Papieribahn

Aus Chamapedia

Die 31 Tonnen schwere Elektrolokomotive: neben der Remise auf dem Fabrikgelände
Das Papieribähnli «Marie» im Einsatz: für den Transport der Walze einer Papiermaschine
Die gedeckte Lokentladestation von 1920: mit der Lokomotive, dem Lokführer und dem Fabrikkamin
Papieribahn vor dem 1962 gesprengten Hochkamin der Papierfabrik
Anfänglich wurde die Elektrolokomotive auch zu Rangierfahrten im Bahnhof Cham eingesetzt
Bis 2014 fährt die Papieribahn durch das Neudorf-Quartier, 31.05.2007
Das gelbe Papieribähnli quert die Zugerstrasse, 21.04.2011
Blick in die Führerkabine des Akku-Traktors Ta 2/2, 21.09.2015
Die Ta 2/2 «Marie» vor der Remise in Sulgen, 13.06.2021

Die Papierfabrik Cham hatte ab 1920 einen direkten Gleisanschluss. Das einst «Marie» getaufte Papieribähnli durchquerte den Ort, quietschte ohrenbetäubend durch die Kurven und stoppte den Verkehr auf der Zugerstrasse. Dennoch hielt sich die Bahn bis 2014. Denn die Anbindung an den öffentlichen Verkehr war wichtig. Pro Jahr verfrachtete die fabrikeigene Bahn rund 80’000 Tonnen Material.


Chronologie

1902/1906 Die Papierfabrik Cham prüft die Erstellung eines eigenen Industriegleises – ohne es zu realisieren.

1908 Die Papierfabrik übernimmt einen Geleiseanschluss der Anglo-Swiss Condensed Milk Company.

1915 Während des Ersten Weltkriegs prüft die Papierfabrik ernsthaft, eine Bahnverbindung über die Schluecht zum Bahnhof Steinhausen zu bewerkstelligen.

1917 Die Papierfabrik kauft einen ersten Lastwagen, einen Laster der Marke Franz mit einem Gewicht von fünf Tonnen. [1]

1919 Obwohl die Papierfabrik zum Lastwagen noch einen Transporttraktor kauft, forciert sie weiter den Schienenverkehr. [2] Sie plant den direkten Geleiseanschluss mit einem Trassee mitten durch das dicht bebaute Nestléquartier.

1920 Am 8. März 1920 lenkt Papieri-Mitarbeiter Josef Jäck (1894–1980) die erste Fahrt der Papieribahn, die von der Maschinenfabrik Oerlikon MFO hergestellt wurde. Die Zugskomposition wird gezogen von einer Lokomotive mit Elektro-Akkumulatoren, die zwei 75-PS-Motoren antreiben. Die Maximalgeschwindigkeit beträgt beschauliche 17 Kilometer pro Stunde. Die Bahnstrecke von insgesamt vier Kilometern (inklusive Geleise innerhalb der Fabrikanlage) überquert zwei Kantonsstrassen und eine Gemeindestrasse, auf denen der Verkehr kurz gestoppt wird. Die Zugmaschine ist für zwölf ankommende und zwölf abgehende Güterwagen pro Tag ausgelegt. [3] Doch das Transportvolumen steigt von Jahr zu Jahr bis zu rund 80'000 Tonnen pro Jahr.

1928 Die Papierfabrik erstellt eine Lokremise auf dem Fabrikgelände. [4]

1952 Weil die Nestlé & Anglo-Swiss Condensed Milk Company die Fabrikation in Cham schon länger stoppt hat, verkauft sie alle Geleise der Papierfabrik.

1962 Weil die Elektrolokomotive revidiert werden muss, leiht sich die Papierfabrik zuweilen eine Dampflokomotive der Papierfabrik Perlen aus (oder sie setzt jeweils auf eine Ersatzlokomotive des Typs «B-Tender»). Zustatten kommt der Papierfabrik in solchen Momenten, dass Lokführer Walter Lindegger (1929–2012) Erfahrung hat mit Dampfbetrieb, nämlich seinerzeit mit dem Betreiben von Schnapsbrennereien. [5]

1994 Die Firma Metrag AG baut der Lok eine Luftbremsanlage ein, um die angehängten Eisenbahnwagen zu bremsen. Gearbeitet wird nur nachts, damit die Lok tagsüber in Betrieb sein konnte.

