Kloster Frauenthal: Kriegerische Zeiten (Mitte 17. bis Mitte 19. Jh.)

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Älteste Vogelschauansicht von Frauenthal, vor dem 1696 bis 1698 erfolgten barocken Neubau des Ost- und Südflügels
Die Konfliktparteien und Schlachtorte nahe von Frauenthal im Zweiten Villmergerkrieg 1712
Nach den Villmergerkriegen prosperiert das Kloster; Ausschnitt aus dem Zehntenplan des Klosters Frauenthal, 1717
1798 marschieren die Franzosen in der Innerschweiz ein, hier der Kampf um Stans. Französische Truppen quartieren sich während sechs Wochen im Kloster Frauenthal ein.
Im Sonderbundskrieg von 1847 findet ein wichtiger Kampf in Gisikon (LU) unweit des Klosters Frauenthal statt. Nach der Niederlage des Sonderbundes wird das Kloster von den eidgenössischen Truppen durchsucht.

Ab Mitte des 17. Jahrhundert werden die Zeiten unruhig. Die Villmergerkriege, eine Auseinandersetzung zwischen den reformierten und den katholischen eidgenössischen Orten, der Einmarsch der Franzosen 1798 und damit verbunden das Ende der Alten Eidgenossenschaft, der Aargauer Klosterstreit und der Sonderbundskrieg betreffen das Kloster Frauenthal, das nahe der Grenze zu Zürich und Aargau liegt, ganz direkt. Die Klosterfrauen suchen zweimal in der Stadt Zug Schutz, das Kloster muss mehrmals Soldaten beherbergen und verpflegen.


Chronologie

1656 Während des Ersten Villmergerkriegs schädigen Zürcher Truppen das Kloster beträchtlich. Sie rauben Vieh und stecken Gebäude in Brand (in Hatwil brennen Haus und Scheune nieder, in Islikon eine Scheune). [1] Der Schaden beträgt mehr als 4000 Gulden. Das Klostergebäude bleibt unversehrt. Aus Dank halten die Schwestern seither jedes Jahr einen Gedenkgottesdienst ab.[2]

1674 Die im 17. Jahrhundert wegen des Bauernkrieges von 1653 und des Ersten Villmergerkriegs unruhige Lage, bewegt Frauenthal dazu, das Burgrecht mit der Stadt Zug zu erneuern. [3]

1678 Das Kloster schafft eine Schule für junge Frauen. Sie soll religiöse Bildung, geistige Kenntnisse und Fertigkeiten in der Hausarbeit vermitteln. Die Schule steht auch Mädchen benachbarter und befreundeter Familien offen. [4]

1689–1698 In den ersten Jahren der Amtszeit von Äbtissin Maria Verena Mattmann (1650–1726) wird im Kloster viel gebaut: Sie lässt 1689 das Beichtigerhaus auf der Klosterinsel fertigstellen und von 1696 bis 1698 wird der ganze Ost- und der Südflügel der Klosteranlage unter der Leitung des Vorarlberger Baumeisters Johannes Moosbrugger (1659–1710) neu aufgebaut. [5]

1708 Im Vorfeld des Zweiten Villmergerkriegs ereignet sich im Frauenthal scheinbar ein «Blutwunder». Es war vom Beichtiger des Klosters, Marianus Bucher (1656–1720), und einer jungen, nicht zur Klostergemeinschaft gehörenden Frau inszeniert worden.

1712 Als der Zweite Villmergerkrieg ausbricht, findet ein grosser Teil der Nonnen samt ihrer «vornehmsten Habe» im oberen Zurlaubenhof in der Stadt Zug eine Zuflucht. Die Äbtissin bleibt mit wenigen Schwestern im Frauenthal zurück. Im Kloster werden katholische Truppen einquartiert: 50 Zuger, 600 Walliser, später 400 Urner. Die Soldaten müssen gegen ein geringes Entgelt verköstigt werden. Nach der Niederlage der Katholiken in Villmergen AG besetzen die Zürcher das Kloster für drei Wochen. Das Wasch- und das Holzhaus werden zerstört, die Lehenshöfe Hatwil und Islikon werden niedergebrannt, fast alle Lebensmittel und viele Tiere werden beschlagnahmt. [6]

