Rössli

Aus Chamapedia

Das «Rössli» an der Sinserstrasse 4 zählt zu den ältesten Gasthäusern im Ort Cham. Die Liegenschaft stammt aus der Zeit vor 1813. Sicher seit 1878 ist eine Gastwirtschaft nachweisbar. Zeitweilig war ein Friseur in der Gaststube aktiv.

Das «Rössli» mit Garten und Freitreppe zur Sinserstrasse
Bärenplatz mit Sinserstrasse, Postkartenstempel vom 17.11.1918
Das Gasthaus Rössli am Eingang zur Sinserstrasse
Das «Rössli», 2013
Das «Rössli», 2018


Chronologie

vor 1813 Wann genau die Liegenschaft gebaut wurde, ist anhand der schriftlichen Überlieferung nicht zu eruieren. Sie stammt aus der Zeit vor 1813. [1] Das Haus weist frühklassizistische Stilelemente auf; es dürfte nach den Bauformen Ende des 18. Jahrhunderts entstanden sein. Als einziger älterer Bau steht das Gasthaus Rössli leicht schräg zum Strassenverlauf, ohne Zweifel ein Hinweis auf eine ältere Wegführung. [2] Aufgrund von historischen Plänen ist zu vermuten, dass ursprünglich die Landstrasse von der Bärenbrücke über die Sinserstrasse in Richtung Rigiplatz führte, also nördlich am Restaurant Rössli vorbeiführte.

1813 Als Eigentümer sind Alois und die Gebrüder Balmer eingetragen. [3]

1816 Die Familie Kaufmann übernimmt das Wohnhaus: Wolfgang und Jakob (ab 1847) sind die Besitzer. [4]

1859 Die Liegenschaft erhält mit Kirchmeier Michael Hildebrand einen neuen Besitzer. [5]

1878/1879 Johann Rast-Köpfli (1854–1915) publiziert eine Zeitungsannonce zur Eröffnung der «Restauration z. Rössli in Cham». Er bietet Speisen und Getränke an. [6] Neben der Wirtschaft betreibt Rast auch ein «Plazierungsbureau» für Dienstboten, Mägde und Knechte und bietet Unterstützung bei Immobiliengeschäften an. [7]

1889 Sattler Xaver Kaufmann (1854–1900), seit 1878 in Cham, kann das «Rössli» in einer Steigerung übernehmen. [8]

1893 Kaufmann stellt das Gesuch für ein Wirtepatent. [9]

1901 Wirt Xaver Kaufmann ist verstorben. [10] Seine Erben aus der Familie Kaufmann stellen nun das Patentgesuch. Der Jahresumsatz beträgt 1400 Franken, der Nettoertrag 600 Franken, die Gaststube ist 44 Kubikmeter gross. [11]

1904/1905 Die verwitwete Maria Kaufmann-Küttel (*1858) übernimmt mit ihren Kindern Xaver, Marie und Louise die Liegenschaft und stellt das Gesuch für ein Wirtepatent. Der Jahresumsatz beträgt nun 1800 Franken. [12]

1908 Die Kaufmann-Erben verkaufen das «Rössli» an Franz Josef Huwiler, den 26-jährigen Wirt aus Kriens LU. [13]

1909 Schon ein Jahr später taucht der nächste Eigentümer auf: Es handelt sich um den Bäcker Josef Wyss (*1854) aus Hämikon AG. Er ist verwitwet und hat vier Kinder. [14]

1915 Wyss Albert übernimmt die Liegenschaft von seinem Vater. [15]

1919 Theresia (1888–1962) und Vinzenz Marti-Müller (1889–1959) kaufen das Gasthaus Rössli – im gleichen Jahr heiraten die Martis. [16] Sie ist Lehrerstochter und stammt vom Huobrain in Hünenberg; er stammt aus Richenthal LU und war bereits seit zehn Jahren in Cham im «Bären» angestellt gewesen. Sie haben zwei Töchter und einen Sohn. [17] Unter der Ägide von Marti erblüht das Restaurant Rössli «durch seine Leutseligkeit und seinen gradlinigen Sinn zu einer angesehenen, beliebten Gaststätte».

1930 Das Dachgeschoss wird mit einem Quergiebel zur Sinserstrasse ausgebaut. Die Bauleitung hat Architekt Paul Muggli inne.

