Nestlé & Anglo-Swiss Condensed Milk Company
Die «Nestlé & Anglo-Swiss Condensed Milk Company» entsteht 1905 durch die Fusion der beiden milchverarbeitenden Konzerne. Der lange Firmenname wird 1947 auf Nestlé Alimentana und 1977 auf Nestlé verkürzt. Die Produktion in Cham schliesst 1933. Bis heute befindet sich das Aktienregisterbüro des Weltkonzerns Nestlé in Cham.



Chronologie
1881 George Ham Page (1836–1899), Generaldirektor der Anglo-Swiss Condensed Milk Company will das Unternehmen seines Konkurrenten Henri Nestlé (1814–1890) in Vevey VD übernehmen. Er rechnet mit einem Kaufpreis von 1,5 Millionen Franken. Davon will Nestlé nichts wissen und schlägt stattdessen eine Fusion vor, was Page ausschlägt, weil die Anglo-Swiss viel rentabler sei. [1]
1883 Paul F. Wild (1842–1914), der Verwaltungsratspräsident der Anglo-Swiss, trifft sich allein mit Emile-Louis Roussy (1842–1920) von Nestlé. [2]
1889 Wild trifft sich erneut mit Roussy und mit Jules Monnerat (1820–1898), dem Verwaltungsratspräsidenten der Nestlé. Diesmal geht es um den Verkauf der Anglo-Swiss-Fabrik in Düdingen FR. Doch der Verkauf misslingt. Anglo-Swiss Direktor David Page (1844–1903) kommentiert in seiner ironischen Art: «Warum kauft Nestlé nicht gleich unsere ganze Firma?» Wild nimmt Davids Spruch ernst, verhandelt weiter und macht George Page schliesslich folgenden Vorschlag: Anglo-Swiss und Nestlé würden zusammen eine Firma gründen. Zwei Generaldirektoren würden die Firma führen, George wäre der Chef der Milchdivision. Vom Aktienkapitel von 40 Millionen Franken würde die Anglo-Swiss 30 Millionen beisteuern. Doch auch dieser Plan scheitert. Von George Page ist folgende Anschauung überliefert: «Es ist hart, eine Zusammenarbeit zu planen, wenn ein Elefant mit einer Maus eine profitable Partnerschaft eingehen soll.» Mit dem Elefanten meint er natürlich seine Anglo-Swiss, mit der Maus die Nestlé. [3]
1899 Nach dem Tod von Anglo-Swiss-Generaldirektor George Ham Page beginnen die Fusionsverhandlungen zwischen Anglo-Swiss und Nestlé. [4] Als Ersatz für den verstorbenen Page wird Alois Bossard (1841–1912) in den Verwaltungsrat der Anglo-Swiss gewählt. [5] Er schlägt sich bei den Fusionsverhandlungen auf die Seite der Fusionsbefürworter, zusammen mit Adelheid (1853–1925) und Fred Page (1877–1930), den direkten Nachkommen von George Page. An der Generalversammlung vom 12. September kommt die Zweidrittelsmehrheit aber nicht zustande, die für die Fusion notwendig gewesen wäre. [6] Man muss wissen: Die Anglo-Swiss hat zu diesem Zeitpunkt eine dreimal so hohe Produktionskapazität wie Nestlé, die liquiden Mittel der Chamer betragen 9 Millionen Franken, die der Nestlé nur 4 Millionen. [7]
1901 Die Fusion bleibt das bestimmende Thema. Um ein Gleichgewicht zwischen Fusionsgegnern und -freunden zu schaffen und um die Arbeit auf mehrere Schultern zu verteilen, wird die Generaldirektion von einem Trio besetzt: Adolf Gretener (1850–1924), Alois Bossard und Fred Page teilen sich die Verantwortung. [8] Gretener ist gegen die Fusion, die zwei anderen sind dafür. Der Verwaltungsrat beschliesst den Verkauf des Amerikageschäfts der Anglo-Swiss, um die Firma noch wertvoller zu machen. [9]
1905 Alois Bossard leitet erfolgreich die Gruppe der Aktionäre, die eine Fusion der Anglo-Swiss mit Nestlé befürworten. Die Fusion gelingt. Das neue Unternehmen heisst «Nestlé & Anglo-Swiss Condensed Milk Company». [10]
