Robert (1884–1970)
Robert Naville-Vogel heiratete in die Familie der Chamer Papierfabrik ein und wurde dort Direktor und Verwaltungsrat. Während 50 Jahren prägte er mit seinem Wissen und seinem Wesen den Chamer Industriebetrieb, in der Papierfabrik nannte man ihn aufgrund seines patronalen Auftretens «Papieri-Vater».
Stationen
1884 Robert Léopold Naville kommt am 10. Februar in Zürich zur Welt. Sein Vater ist Gustave Naville (1848–1929), ein Oberst, Maschineningenieur und Industrieller in leitenden Stellungen bei (Escher Wyss, Alusuisse und der Schweizerischen Kreditanstalt SKA), seine Mutter ist Charlotte (1855–1929), eine geborene Neher. Robert wächst auf dem Landgut Bendlikon am Zürichsee und in Zürich auf, wo er auch die Schulen besucht. [1]
1907 Naville schliesst sein Studium als Maschineningenieur an der ETH Zürich ab. Er nimmt eine Anstellung bei der Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon an. [2]
1909 Naville heiratet Emy Naville-Vogel (1885–1981), die Tochter von Carl (1850–1911) und Anna Vogel-von Meiss (1858–1942). Emy heisst eigentlich Anna Emilie Charlotte. Weil Robert Naville damit in die Familie Vogel der Papierfabrik Cham einheiratet, bildet er sich weiter zum Papieringenieur, unter anderem in der Papierfabrik Napoleonsinsel im Elsass und an der Technischen Hochschule in Darmstadt. [3]
1912 Nach dem Tod seines Schwiegervaters Carl Vogel-von Meiss wird aus der Familienfirma Papierfabrik eine Aktiengesellschaft, die Papierfabrik Cham AG. Roberts Frau Emy besitzt einen Viertel der Aktien. Die Direktion teilen sich Robert Naville-Vogel und sein Schwager Leo Bodmer-Vogel (1880–1961). Bodmer übernimmt den Vorsitz des Verwaltungsrats, während Naville Mitglied des Verwaltungsrats ist. [4] Naville ist als Direktor zuständig für die Fabrikation und den Verkauf. In Cham nimmt er Einsitz in die Schulkommission (bis 1930) und in die Schulhausbaukommission (bis 1917, Einweihung Schulhaus Kirchbühl). [5]
1914 Naville macht auch im Militär Karriere: Er wird zum Oberleutnant befördert. [6]
1919 Der Industrielle Naville ist einer der Gründer des ersten öffentlichen Kindergartens von Cham (im Kirchbühl). [7] Er spendet jeweils das farbige Papier, mit dem die Kindergärtner Christkronen und Fasnachtsverkleidungen basteln. [8]
1921 Neben seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zieht es Robert Naville in die Politik: Er wird als Vertreter der Liberalen Mitglied des Nationalrats (bis 1922) und ein Jahr später auch noch Mitglied des Zuger Kantonsrats (bis 1942). Gleich zweimal, 1921–1922 und 1929–1930, wird er zum Kantonsratspräsident gewählt. [9]
1922 Ausserdem widmet sich Naville mit grosser Ausdauer der Verbandspolitik. Er wird Vorstandsmitglied der Schweizerischen Handelskammer (von 1922 bis 1942) und des Vororts (von 1931 bis 1934). [10]
1929 Die Zeit der Doppeldirektion bei der Papierfabrik Cham geht zu Ende. Leo Bodmer gibt den Direktorenposten in Cham ab und beschränkt sich auf das Verwaltungsratspräsidium. Robert Naville führt fortan allein die ganze Direktion. [11] Robert Naville und seine Frau Emy bauen ihren Wohnsitz Hammer um: Aus der Villa an der Lorze wird ein nobler Landsitz im Stil eines barocken, französischen Landschlösschens. [12]
1947 Die Bürgergemeinde Cham verleiht Robert Naville am 15. Juni für seine ausserordentlichen Verdienste das Ehrenbürgerrecht. [13]
1959 Robert Naville übernimmt neben der Geschäftsführung der Papierfabrik auch noch das Präsidium des Verwaltungsrats. [14]
1961 Naville ist 77 Jahre alt. Er gibt den Posten des Generaldirektors der Papierfabrik nach 49 Jahren ab, an seinen Sohn Raoul (1912–1999). Im Verwaltungsrat bleibt er weiterhin. [15]
1963 Robert Naville übernimmt das Präsidium des Verwaltungsrats der Schweizerischen Aluminium AG, nachdem er zuvor Vizepräsident gewesen war. [16]
1964 Mittlerweile 80-jährig, demissioniert Naville als Präsident des Verwaltungsrats. Er wird zum Ehrenpräsidenten ernannt. [17] Obwohl ab diesem Zeitpunkt im Ruhestand, interessiert sich Naville «weiterhin für die grossen und kleinen Probleme der Papieri» und nimmt Anteil am «Schicksal jedes einzelnen dieser grossen Familie, sei es jung oder alt, aktiv oder pensioniert, Manns oder Frau, Schweizer oder Ausländer». [18] Anders gesagt: Das Loslassen fällt dem Patron schwer.
