Luzernerstrasse 16, Kaplanen- und Sigristenhaus
1786 liess der Luzerner Baumeister Jakob Singer das Kaplanenhaus, das ursprünglich am Kirchenplatz stand, an die Luzernerstrasse verschieben. Fortan wurde es als Sigristenhaus genutzt. Zeitnah zu dieser Hausverschiebung und unmittelbar neben dem verschobenen alten Kaplanenhaus liess Singer ein neues Kaplanenhaus errichten, das dem Kaplan als Wohnhaus und der Gemeinde als Schulstube diente. Das gemauerte Kaplanen- und das verschindelte Sigristenhaus gehören zu den ältesten Liegenschaften im Kirchbühl und schliessen den Kirchenplatz gegen Norden ab.
Chronologie
1707 Die Untervögte von Cham und Hünenberg bitten für den Bau eines neuen Schulpfrundhauses für den Kaplan im Kirchbühl. Sie erhalten vom Zuger Stadtrat aus den städtischen Ziegelhütten kostenlos je 2000 Ziegel und Kalk zu einem gerechten Preis. [1] Das Chamer Kaplanen- und Schulhaus stand ursprünglich am Kirchenplatz nordöstlich des Bänihauses. [2]
1786 Im Zuge des Neubaus und der Neuausrichtung der Pfarrkirche St. Jakob lässt der Luzerner Baumeister Jakob Singer (1718–1788), ein ausgewiesener Kirchenbau-Spezialist und seit 1784 mit dem Neubau der Pfarrkirche beauftragt, das alte Kaplanen- und Schulhaus «sambt offen, kamini und Ziegel auff dem Dach» [3] an die jetzige Stelle nördlich des Kirchenplatzes verschieben. Neu wohnt der Sigrist mit seiner Familie in diesem Haus, so dass es fortan «Sigristenhaus» genannt wird (Ass.-Nr. 3a). Das alte Sigristenhaus von 1662 wurde bereits vor dem Kirchenbau abgerissen. [4]
Der Kirchenplatz mit den mit dem Haus Merkur, dem Kaplanen- und Sakristanenhaus und dem Restaurant Kreuz in einer frühen Aufnahme
Der Kirchenplatz um die Jahrhundertende mit dem Kaplanen- und Sakristanenhaus und rechts dem Restaurant Kreuz
Zeitnah zu dieser Hausverschiebung und Umnutzung wird von Singer ein neues Kaplanen- und Schulhaus (Ass.-Nr. 2) an der Luzernerstrasse gebaut. Der Kaplan erhält im 1. Obergeschoss eine Wohnung, im Erdgeschoss befindet sich das Schulzimmer. [5]
1853 Zum Sigristenhaus gehört ein «Scheuerlein» (Ass.-Nr. 3b). Dieses Gebäude fällt am Abend des 23. Novembers einem Brand zum Opfer. Es ist Chomer Märt und die Leute sitzen in den Wirtschaften. Nur «mit Noth» kann das Vieh gerettet werden. Als Brandursache wird Brandstiftung vermutet. [6]
ca. 1870 Die Liegenschaften werden im Innern modernisiert und sie erhalten die jetzige Form mit Rafendach und Einzelfenstern in rundschindel verkleideten Fassaden. Der Zwischenbau, der die beiden Häuser verbindet, stammt ebenfalls aus dem 19. Jahrhundert. [7]
Blick von der Poststrasse auf den Rabenplatz mit dem Haus Burri und dem Kaplanen- und Sakristanenhaus, vor 1920
Das Kaplanen- und Sakristanenhaus nach 1920: Man beachte den hübschen Balkon in der Mitte sowie die noch nicht asphaltierte Luzernerstrasse
ca. 1950
Das Sigristenhaus erhält die Adresse «Luzernerstrasse 16», das Kaplanenhaus die Adresse «Luzernerstrasse 18». Beide Liegenschaften gehören der Katholischen Kirchgemeinde Cham-Hünenberg. [8]
Das Kaplanen- und Sakristanenhaus, Ansicht Süd-West, Juni 1982
Ansicht Süd, Juni 1982
1985
Die katholische Kirchgemeinde verkauft die Liegenschaften an die 1980 gegründete Marty Bau AG Cham. [9]
Die beiden Häuser, fotografiert vom Kirchturm aus, um 1985
1986
Beide Liegenschaften werden durch die Marty Bau AG umgebaut und durch ein gemeinsames Treppenhaus verbunden. Die Innenstrukturen beider Häuser bleiben weitgehend erhalten. Bei der Renovation kommen nach dem Entfernen von Täfer im Sigristenhaus 12 Bilder eines Stationenwegs zum Vorschein, die wohl um 1720 geschaffen wurden und der aus der 1783 abgebrochenen alten Chamer Pfarrkirche stammt. Die Bilder wurden als Windschutz auf die Innenseiten der Balkenwände verbaut. [10] Beim Kaplanenhaus wird die ursprüngliche dekorative Fassadengestaltung mit gemalten, quadrierten Ecklisenen oder blau-grauen Fensterrahmungen wieder angebracht. [11]