1908 Bossard tritt aus gesundheitlichen Gründen aus der Generaldirektion zurück, verbleibt aber im Verwaltungsrat der neu fusionierten Gesellschaft Nestlé & Anglo-Swiss und wirkt dort als ständiger Unruheherd. An der Generalversammlung 1908 stellt er sich öffentlich gegen den Verwaltungsrat. [11]
1914 Die gezuckerte Kondensmilch – das Kerngeschäft der Chamer Anglo-Swiss – generiert noch immer 82 Prozent des Konzernumsatzes. Allerdings gehen die Milchexporte während des Ersten Weltkriegs sukzessive zurück, weil weniger Schweizer Milch zur Verfügung steht. Um dennoch liefern zu können, beginnt das Unternehmen mit Verlagerungen ins Ausland. [12]
1918 Die Nestlé & Anglo-Swiss Condensed Milk Company beschliesst zur Hebung des Wohnungsmangels die Erstellung einer Arbeitersiedelung „Neu-Enikon“ in Cham, bestehend aus Arbeiter- und Beamtenwohnhäusern. Die Anlage wird nach den Plänen von Architekt Adolf Müller in Zug erstellt. [13]
1922 Die Aktien der Milchsiedereien in Cham und Vevey erleiden am 6. Januar einen massiven Kurssturz, der einen deprimierenden Einfluss auf die Börsen hat. Der Titel büsst an diesem Tag gegen 30 Franken ein und schliesst bei 160 Franken. [14]
Im April präsentiert die Firma ihre Geschäftszahlen für 1921. Die Milchgesellschaft hat im Geschäftsjahr 1921 Verluste von rund 93 Millionen Franken erlitten. Der Verwaltungsrat überlegt sich Restrukturierungen. [15]
Auf den 1. Mai will die Milchfabrik den Lieferanten nur noch 18 Rappen pro Liter Milch bezahlen und setzt die Bauern mit einer möglichen Verlagerung der Produktion ins Ausland unter Druck. [16]
Das Unternehmen kann die Halbjahresdividende aus die 8%–Vorzugsaktien im Juli nicht bezahlen. Die Verwaltung hofft, dass nach Durchführung des Sanierungsplanes die volle Vorzugsdividende nachbezahlt werden kann. [17]
Die Firma verlagert einen Teil ihrer Produktion ins Ausland: «Nun fühlte man auch in Cham allgemach, dass die Firma langsam ins Ausland abbröckelte.» [18]
1923 Die Nestlé-Anglo Swiss schliesst in Cham ihre Werkstätten und entlässt 20 Arbeiter. [19]
1925 Die Nestlé-Anglo Swiss rentiert wieder, sie erzielt einen Reingewinn von 18,86 Millionen Franken. Der Verwaltungsgsrat schlägt der Generalversammlung die Ausschüttung einer Dividende von 8 Prozent vor. Die Einlage in den Reservefonds beträgt eine Million, die Amortisation an den Beteiligungen 6,5 Millionen. [20]
1932 An der Generalversammlung am 15. April im Neudorfsaal in Cham spricht Louis Dapples, Präsident des Verwaltungsrats von den hohen Milchpreisen und von zwingenden Umstrukturierungen. Die Verhältnisse innerhalb der letzten Zeit hätten die Firma gezwungen, die Fabrikation im Inland und damit den Export noch weiter einzuschränken, womit leider zwangsläufig eine Reduktion der Arbeiterzahl in Schweizerfabriken verbunden sei. Die Milchpreise in Cham und Umgebung seien so ziemlich die höchsten in der ganzen Welt, sie seien nahezu zweimal so hoch wie in einer Reihe anderer Länder, zurzeit dreimal so hoch wie die Preise in Holland, wo starke Konkurrenten wohnen. Es sei vorauszusehen, dass die Milchverträge gekündigt werden müssen, und es sei ernsthaft damit zu rechnen, daß sie vorderhand nicht mehr erneuert werden können. 1931 habe die Gesellschaft für die Schweizerware eine Reihe von Millionen mehr ausgelegt, als wenn sie diese im Ausland fabriziert hätte. [21] Redner aus der Gemeinde Cham weisen darauf hin, dass die Nestlé-Gesellschaft aus dem Chamer Unternehmen hervorgegangen sei und die "Chamermilch" von da aus ihren Siegeszug durch die Welt angetreten habe, dass das Produkt den Namen Cham trage und dass es ein Armutszeugnis für eine Firma vom Range der Nestlé wäre, wenn es zu einer Stillegung kommen sollte. Durch eine Einstellung des Nestlé-Betriebes in Cham würde nicht nur diese Gemeinde an ihrem wirtschaftlichen Fortkommen stark geschädigt, es würden zudem auch weite Kreise der Landwirtschaft arg in Mitleidenschaft gezogen. [22]
