Gasometer
An der Ecke Seehofstrasse/Nestléstrasse steht noch heute einer der Gasometer der Anglo-Swiss Condensed Milk Company. Die Milchfabrik musste selber Energie erzeugen, um die Fabrikation zu betreiben. Das Objekt ist industriegeschichtlich von grosser Bedeutung.
Chronologie
1872/1873 Die Anglo-Swiss Condensed Milk Company benötigt für ihre Fabrikation Energie. Weder eine öffentliche noch eine private Energieversorgung existiert. Deshalb erstellt die Anglo-Swiss eine eigene Gasfabrik. Um das erzeugte Gas zu speichern, baut sie östlich der Fabrik einen Gasometer. Später kommt ein zweiter Gasometer hinzu. Mit dem Gas kocht sie die Milch, beleuchtet sie die Fabriken und verschweisst die Kondensmilch-Dosen. Die Überschüsse speist die Anglo-Swiss bis 1925 in das öffentliche Gasnetz von Cham ein. Die Strassen von Cham sind fortan nachts beleuchtet. [1]
1925 Die Nestlé & Anglo-Swiss Consended Milk Company gibt die eigene Gasproduktion auf und schliesst stattdessen mit den Wasserwerken Zug AG einen Gasliefervertrag. [2]
1933 Weil die Nestlé & Anglo-Swiss Condensed Milk Company ihre Produktion in Cham schliesst, verkauft sie die gesamte Gasanlage mit dem Gasometer am 1. Juli an die Wasserwerke Zug AG für 125'000 Franken. Im Grundbucheintrag wird der Wert des Gaswerks samt 850 m² grossem Grundstück mit 22'000 Franken eingetragen, das Leitungsnetz wird auf 80'000 Franken geschätzt. [3] Die WWZ bauen einen Heizraum an die Anlage. [4]
1957–1960 Die alten Bauten aus dem 19. Jahrhundert werden abgebrochen, die einstige Gasfabrik sogar gesprengt. [5] Einer der beiden Gasometer muss 1960 für einen Neubau der Landwirtschaftlichen Genossenschaft weichen (dieses Gebäude wird 2000 ebenfalls durch einen Neubau an der Zugerstrasse 14 mit dem Coop Cham ersetzt). [6]
2016 Am 25. September entscheidet sich die Chamer Stimmbevölkerung mit 3'533 JA- und zu 855 NEIN-Stimmen deutlich für die Teiländerung des 1999 beschlossenen Bebauungsplans Seehofstrasse-Zugerstrasse. Der revidierte Bebauungsplan für die Grundstücknummern 291 und 293 bildet die Grundlage für die künftige Bebauung. Die Böschung um den Gasometer wird wieder entfernt, um die ganze Anlage sichtbar zu machen.
2024 Die Anlage ist im Inventar der schützenswerten Denkmäler der Gemeinde Cham enthalten. [7]
Würdigung
«Dem Gasometer kommt besonders grosse wirtschaftshistorische Bedeutung zu [...] Der Gasometer in Cham ist neben demjenigen in Schlieren vermutlich einer der letzten in der Schweiz.» [8]
Begriff Gasometer
Die häufig verwendete Bezeichnung Gasbehälter bezeichnete ursprünglich ein Messgerät (siehe auch Saturometer), welches den Zweck hatte, bestimmte Eigenschaften, insbesondere den Druck eines Gases, zu messen. Die ersten Gasometer wurden für Normaldruck konstruiert und waren mit einer Skala für die Gasmenge im Behälter ausgestattet (daher der Name Gasometer). Früher wurde der Füllstand, also der Gasinhalt eines Gasbehälters, mittels eines Gasometers gemessen. Dieser Füllstand wurde auf einer grossen Messuhr an der Aussenwand des Gasbehälters mit Zeigern angezeigt. Diese Anzeige war so gross ausgeführt, dass sie zur Kontrolle über ein weites Areal am Gaswerk sichtbar war.
Die Bezeichnung Gasometer wurde zum ersten Mal von dessen Erfinder, dem französischen Chemiker Antoine Laurent de Lavoisier (1743–1794), verwendet. Ihm gelang 1789 die Entwicklung eines Behälters, der zur Speicherung von Gasen geeignet ist und mit dem Namen «gazometre» benannt wurde. Der erste «Gasometer» (Gaszähler – nicht Gasbehälter) wurde 1815 von William Clegg, einem Pionier der Gasbeleuchtung und Assistent des schottischen Ingenieurs William Murdoch (1754–1839) geplant.
Aktueller Kartenausschnitt
Einzelnachweise
- ↑ Orsouw, Michael van/ Stadlin, Judith / Imboden, Monika, George Page, Der Milchpionier. Die Anglo-Swiss Condensed Milk Company bis zur Fusion mit Nestlé, Vevey / Zürich 2005, S. 98. Grünenfelder, Josef, Die Kunstdenkmäler des Kantons Zug, Neue Ausgabe, Bd. 2, Die ehemaligen Vogteien der Stadt Zug, Bern 2006, S. 256f.
- ↑ Industriekultur Schweiz, Objekt 6330-01-2
- ↑ Freundliche Mitteilung von Gemeindearchivarin Franziska Sidler, Cham, 23.08.2019
- ↑ Amt für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Zug, Datenblatt zur Bestandesaufnahme historischer Bauten im Kanton Zug [Stand: 24.05.2019]
- ↑ Zugersee-Zeitung, 05.07.1958
- ↑ Industriekultur Schweiz, Objekt 6330-01-2
- ↑ Amt für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Zug, Inventar der schützenswerten Denkmäler der Gemeinde Cham, Grundstücknummer 291 [Stand: 11.04.2024]
- ↑ Amt für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Zug, Datenblatt zur Bestandesaufnahme historischer Bauten im Kanton Zug [Stand: 24.05.2019]