1934 Die Liegenschaft erhält einen Anbau für eine Kegelbahn auf der Ostseite, realisiert durch das Chamer Baugeschäft von Wilhelm Hauser (1874–1943).

1950 Theresia und Vinzenz Marti-Müller ziehen sich nach 31 Jahren auf dem «Rössli» ins Privatleben zurück. Per 1. November übernimmt Vinzenz Marti-Weingand (1922–1990) den Betrieb im «Rössli». Er ist verheiratet mit Josefine (1925–2017) und sie haben drei Kinder. [18]

1953 Paul Candinas übernimmt von seinem Vater die Coiffeurstube im «Rössli», er wirkt hier bis 1957; dann zieht Candinas mit seinem Frisiergeschäft weiter an die Hünenbergerstrasse 5. [19]

1956/1957 Vinzenz Marti-Weingand übernimmt auch die Liegenschaft käuflich von seinem Vater. [20] Mit dem Chamer Architekt Hans Büchler erweitert Marti 1957 die Liegenschaft. Er baut die Kegelbahn im Untergeschoss ein, erweitert die Küche und die Toilettenanlagen. [21] Beim Anbau auf der Ostseite entsteht auch eine Autogarage entsteht. [22] Marti nennt das Rössli dem damaligen Zeitgeist entsprechend «Chez Vincent».

1967 Walter Rüfenacht (*1933), Küchenchef von Hasle BE, pachtet das «Rössli». [23]

1970 Elisabeth Sigrist-Arnold (1949–2017) kauft das «Rössli» und führt die Gastwirtschaft. [24] Sie ist verheiratet mit Josef und hat keine Kinder. [25]

1972 Blanca (1931–2017) und Hans Theiler-Stöckli (1930–1982), zuvor Wirte in den Restaurants «Lindenhof» und Bahnhof, kaufen das Rössli und führen selber die Gastwirtschaft. Das Rössli weist Gaststube, Saal Sitzungszimmer und Kegelbahn auf. [26] Die neue Eigentümer lassen die Freitreppe zur Sinserstrasse abbrechen. Stattdessen verlegen sie den Haupteingang auf die Südseite zwischen Terrasse und Anbau. Zudem bauen sie das Restaurant im Innern um.

1983 Nach dem Tod von Hans Theiler ist Blanca Theiler-Stöckli Alleineigentümerin. [27] Sie lässt den Ostteil der Liegenschaft renovieren.

1984 Urs Zürcher-Ulmann (*1960) übernimmt die Pacht des «Rössli». Er ist Bürger von Trub BE. Das Restaurant hat 60 Plätze, der Saal nochmals 40 bis 50, der Konferenzraum 35, das Rösslistübli 8 bis 10 und die Terrasse 19 Plätze. [28]

1992 Der italienische Staatsangehörige Giuseppe Castelli (*1938) übernimmt als Pächter das «Rössli». [29]

1997 Bauherrin Olivia Huwiler-Theiler realisiert einen Eingang auf der nordöstlichen Seite beim Anbau.

1998 In den Räumlichkeiten der ehemaligen Kegelbahn wird die «4i-Bar» eingerichtet. Die Gäste können hier gemeinsam Konzerte oder Übertragungen von Eishockey- und Fussballspielen geniessen. [30]

2001 Der neue Besitzer Marcel Grepper baut das Restaurant im Innern um.

2002 Markus Stoller (früher Restaurant Kreuz) leitet das «Rössli». Er betreibt neben dem Speiserestaurant eine Pizzeria und die «4i-Bar». [31]

2020 Das «Rössli» wird aus dem Inventar der schützenswerten Denkmäler der Gemeinde Cham entlassen. [32]

2020/2021 Wie alle Restaurants muss auch das Rössli im März während der Corona-Pandemie schliessen und auf einen Take-away-Betrieb umstellen. Kurz vor dem Ende der vom Bundesrat verhängten «ausserordentlichen» Lage übernimmt am 1. Juni die langjährige Mitarbeiter Wanda Andres die «4i-Bar». [33] Am 9. Januar 2021 werden sämtliche Restaurants erneut geschlossen.