Im Mai reicht Gemeindepräsident Bernhard Baumgartner im Kantonsrat eine Motion ein. Der Regierungsrat wird gefragt, welche Massnahmen er ins Auge fasse, um der Nestlé-Gesellschaft den Weiterbetrieb der Fabrik in Cham zu ermöglichen und um damit eine drohende Notlage der Landwirtschaft und des Gewerbes im Kanton Zug, sowie eine beängstigende Zunahme der Arbeitslosigkeit zu verhindern? Warum soll es der Nestlé unmöglich sein, in Cham zu bleiben, wenn die Firma doch 22 Millionen Franken Reingewinn mache? [23] [24]
Am 1. Juli beantwortet der Regierungsrat die Motion Baumgartner: Die Regierung habe sich mit den Milchfabriken in Verbindung gesetzt, jedoch hätten die Besprechungen kein Ergebnis gezeitigt. [25] Auch die Gespräche mit dem Zentralvorstand der Milchproduzenten verlaufen ergebnislos. [26]
Die Generaldirektion in Vevey beschliesst, die Fabrikationsanlage in Cham zu schliessen, «weil diese nicht mehr mit Milch versorgt werden könne, die Konkurrenzpreisen entspreche». [27] Im August wird bekannt, dass die Milchlieferverträge auf den 1. November gekündigt werden sollen. [28]
Ende Oktober wird im Werk Cham die letzte Kondensmilch hergestellt. [29]
Der Personalbestand wird um zwei Drittel reduziert, 60 Personen werden entlassen. [30] Die Schliessung der Milchfabrik ist ein Drama in Cham; während 66 Jahren war die Firma der wirtschaftliche Motor der ganzen Region gewesen. Die Schliessung trifft nicht nur die Belegschaft hart, sondern auch die Bauern der Umgebung, die ihre Milch nicht mehr in die Chamer Milchfabrik liefern können. Zudem ist die Schweiz von der grossen Weltwirtschaftskrise der frühen 1930er Jahre betroffen.
Pförtnerhaus und Eingang zum Nestlé-Fabrikgelände an der Zugerstrasse, aufgenommen wenige Tage vor der endgültigen Betriebsschliessung am 1. November 1933
1933
Cham bezieht noch einen Teil ihrer Milch. Diese wird nach der Fabrik Payerne transportiert und dort verarbeitet. [31] Die Fabriken in Vevey und Payerne halten die Produktion von Schweizer Kondensmilch in beschränktem Umfang aufrecht. Die Schokoladefabriken in Broc und Orbe arbeiten "noch relativ befriedigend", trotzdem sie einen Teil ihrer Ausrüstung an andere, ausländische Fabriken abgeben mussten, deren Fabrikafionsbedingungen günstiger seien. [32]
Zur Situation der entlassenen Mitarbeitenden schreibt Nestlé: «Unter dem Zwang dieser Ereignisse musste ein Teil des allen, treuen schweizerischen Personals entlassen werden. Teilweise seien die Leute vorzeitig pensioniert worden, teilweise hätten sie so reichlich wie möglich bemessene Abfindungssummen erhalten.» [33]
Am 1. November schliesst die Milchfabrik endgültig. Die Nestlé-Anglo Swiss spricht in Cham nochmals 30 Entlassungen aus. [34] Die Fabrik in Payerne wird weitergeführt. Sie wird von 105 waadtländischen und freiburgischen Milchlieferanten beliefert. [35]
1944 Die Fabrikationshallen entlang der Lorze verkauft die Nestlé der Maschinenfabrik Cham. [36]
1947 Nach der Übernahme der AG Alimentana mit Maggi heisst die Firma neu «Nestlé Alimentana». Der Name Anglo-Swiss ist damit Geschichte. [37]
1977 Der Einfachheit halber heisst der Nahrungsmittelkonzern nur noch «Nestlé». [38]
2016 Die Nestlé feiert ihren 150. Geburtstag und besinnt sich ihrer Chamer Wurzeln. Dazu wird das Verwaltungsgebäude an der Zugerstrasse 8 mit wechselnden Farben illuminiert. Zudem verfassen die zwei Page-Biografen Judith Stadlin und Michael van Orsouw (*1965) die Theatertour «De Südi-Schorsch». [39]