1731–1734 Unter Äbtissin Mattmann und ihrer Nachfolgerin Maria Elisabeth Brandenberg (1681–1742) erlebt das Kloster nun ruhigere und wirtschaftlich bessere Zeiten. Ab 1731 wird die Klosterkirche umgebaut. Das Projekt von Baumeister Jost Bernhard Lips aus Beromünster LU «ist die durchgreifendste Änderung seit dem Mittelalter». Die Klosterkirche erhält die heute noch weit gehend erhaltene äussere Gestalt. [7]

1798 Während des Einmarschs der französischen Truppen in der Schweiz ziehen sich die Schwestern ins Kloster Maria Opferung in Zug zurück. Dort bleiben sie sieben Wochen. Sechs Frauen verharren im Kloster. Die ersten im Frauenthal eintreffenden Franzosen können durch Geldgaben beschwichtigt werden. Das Kloster muss dann 52 Offiziere und mehr als 150 französische Soldaten verpflegen. Mit «grosszügiger Gastfreundschaft» sollen die Soldaten von Zerstörungen abgehalten werden. Kirche und Konventsgebäude bleiben unversehrt. [8]

Das Ende der Alten Eidgenossenschaft und der Einmarsch der Franzosen schaffen eine neue Rechtslage. Die Privilegien der geistlichen Körperschaften werden abgeschafft. Die Verwaltungskammer des neuen Kantons Waldstätten erklärt das Vermögen der Klöster am 16. Mai zu Staatseigentum. Frauenthal verliert den einst weitläufigen Grundbesitz in den Kantonen Aargau und Zürich. Es gelingt dem Kloster einige seiner Güter auf zugerischem Gebiet zurückzukaufen. [9]

1800 Die Verwaltungskammer des Kantons Waldstätten publiziert einen Beschluss, wonach ein Hof in Maschwanden ZH, der dem Kloster Frauenthal gehört, an den Meistbietenden versteigert wird. [10]

1804 Gemäss einer Bestimmung in der Mediationsakte stellt die Tagsatzung die Klöster am 27. August unter die Aufsicht der Kantone. Die Klöster müssen der Besitzerschaft zurückgegeben werden. Zug stellt das klösterliche Vermögen unter die Aufsicht der kantonalen Verwaltungskammer (bis 1862). [11]

1841 Der Grosse Rat des Kantons Aargau beschliesst am 13. Januar alle aargauischen Klöster aufzuheben. Die Gebäude müssen innert 48 Stunden verlassen werden. Nonnen und Mönche aus Muri, Gnadental und Wettingen suchen vorübergehend Schutz in Frauenthal. Der Abt von Wettingen, Leopold Höchle (1791–1864), lebt kurze Zeit im Kloster. [12]

1847 Als der Sonderbundskrieg ausbricht, muss Frauenthal die Truppen des Sonderbunds versorgen. Da das Kloster nahe der zürcherischen Grenze liegt und weil die eidgenössischen Truppen in Knonau ZH und Maschwanden ZH Manöver abhalten, fürchtet man einen Angriff aus dieser Richtung. Als Zug am 21. November kapituliert, dringen die eidgenössischen Truppen Richtung Frauenthal vor. Sie durchsuchen das ganze Kloster nach Soldaten des Sonderbunds und nach Munition. Anschliessend werden drei Monate lang Soldaten der eidgenössischen Truppen im Kloster einquartiert. [13]

1849 Das Kloster gerät wegen einer Steuergeschichte in die Schlagzeilen. Es hatte im letzten Oktober 5921 Mass Wein aus dem Kanton Aargau in den Kanton Zug eingeführt und die gesetzlich vorgeschriebene Konsumationsgebühr nicht geleistet. Weil das Kloster sich weigert, die Gebühr von 100 Franken 42 Rappen zu bezahlen, beschliesst der Regierungsrat im März 1849, dass die Abtei eine Busse von 5021 Franken in bar zu entrichten habe. [14]


Zwei Gemälde erinnern an die Zerstörungen im 2. Villmergerkrieg 1712

Pieta, im 2. Villmergerkrieg beschädigt Epitaphartiges Gemälde

Zum Bild links: Pieta, Maria vor dem Kreuzesstamm sitzend, den toten Sohn in den Händen. Über die Gesichter ziehen sich rot ausgefüllte, reparierte Schnitte, herrührend von den Verstümmelungen der Zürcher Truppen im 2. Villmergerkrieg. [15]