Personen


Der Wirtshausname «Rössli»

Die Diminutivform «Rössli» zum schweizerdeutschen Wort Ross [= Pferd, Saumpferd, Reitpferd] ist in der Wirtshausnamengebung sehr beliebt. In den Zuger Gemeinden Baar, Hünenberg, Oberägeri, Risch und in der Stadt Zug sind seit dem 17. Jahrhundert Gasthäuser mit diesem Namen nachgewiesen. [34]


Werbetext 1958

«Der gutgeführte Landgasthof am Dorfplatz – gut organisierte Bankette, gediegene Hochzeiten, kurz alle festlichen Anlässe, führen Sie mit Vorteil in unsern heimeligen, neue umgebauten Räumlichkeiten durch.» Als Spezialität wird hervorgehoben: «1 ganzes Güggeli vom Rost im Freien Fr. 4.80.» [35]


Weblink

Restaurant Rössli


Dokumente

Inserate

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Einzelnachweise

  1. Grünenfelder, Josef, Die Kunstdenkmäler des Kantons Zug, Neue Ausgabe, Bd. 2, Die ehemaligen Vogteien der Stadt Zug, Bern 2006, S. 137
  2. Vgl. Anmerkung 1 (Grünenfelder), S. 156
  3. Staatsarchiv Zug, G 617.6.1, Assekuranzregister Cham, 1. Generation (1813–ca. 1868)
  4. Staatsarchiv Zug, G 617.6.1, Assekuranzregister Cham, 1. Generation (1813–ca. 1868)
  5. Staatsarchiv Zug, G 617.6.1, Assekuranzregister Cham, 1. Generation (1813–ca. 1868)
  6. Neue Zuger Zeitung, 27.04.1878
  7. Zuger Volksblatt, 31.12.1879
  8. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), Band 1
  9. Staatsarchiv Zug, CD 27, Wirtepatente 1892–1918, Mappe Rössli, Gesuch vom 13.12.1893
  10. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), Band 1
  11. Staatsarchiv Zug, CD 27, Wirtepatente 1892–1918, Mappe Rössli, Gesuch vom 31.08.1900
  12. Staatsarchiv Zug, CD 27, Wirtepatente 1892–1918, Mappe Rössli, Gesuch vom 12.08.1905
  13. Staatsarchiv Zug, CD 27, Wirtepatente 1892–1918, Mappe Rössli, Gesuch vom 01.08.1908
  14. Staatsarchiv Zug, CD 27, Wirtepatente 1892–1918, Mappe Rössli, Gesuch vom 04.03.1909
  15. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), Band 1
  16. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), Band 1
  17. Zugersee-Zeitung, 27.02.1959
  18. Staatsarchiv Zug, G 468, Wirtepatente, Mappe Rössli, Erneuerungsgesuch vom 20.04.1950
  19. Chomer Bär, offizielle Zeitschrift für Cham und Umgebung, Juni 2005
  20. Staatsarchiv Zug, G 617.6.4, Assekuranzregister Cham, 3. Generation (1929–1960), Band 1
  21. Staatsarchiv Zug, G 468, Wirtepatente, Mappe Rössli, Erneuerungsgesuch vom 18.03.1957
  22. Zugersee-Zeitung, 06.12.1957
  23. Staatsarchiv Zug, G 468, Wirtepatente, Mappe Rössli, Gesuch vom 05.01.1967
  24. Staatsarchiv Zug, G 617.6.6, Assekuranzregister Cham, 4. Generation (1960–1990), Band 1
  25. Staatsarchiv Zug, G 468, Wirtepatente, Mappe Rössli, Gesuch vom 18.06.1970
  26. Staatsarchiv Zug, G 468, Wirtepatente, Mappe Rössli, Gesuch vom 28.06.1974
  27. Staatsarchiv Zug, G 617.6.6, Assekuranzregister Cham, 4. Generation (1960–1990), Band 1
  28. Staatsarchiv Zug, G 468, Wirtepatente, Mappe Rössli, Gesuch vom 02.04.1986
  29. Staatsarchiv Zug, G 468, Wirtepatente, Mappe Rössli, Gesuch vom 08.04.1994
  30. Zuger Zeitung, 25.05.2020
  31. Zuger Zeitung, 25.05.2020
  32. Zuger Zeitung, 29.05.2020
  33. Zuger Zeitung, 25.05.2020
  34. Dittli, Beat, Zuger Ortsnamen. Lexikon der Siedlungs-, Flur- und Gewässernamen im Kanton Zug. Lokalisierung, Deutung, Geschichten, Zug 2007, Bd. 4, S. 88
  35. Zuger Volksblatt, Beilage Elfhundert Jahre Cham 858–1958, 11.07.1958