Verdorbene und gepanschte Milchlieferungen
«"Ehrlich währt am längsten und wer nicht ...... , der kommt zu nichts". Das wird sich auch ein reicher Chamer Bauer gesagt haben, als er letzte Woche seine Milchlieferung von der Milchfabrik retour bekam. Da nämlich das Alters- und Krankenasyl ebenfalls bei ihm Milch bezog, gab er die von der Fabrik beanstandete einfach an dieses ab. Das hatte dann zur Folge, daß einigen Insassen im Asyl unwohl wurde, wodurch der Betrug an den Tag kam. Die Asylverwaltung hat dann von weiterem Bezug Abstand genommen, trotzdem sie für allerdings reine, frische Milch 2 Rappen mehr bezahlte als üblich. Nicht gar selten kommt es vor, daß von der Milchfabrik, die ein eigenes Laboratorium besitzt, Wassermannen zurückgewiesen werden müssen. Es würde sich doch auch schön machen, wenn solche Leute ihre Namen in der Zeitung gedruckt sehen könnten.» [40]
Kritik an den Löhnen und Arbeitszeiten
«Die noble Nestlé-Fabrik in Cham»
«Kindermehl und kondensierte Milch werden auch von der Arbeiterschaft konsumiert. Man sollte daher meinen, dass eine Fabrik die auf Arbeiterkundschaft mit angewiesen ist, auch anständige Arbeitsbedingungen biete. In der Nestlé-Fabrik in Cham scheint man aber anders zu denken. So veröffentlicht das Luzerner "Arbeiterblatt" einen Notschrei aus Cham, dem wir folgende Angaben entnehmen.
Da blüht vorerst die Überstundenschinderei wie an wenig Orten sonst noch. Es gibt, dem Gewährsmann des "Arbeiterblatts" zufolge, Männer und besonders Frauen, die im Monat bis zu 300 Arbeitsstunden haben. Manche Frauen gehen nach dem Nachtessen wieder von 7 bis 9 Uhr in die Bude, und auch die Sonntagsruhe wird nicht eingehalten, noch auch dafür wenigstens ein Zuschlag bezahlt. Was sich aber die Weltfirma hinsichtlich des Lohnes erlaubt, passt würdig zur Arbeitszeit. Gelernte Berufsleute wie Schlosser und Schreiner müssen mit einem Stundenlohn von Fr. 1.25 vorlieb nehmen. Frauen verdienen im Maximum 75 Rappen, aber nur solche, die schon längere Zeit im Geschäft sind, an die zehn oder zwölf Dienstjahre hinter sich haben. Die meisten Mädchen haben aber pro Stunde nur 45 bis 55 Rappen.
Dafür zeigt sich die Firma in anderer Weise nobel. Sie veranstaltet Autotouren und im Winter einen sogenannten "Südi"-Ball, um den Anschein der "guten" Herrschaft zu erwecken. Und leider fallen die Arbeiter auf den Schwindel herein, statt auszurechnen, wie teuer die Firma eine solche Veranstaltung kommt und was sie ausgeben müsste, wenn sie antändigere Löhne bezahlen müsste; sie würden erkennen, dass diese Art Wohltätigkeit in Wirklichkeit für die Fabrik ein gutes Geschäft bedeutet.» [41]
Kommentar zur Schliessung der Chamer Milchfabrik
«Was man kommen sah, ist nun eingetreten: Die Milchsiederei Cham hat ihren Betrieb eingestellt. Diese Firma — im Jahre 1866 mit einem Aktienkapital von 100 000 Fr. gegründet — hat lange Zeit in der zentralschweizerischen und speziell in der zugerischen Landwirtschaft eine große Rolle gespielt. Sie war Ursache, daß die Bauern sich vollständig umstellten, indem sie den Ackerbau aufgaben und sich ganz einseitig auf die Milchwirtschaft verlegten. Zwar blieb die Siederei mit ihren Milchpreisen von jeher einwenig unter den Käsereimilchansätzen, aber die Zuger Bauern nahmen das mit in Kauf, weil sie allen Risikos enthoben waren und einen prompten, sichern Zahler hatten. Es wurde viel Geld verdient und in Cham auch viel Geld ausgegeben.