Umbau 1986: Der wohl einzige Durchblick zwischen den beiden Häusern auf den Kirchturm
1988
Die beiden Gebäude werden umnummeriert und erhalten die neue, gemeinsame Assekuranznummer Nr. 2a. [12]
Die Liegenschaft Luzernerstrasse 16, Ansicht Süd-West, 18.01.2025
Ansicht Nord, 18.01.2025
2024
Die Liegenschaft [13] ist im Inventar der schützenswerten Gebäuden der Gemeinde Cham aufgeführt. [14]
Würdigung
Das Sigristenhaus und das Kaplanenhaus sind zwei der ältesten Bauten auf dem Kirchbühl und gehören damit zu den wertvollen erhaltenen Bestandteilen des vorindustriellen Dorfkerns von Cham. Mit den zwei auf die Kirche ausgerichteten Bauten schuf der Architekt des Kirchenneubaus Jakob Singer 1786 einen wirkungsvollen Abschluss des Kirchplatzes. Dabei muss der gemauerte, kubische Baukörper des neuen Kaplanenhauses unter den wenigen Holzhäusern der Umgebung ein sehr auffallendes und eindrückliches Erscheinungsbild geboten haben. An zentraler Stelle zwischen Kirch- und Rabenplatz und als Gegenüber zur Kirchenfront kommt ihnen bis heute höchste städtebauliche Bedeutung zu. Zusammen mit der Kirche und dem Bänihaus bildet die Zweiergruppe der jetzt vereinten Häuser die wesentliche Einfassung des Kirchplatzes. Anfang und Ende des 18. Jahrhunderts beide als Kaplanenhäuser erstellt, zeigen sie in den variierenden Formen und Konstruktionen anschaulich den Wandel der Architektur im 18. Jahrhundert. [15]
Die Anschlagkasten an der Luzernerstrasse 16
Wie gelangten Vereine und Institutionen mit aktuellen Mitteilungen an ihre Mitglieder in jener Zeit, als es weder E-Mail noch Internet gab? Das Telefon war eine Möglichkeit, eine andere: Anschlagkasten an zentralen Orten. Die Hauswand der Luzernerstrasse 16 (Bild oben) war ein beliebter Ort, wo unter anderem die Jugendorganisationen Jungwacht und Blauring ihre Meldungen publizierten. Das geschah so: Die Leiter der jeweiligen Gruppen zeichneten, klebten, schnitten und schrieben Meldungen für ihre jugendlichen Mitglieder einen bis fünf Tage vor dem Gruppenanlass, der meistens an einem Samstag stattfand. Die Anschlagzettel variierten zwischen einfach geschriebenen Botschaften bis zu kleinen grafischen Kunstwerken. Mit der Sanierung der Liegenschaft 1986 ging dieser Ort verloren und er wechselte zum Bänihaus bei der Kirche. [16]
Aktueller Kartenausschnitt
Einzelnachweise
- ↑ Bürgerarchiv Zug, A 39.26.13.531, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1706–1709, fol. 48r (29.01.1707)
- ↑ Grünenfelder, Josef, Die Kunstdenkmäler des Kantons Zug, Neue Ausgabe, Bd. 2, Die ehemaligen Vogteien der Stadt Zug, Bern 2006, S. 107
- ↑ Villiger 1805
- ↑ Vgl. Anmerkung 2 (Grünenfelder), S. 107
- ↑ Staatsarchiv Zug, G 617.6.1, Assekuranzregister Cham, 1. Generation (1813–1868). Vgl. Anmerkung 2 (Grünenfelder), S. 107
- ↑ Neue Zuger Zeitung, 26.11.1853
- ↑ Grünenfelder, Josef, Tätigkeitsbericht Amt für Denkmalpflege, in: Tugium 4, 1988, S. 16
- ↑ Staatsarchiv Zug, G 617.6.4, Assekuranzregister Cham, 3. Generation (1929–1960), 1. Band
- ↑ Staatsarchiv Zug, G 617.6.6, Assekuranzregister Cham, 4. Generation (1960–1990), 1. Band
- ↑ Grünenfelder, Josef, Tätigkeitsbericht Amt für Denkmalpflege, in: Tugium 2, 1986, S. 32
- ↑ Grünenfelder, Josef, Tätigkeitsbericht Amt für Denkmalpflege, in: Tugium 4, 1988, S. 17
- ↑ Staatsarchiv Zug, G 617.6.6, Assekuranzregister Cham, 4. Generation (1960–1990), 1. Band
- ↑ www.zugmap.ch, Eintrag Grundstücknummer 116; Grundbuchfläche: 502 m², Gebäude: 220 m², Strasse, Weg: 9 m², übrige befestigte Fläche und Trottoir: 238 m², Gartenanlage: 35 m² [Stand: 29.11.2024]
- ↑ Amt für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Zug, Inventar der schützenswerten Denkmäler der Gemeinde Cham, Grundstücknummer 116 [Stand: 11.04.2024]
- ↑ Amt für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Zug, Inventarblatt, Ass.-Nr. 2a [Stand: 28.03.2022]
- ↑ Erinnerung des damaligen Jungwachtleiters Thomas Gretener, 20.01.2025