Transkription der Inschrift: «Betracht O Christenmensch was der bildtnus Jesus und Maria / geschähen ist in dem 1712 Jahr da niemand mer im Closter war alß die zürcher soldaten / es hats gethon ein gottloße hand dem ist es ein ewige spott und schand wan er / sich nit bekerth und Gott ihm nit verschonen thuott so seitz er in der hellen / gluod ist es nun dan ietz der danckh O du Gottloßer mensch Gott hat dich erschaffen und auch erlöst und du O sünder hast ihn allso getödt. O Maria in der noth hilff mir in meinem Todt O Maria / erlaube mir ein bitt der weirst du mir abschlagen nit wan ich in / Lesten zügen lig meine seel befile ich dir O Maria in der zeit ste / mir bey in meinem streitt O Maria wer dich auf der welt nit / ehren thuott der hat nichts zuo erwarten als die hellen / gluod O Maria bitt für uns dein lieber Sohn das er uns / in unßerem Totts angst ver schone gibe uns dein Müötter / lichen sägen also haben mir alle mit einaderen zu er / warten das Ewige leben das gäb uns gott. Liebes Kind hab / guotten muoth ich las dich nit verderben dein han / del wird ietz gar vortrefflig guot wan du darnach / wirst leben, hat dich mein Liebes Kind erlöst / so sey du auch mit mir getröst mit Jesu. / Renoviert A[nn]o 1734» [16]

Zum Bild rechts: Epitaphartiges Gemälde als Rahmung für den Rest eines im 2. Villmergerkrieg von der Zürchern zerstörten Bildes der Vera Icon [17], wohl 1734 [18]

Transkription der Inschrift: «Neuwer / ECCE HOMO! / Nit von PILATO also, sonder vo[n] einem der Göttlichen/MAIESTET verletzlichen Mentschen, in diser FIGUR /vor-gestelt

O Mentsch! Ersetz die grosse schmach /Die der Bildnus IESU gsach / Zue Frauwenthall im Zugerland / Von einer Gottlossen Zürcher Hand, / O! Grosser spoth / Ja gröste schand / Die wider glitten der Welt Heiland, / Geschehen in dem 1712 Jahr / Da Niemand mehr im Kloster wahr.

Ita testor ego P. Ludowicus zur Laube[n] de Thur[n]/Gestellenburg, Not[arius] Apost[olicus], et eo temp. Comes.» [19]


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→ zurück in der Geschichte des Klosters Frauenthal: Der Vertrag von Jonen (Anfang bis Mitte 17. Jahrhundert)


Einzelnachweise

  1. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.3.1910, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1650–1660, fol. 138r (22.12.1656), A 39.26.3.1971, fol. 144r (23.02.1657)
  2. Gruber, Eugen, Geschichte von Frauenthal, Zug 1966, S. 170
  3. Gruber, Eugen / Sommer-Ramer, Cécile, Frauenthal, in: Helvetia Sacra, Abteilung III, Bd. 3, Zweiter Teil, Bern 1982, S. 713
  4. Vgl. Anmerkung 2 (Gruber), S. 198
  5. Grünenfelder, Josef, Die Kunstdenkmäler des Kantons Zug, Neue Ausgabe, Bd. 2, Die ehemaligen Vogteien der Stadt Zug, Bern 2006, S. 182, 188f.
  6. Vgl. Anmerkung 2 (Gruber), S. 171f.
  7. Vgl. Anmerkung 5 (Grünenfelder), S. 193f.
  8. Vgl. Anmerkung 2 (Gruber), S. 173
  9. Vgl. Anmerkung 4 (Gruber / Sommer), S. 713
  10. Neue Zürcher Zeitung, 19.09.1800
  11. Vgl. Anmerkung 2 (Gruber), S. 177f., 181
  12. Vgl. Anmerkung 2 (Gruber), S. 182–184
  13. Vgl. Anmerkung 2 (Gruber), S. 182
  14. Zugerisches Kantonsblatt, 10.03.1849
  15. Vgl. Anmerkung 5 (Grünenfelder), S. 217
  16. Transkription von Philippe Bart, Baar, 27.05.2022
  17. Die Vera Icon (von lateinisch vera (= wahr) und griechisch εικόνα, ikóna (= Bild), also wahres Bild) bezeichnet in der Bildtheologie der östlichen Orthodoxie ein Kultbild oder eine spezielle Ikone, die der Überlieferung nach nicht von Menschen geschaffen, sondern von Gott geschenkt wurde. Solchen Objekten werden üblicherweise heilende Kräfte zugeordnet
  18. Vgl. Anmerkung 5 (Grünenfelder), S. 220
  19. Transkription von Philippe Bart, Baar, 27.05.2022