Mit der Zeit kam es zwischen der Direktion der Milchfabrik und den Milchlieferanten zu verschiedenen Reibereien. Besonders war in Cham die Organisation der Milchproduzenten nicht gern gesehen. Um daher für alle Fälle gerüstet zu sein, bauten schon 1895 die Genossenschaften von Cham und Hünenberg größere Käsereigebäude. 1912 taten dies Baar und Risch, später Steinhausen. Infolge der gegenseitigen Befehdungen fiel dann der Zuger Milchverband auseinander. Er umfaßte alle jene Genossenschaften, welche nach Cham Milch lieferten und erstreckte sich auf die Kantone Zug, Aargau, Luzern, Schwyz und Unterwalden. Einige Genossenschatten schlossen sich dann während der Kriegszeit dem zentralschweizerischen Milchverband an, andere dem nordostschweizerischeil und der Rest blieb dem alten Verbande treu.
Mittlerweile hatte sich die Milchsiederei Cham zu einem Weltgeschäft entwickelt, das heute mit einem Aktienkapital von 142 Millionen Fr. arbeitet und in allen europäischen und überseeischen Ländern Niederlassungen besitzt. Sie ist jetzt auf die Schweizermilch nicht mehr angewiesen, fabriziert dort, wo die Milch billiger ist und frägt ihrer „Mutter" nichts mehr darnach: die Fabrik ist halt nicht der Bauern wegen gegründet worden! Wir müssen uns mit den Verhältnissen und Tatsachen abfinden, wenn es auch dem Finanzdirektor des Kantons und dem Finanzchef der Gemeinde Cham sehr leid tut, daß vom Aktienkapital nur noch 30 Millionen versteuert werden. Es besteht sogar die Gefahr, daß dieser Rest auch noch verloren gehen kann. Und die Zuger könnten diese Steuerbeträge so gut brauchen, sieht doch der Voranschlag für 1933 eine Mehrausgabe von über 660 000 Fr. vor. Die Rechnung für 1931 schloß nur mit einer solchen von 68 000 Fr. ab. Zudem erheischen mehrere Projekte große Ausgaben, es sei nur die in Aussicht genommene Straßenkorrektiv Zug-Arth mit einem voraussichtlichen Kostenbetrag von 3,5 Millionen Franken genannt. Es ist auch zu beachten, daß die Arbeitslosigkeit wohl erst über die Anfänge hinaus und der Höbepunkt noch lange nicht erreicht ist.» [42]
Die Nestlé zum Standort Schweiz und ihrer Rolle als Sozialpartner
«Die Tatsache, daß die Gesellschaft überhaupt noch im Stande sei, verschiedene hunderttausend Kisten Kondensmilch aus der Schweiz auszuführen, trotz der überall eingesetzten Tendenz, nicht mehr nach Qualität, sondern ausschließlich nach billigen Preisen zu sehen, zeuge von dem unerschütterlichen Pflichtgefühl der Gesellschaft unserem Vaterlande gegenüber. Den entlassenen Mitarbeitern sei die Gesellschaft in möglichst liberaler Weise beigestanden. Der Umstand, daß in der Schweiz in der Milchabteilung die Anzahl der Arbeiter, welche eine Pension genießen, derjenigen gleichkomme, die eine aktive Arbeit verrichten, zeige genug, daß die Gesellschaft ihre sozialen Pflichten nicht leichtfertig nehme.» [43]
Bundesbern entdeckt in Cham die Schreibmaschine
«Am 6. Januar 1885 beugten sich im Bundeshaus in Bern sieben bundesrätliche Häupter über einen Gegenstand, der ihre magistrale Bewunderung erregte: über eine Schreibmaschine. [44] Vierzehn Tage vergehen, während denen die Administration die Frage, ob Schreibmaschine oder nicht, eingehend studiert. Dann, großer Entschluß! Am 19. Januar wird der Kanzleibeamte nach Cham geschickt, um dort die Kunst des Maschinenschreibens zu lernen. (In Cham hatte nämlich die Weltfirma Nestlé in ihrem Zentralsitz diese Wunderwerke aus Amerika schon in Betrieb.) Am ersten Tage schreibt er der Kanzlei nach Bern einen maschinengetippten Brief, der dort eine wahre Sensation hervorruft. Aber erst im Jahre 1905, also 20 Jahre später, hielt die Schreibmaschine ihren Einzug im Bundespalais. So lange brauchte die bernische Gründlichkeit, um hinter das Geheimnis der schreibenden Maschine zu kommen.» [45]
Einzelnachweise
- ↑ Orsouw, Michael van / Stadlin, Judith / Imboden, Monika, George Page, Der Milchpionier. Die Anglo-Swiss Condensed Milk Company bis zur Fusion mit Nestlé, Vevey / Zürich 2005, S. 97f.