2009 Die Lok erleidet am 9. März einen Achsbruch und entgleist. Zwei Tage später wird sie auf einen Tieflader gehievt und zur Reparatur abtransportiert. [6]

2012 Die Feuerwehr Cham löscht am 10. Januar einen Brand im Papieribähnli. [7]

2014 Das Papieribähnli fährt das letzte Mal durch Cham. Die Papierfabrik schenkt die Lokomotive, die seit 1920 ununterbrochen im Einsatz gewesen ist, der Museumsbahn Etzwilen-Singen in der Ostschweiz. Diese ist jedoch mit dem Betrieb und Unterhalt der anspruchsvollen Akku-Lok überfordert. Die Firma Stauffer Schienen- und Spezialfahrzeuge, Frauenfeld, übernimmt die Lok und macht sie flott. Die ehemalige Papier-Lok bleibt in Frauenfeld, wo sie als Werklok des Unternehmens dient. [8]

2017 Das Papieribähnli steht nach wie vor bei der Firma Stauffer Schienen- und Spezialfahrzeuge in Frauenfeld. Diese bietet «Marie» zur Miete (für 6000 Franken pro Monat) oder zum Kauf an (für 85'000 Franken, exkl. Mwst., aber inklusive Transportkosten) [9]

2018 Die Einwohnergemeinde plant einen «Velo- und Fussgänger-Highway» auf dem ehemaligen Trassee des Papieribähnlis. Der neue Weg für den Langsamverkehr soll die Naherholungsgebiete am Zugersee mit dem nach Norden erweiterten Ortszentrum verbinden. Er soll beim Gasometer in der Nestléstrasse beginnen, das Neudorfzentrum östlich umfahren und beim Papieriareal enden. [10]

2021 Die Ta 2/2 «Marie» bekommt ein neues Zuhause und einen neuen Verwendungszweck: Der gemeinnützige Verein Eurovapor übernimmt von der Firma Stauffer die Lok. [11] Am 12. Juni wird sie nach Sulgen TG gefahren, wo sie als Ersatz für den Rangiertraktor Tm 2/2 9 zum Einsatz kommt. «Marie» wird in Sulgen Rangierdienste übernehmen und in der von der Bischofszellerbahn erbauten Lokremise im Bahnhof Sulgen untergebracht.

Im Dezember wird der rund 600 Meter lange «Papierigleisweg» eröffnet. [12]

2022 Am 3. September ist «Marie» (in Form einer Kulisse) der Star auf dem Chamer Festplatz auf der Rössliwiese beim «ZugFäscht» in der Stadt Zug, das von rund 45'000 Personen besucht wird. [13]


Technische Daten

  • Geschwindigkeit: max. 17 km/h
  • Motorenleistung: 2 x 75 PS
  • Akkumulator mit 240 Batterieelementen (17 Tonnen)
  • Gesamtgewicht: 33.5 Tonnen
  • Radstand: 4.5 Meter
  • Länge über Puffer: 8,94 Meter
  • Breite: 3,06 Meter


Personen


Fotogalerie

Die Transporte des Papieribähnlis in der Ostschweiz


Dokumente

Plan

1503100 Papieribahn Plan SIG Neuhausen 10.05.2019 DSC 4836.jpg

Plan der Schweizerischen Industrie-Gesellschaft SIG, Neuhausen SH, 10.05.1919

Zeitungsartikel

«Das hat ‹Marie› nicht verdient», Zuger Zeitung vom 11.11.2017


Filmdokumente

Testfahrt durch Cham

Testfahrt in der Vorweihnachtszeit, 2007, ein Film von Markus Geiger


«Marie» unterwegs in Cham

Kurvenquietschen vor der Papierfabrik, 2011


Die «Marie» unterwegs in Sulgen TG

Das ehemalige Chamer Papieribähnli beim Bahnhof Sulgen, 06.09.2021


«Marie – der Zeit voraus»

Der Film «Marie – der Zeit voraus» ist ein Auftragswerk von Cham Tourismus für das «Zug Fäscht 2022» vom 3. September 2022. Der Film dokumentiert die Eisenbahnlinie von «Marie», wie die Papieribahn auch genannt wird. Er wird von Lukas Schnurrenberger, avp Media-Design, Cham, produziert.


Einzelnachweise

  1. Orsouw, Michael van, Der Zellstoff, auf dem die Träume sind – 350 Jahre «Papieri» Cham, Zug 2007, S. 192
  2. Vgl. Anmerkung 1 (van Orsouw), S. 192
  3. Hauszeitung Papierfabrik Cham, Nr. 30, 1971, S. 26
  4. Staatsarchiv Zug, G 617.6.6, Assekuranzregister Cham, 4. Generation (1960–1990), 1. Band
  5. Hauszeitung Papierfabrik Cham AG, Nr. 4, 1962, S. 12f.
  6. Neue Zuger Zeitung, 11.03.2009
  7. Chronik Feuerwehr Cham: http://www.fw-cham.ch [Stand: 10.10.2017]
  8. Freundliche Mitteilung von Jürg Stauffer, Frauenfeld, 10.10.2017
  9. Zuger Zeitung, 11.11.2017
  10. Kluge, Philip, CHAM-Langsamverkehrsachse Papieri Areal, Rapperswil 2017. www.zentralplus.ch [News- und Community-Plattform für Luzern und Zug], 28.06.2018
  11. Freundliche Mitteilung von Hansueli Kneuss, Verein Eurovapor, 02.11.2021
  12. Zuger Zeitung, 07.12.2021
  13. Zuger Zeitung, 04.09.2022