Papierfabrik Cham, Der Umbruch 1971–2015

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Nach der Hochkonjunktur veränderte sich der Schweizer Papiermarkt, sodass die Papierfabrik Cham unter Druck geriet. Zuerst versuchte sie ihr Glück mit Zukäufen und Diversifikationen, dann mit einer radikalen Spezialisierung und Internationalisierung. Schliesslich gab sie 2005 die Papierproduktion auf.


Chronologie

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Beispiel für die Internationalisierung: die Papierfabrik Hunsfos Fabrikker in Norwegen


1971 Der neue Vertreter der Aktionärsfamilie in der Papierfabrik Cham ist Dr. Gian Paolo Vogel (1922–2007), ein entfernter Verwandter von Robert Naville-Vogel (1884–1970). Er wird neuer Delegierter des Verwaltungsrats und setzt auf die Strategie der Diversifikation. [1]

1973 Die Papierfabrik bekommt eine neue Struktur: Sie wird Teil der Industrieholding Cham AG, welche die neue, börsenkotierte Muttergesellschaft wird. Die Immobilien werden neu in der Hammer AG zusammengefasst. [2]

1977 Als Folge der Neuorganisation wird der Betrieb in Frankreich, die Papeteries de Bretagne, verkauft. [3]

1978 Die Chamer «Papieri» kauft die Papierfabrik Cartiera di Locarno in Tenero TI und nennt sich «Papierfabriken Cham-Tenero AG», die mit fünf Papiermaschinen in Cham und zwei Maschinen im Tessin arbeitet. Gian Paolo Vogel wird von der Generalversammlung der Industrieholding abgewählt, ein sehr seltenes Ereignis. Die Ära der Diversifikation wird nach grossen Verlusten abrupt gestoppt. [4]

1980–1982 Die Unternehmungsberatung McKinsey untersucht alle Abläufe und die Kosten der Papierfabrik. Diese Analyse führt zu grossen Veränderungen und harten Einschnitten. [5]

1983 Als Konsequenz der McKinsey-Analyse wird der Verwaltungsrat-Delegierte Armin Seiler (*1939) abgelöst und durch Werner Bremi (1924–2017) ersetzt. In der Fabrikation werden die Papiermaschinen PM 1, PM 2 und PM 3 stillgelegt. Die neue Strategie setzt voll und ganz auf Spezialpapiere. [6]

1984 Weil Plastikfolien zunehmend wichtig werden und weil die Papierfabrik ihre Maschinen umstellt, sinkt das Interesse an der Tochterfirma Pavag AG. Die Papierfabrik Cham verkauft den Betrieb der Roxxo Holding AG von Stephan Schmidheiny (*1947). [7]


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Hoffnungsträgerin der Papierfabrik: die Streichmaschine SM 4, 26.09.1995


1993 Die Spezialisierung der Papierfabrik geht weiter: Sie erwirbt die neue Streichmaschine SM 4 für 60 Millionen Franken und übernimmt die italienische Cartiera di Carmignano mit Werken in Carmignano und Condino. [8]

1999 Jetzt kaufen die Chamer Papiermacher noch die Papierfabrik Hunsfos Fabrikker in Norwegen. [9]


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Das Areal der Papierfabrik Cham in einer Luftaufnahme, 2002


2007 Das Werk in Tenero wird geschlossen. [10] Die Papierfabrik feiert ihr 350-jähriges Bestehen mit verschiedenen Anlässen und gibt das Buch «Der Zellstoff, auf dem die Träume sind. 350 Jahre Papieri Cham» des Zuger Wirtschaftshistorikers und Autors Michael van Orsouw (*1965) heraus.

2008 Die Hammer Retex AG, die Immobilienabteilung der Industrieholding Cham AG, wird von der Firma abgespalten. [11]

2009 Die Papierfabriken Cham-Tenero AG bekommt den neuen Namen «Cham Paper Group». Doch der Firma geht es nicht gut: Weil zu wenig Bestellungen eingehen, stellt die Cham Paper Group die Maschinen der Papierfabrik für zwei Wochen ab, die Belegschaft wird auf Kurzarbeit gesetzt. [12]

2011–2013 Aufgrund der Stärke des Schweizer Frankens wird die Cham Paper Group mit ihrem sehr hohen Umsatzanteil im Ausland hart getroffen. Die Folge: Sie legt 2012 und 2013 die zwei verbliebenen Papiermaschinen in Cham still und streicht 200 Stellen. Die Produktion wird in die italienischen Werke verlagert. Das rund 100'000 Quadratmeter grosse Fabrikareal soll in ein Wohn- und Gewerbequartier umgenutzt werden, mit Wohn- und Büroräumen für 2000 Personen. [13]

2014 Die Cham Paper Group kündigt per 2015 nochmals die Streichung von 50 Stellen an. Am Hauptsitz verbleiben noch 40 Mitarbeiter. [14]

2015 Zum letzten Mal wird im April in Cham Papier produziert. Damit geht eine 358-jährige Tradition zu Ende. [15]


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Das Kesselhaus der Papierfabrik mit dem Logo «Cham Paper Group», 2017


→ zur Chronologie Die Ära Naville 1912–1970

→ zur Chronologie Die Neuzeit (ab 2015)

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Personen


Filmdokumente

Gewerbeverband opponiert gegen arbeitsfreien Tag am Geburtstag

Der Schweizerische Gewerbeverband SGV opponiert gegen die Einführung eines arbeitsfreien Tages am Geburtstag durch die Industrieholding Papierfabrik Cham; Interview mit Dr. Gian Paolo Vogel (1922–2007), Beitrag in der «Antenne», Schweizer Fernsehen, 19.09.1974


Kahlschlag bei der Papierfabrik Cham

Die Papieri baut mehr als 200 seiner 300 Arbeitsplätze ab und lagert die Produktion nach Italien aus, Cham-Chef Peter Studer macht den schwachen Euro verantwortlich, Beitrag in der Sendung «Börse», Schweizer Fernsehen, 21.11.2011


Dokument

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Zuger Zeitung, 04.05.2015


Einzelnachweise

  1. Orsouw, Michael van, Der Zellstoff, auf dem die Träume sind. 350 Jahre Papieri Cham, Cham 2007, S. 156
  2. Vgl. Anmerkung 1 (van Orsouw), S. 266
  3. Vgl. Anmerkung 1 (van Orsouw), S. 266
  4. Vgl. Anmerkung 1 (van Orsouw), S. 156, 166
  5. Vgl. Anmerkung 1 (van Orsouw), S. 267
  6. Vgl. Anmerkung 1 (van Orsouw), S. 186, 195
  7. Vgl. Anmerkung 1 (van Orsouw), S. 108
  8. Vgl. Anmerkung 1 (van Orsouw), S. 222, 267
  9. Vgl. Anmerkung 1 (van Orsouw), S. 227
  10. Vgl. Anmerkung 1 (van Orsouw), S. 267
  11. Neue Luzerner Zeitung, 28.10.2008
  12. Neue Zuger Zeitung, 28.01.2009
  13. Neue Zuger Zeitung, 22.11.2011
  14. Neue Zuger Zeitung, 22.08.2014
  15. Neue Zuger Zeitung, 22.08.2014