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (van Orsouw / Stadlin / Imboden, 2005), S. 146
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (van Orsouw / Stadlin / Imboden, 2005), S. 146
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (van Orsouw / Stadlin / Imboden, 2005), S. 168
- ↑ Lüpold, Martin, Der Ausbau der «Festung Schweiz»: Aktienrecht und Corporate Governance in der Schweiz, 1881–1961, Dissertation Universität Zürich, Zürich 2010, S. 147
- ↑ Fischer, Manuel, Kondensmilch, vom Kinderernährungsmittel zum vielseitigen Halbfabrikat der Nahrungsmittelindustrie, in: Schweizerische Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialgeschichte 17, 2001, S. 298
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (van Orsouw / Stadlin / Imboden, 2005), S. 170
- ↑ Orsouw, Michael van / Stadlin, Judith / Imboden, Monika, Adelheid, Frau ohne Grenzen. Das reiche Leben der Adelheid Page-Schwerzmann, Zürich 2003, S. 136
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (van Orsouw / Stadlin / Imboden, 2005), S. 171, 174
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (van Orsouw / Stadlin / Imboden, 2005), S. 174f. Vgl. Anmerkung 5 (Lüpold), S. 148
- ↑ Vgl. Anmerkung 5 (Lüpold), S. 148.
- ↑ Fenner, Thomas, Nestlé & Anglo-Swiss. Vom Schweizer Milchimperium zum multinationalen Nahrungsmittelkonzern, in: Rossfeld, Roman / Straumann, Tobias (Hrsg.), Der vergessene Wirtschaftskrieg, Zürich 2008, S. 322–329
- ↑ Neue Zürcher Zeitung, 18.09.1918
- ↑ Nidwaldner Volksblatt, 28.01.1922
- ↑ Zürcher Oberländer, 13.04.1922
- ↑ Walliser Volkszeitung, 11.03.1922
- ↑ Neue Zürcher Nachrichten, 29.06.1922
- ↑ Steiner, Hermann, Seltene Berufe und Menschen im Zugerland, Zug 1984, S. 146
- ↑ Arbeitsgruppe Geschichte Zug, Krise im Kanton Zug nichts Neues, Zug 1976, S. 36
- ↑ Nidwaldner Volksblatt, 27.03.1926
- ↑ Neue Zürcher Zeitung, 24.04.1932
- ↑ Neue Zürcher Nachrichten, 29.04.1932
- ↑ Berner Tagwacht, 03.05.1932
- ↑ StAZug, CE 11.4.93, Interpellation Bernhard Baumgartner betr. Weiterbetrieb der Nestlé-Anglo Swiss Fabrik in Cham, 2.5.1932
- ↑ Neue Zürcher Nachrichten, 02.07. 1932
- ↑ Arbeitsgruppe Geschichte Zug, Krise im Kanton Zug nichts Neues, Zug 1976, S. 137
- ↑ Vgl. Anmerkung 17 (Steiner), S. 146
- ↑ Bieler Tagblatt, 18.08.1932
- ↑ Der Bund, 11.04. 1933
- ↑ Arbeitsgruppe Geschichte Zug, Krise im Kanton Zug nichts Neues, Zug 1976, S. 129
- ↑ Neue Zürcher Nachrichten, 02. 02.1933
- ↑ Der Bund, 11.04.1933
- ↑ Der Bund, 11.04.1933
- ↑ Arbeitsgruppe Geschichte Zug, Krise im Kanton Zug nichts Neues, Zug 1976, S. 129
- ↑ Neue Zürcher Nachrichten, 30.01.1933
- ↑ Speidel, Georges, L’Anglo-Swiss Condensed Milk Co & Henri Nestlé SA, Vevey 1998, S. 5
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (van Orsouw / Stadlin / Imboden, 2005), S. 71
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (van Orsouw / Stadlin / Imboden, 2005), S. 71
- ↑ Zuger Presse, 20.01.2016
- ↑ Der Grütlianer, 12.03.1914
- ↑ Berner Tagwacht, 03.02.1930
- ↑ Nidwaldner Volksblatt, 24.12.1932
- ↑ Oberländer Tagblatt, 27. April 1933
- ↑ 1867 wurde in Amerika die erste brauchbare Schreibmaschine patentiert, die spätere Remington
- ↑ Neue Zürcher Zeitung, 09.11.1941