1970 Robert Naville stirbt am 31. Januar im Alter von knapp 86 Jahren in Cham. [19]
Würdigung
Robert Naville machte aus der bescheidenen Fabrik einen florierenden Grossbetrieb. Als er in die Firma eintrat, produzierte die «Papieri» 4000 Tonnen Papier pro Jahr; bei seinem Austritt waren es zehnmal soviel! Er gliederte die Tochterbetriebe in Rennes F und Gemmrigheim D ein und gründete die Pavag (Papiersäcke), die Pavatex (Holzfaserplatten) und die Aerofiber (Kunststoffe). [20] Für die Belegschaft hatte er stets ein offenes Ohr: «Wer immer mit ihm in Kontakt kam, spürte stets seine persönliche Anteilnahme.» [21] «Er genoss die uneingeschränkte Achtung der Angestellten und Arbeiter. Er besass die Fähigkeit, seine Mitarbeiter zur Erreichung eines gemeinsamen Zieles heranzuziehen, durch das eigene Beispiel anzuspornen und Vertrauen zu schenken.» [22] Er galt wegen seiner umgänglichen, patronalen Art als «Papieri-Vater».
Nachfolge
Robert Naville versuchte, seine Söhne Raoul (1912–1999) und Robert E. (1913–2006) nachzuziehen, was aber misslang. Raoul wurde als Generaldirektor direkter Nachfolger seines Vaters, aber er scheiterte und wurde unter anderem von seinem Vater abgesetzt. [23] Robert E. führte die Tochterfirmen Pavag (Papiersäcke) und die Hammer AG (Immobilien). [24] Naville senior nahm bis ein Jahr vor seinem Lebensende an allen Sitzungen von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung teil und hielt mit seiner Meinung nicht zurück. Als er dann altershalber endgültig ausschied, versuchte er weiterhin Einfluss zu nehmen, unter anderem mit Briefen an Familienaktionäre. Aufgrund seiner Machtfülle in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft wurde er auch schon mal «König von Cham» genannt. [25]
Privat
Emy und Robert Naville haben drei Kinder: Hortense (1910–1999), Raoul (1912–1999) und Robert E. (1913–2006). Sie führen einen geradezu herrschaftlichen Haushalt in der Villa Hammer, den sie ihrem Geschmack entsprechend umbauen. [26] Nach dem Ableben von Emys Onkel Richard Vogel (1870–1950) wohnen Emy und Robert Naville ab 1953 in der Villa Solitude direkt am Zugersee.
Einzelnachweise
- ↑ Morosoli, Renato, «Naville, Robert», in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 08.07.2009. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/005886/2009-07-08/ [Stand: 07.07.2022]
- ↑ Hauszeitung Papierfabrik Cham AG, Nr. 28, 1970
- ↑ Hauszeitung Papierfabrik Cham AG, Nr. 28, 1970
- ↑ Orsouw, Michael van, Der Zellstoff, auf dem die Träume sind. 350 Jahre Papieri Cham, Cham 2006, S. 45
- ↑ Hauszeitung Papierfabrik Cham AG, Nr. 28, 1970
- ↑ Chronik der Stadt Zürich, 10.01.1914
- ↑ Hauszeitung Papierfabrik Cham AG, Nr. 28, 1970
- ↑ Vgl. Anmerkung 4 (van Orsouw), S. 67
- ↑ Staatsarchiv Zug, Zuger Personen- und Ämterverzeichnis [Stand: 01.03.2024]
- ↑ Morosoli, Renato, «Naville, Robert», in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 08.07.2009. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/005886/2009-07-08/ [Stand: 07.07.2022]
- ↑ Hauszeitung Papierfabrik Cham AG, Nr. 28, 1970
- ↑ Zurfluh, Christoph, Hammer. Von der «Chupferstrecki» bis zur «Ära Lüdi» 2014, Cham 2014, S. 85
- ↑ Hauszeitung Papierfabrik Cham AG, Nr. 28, 1970
- ↑ Morosoli, Renato, «Naville, Robert», in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 08.07.2009. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/005886/2009-07-08/ [Stand: 07.07.2022]
- ↑ Vgl. Anmerkung 4 (van Orsouw), S. 116
- ↑ Die Tat, 04.07.1963
- ↑ Hauszeitung Papierfabrik Cham AG, Nr. 28, 1970
- ↑ Hauszeitung Papierfabrik Cham AG, Nr. 28, 1970
- ↑ Morosoli, Renato, «Naville, Robert», in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 08.07.2009. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/005886/2009-07-08/ [Stand: 07.07.2022]
- ↑ Vgl. Anmerkung 4 (van Orsouw), S. 67
- ↑ Hauszeitung Papierfabrik Cham AG, Nr. 28, 1970
- ↑ Hauszeitung Papierfabrik Cham AG, Nr. 11, 1964
- ↑ Vgl. Anmerkung 4 (van Orsouw), S. 116
- ↑ Vgl. Anmerkung 4 (van Orsouw), S. 111
- ↑ Vgl. Anmerkung 4 (van Orsouw), S. 67
- ↑ Vgl. Anmerkung 12 (Zurfluh), S. 100ff., 215