Hammer 2, Hammerschmiede, Turbinenhaus

Aus Chamapedia

Der «Hammer» im 19. Jahrhundert: Von links: das «Chalet», das Mühlehaus mit Wasserrad, dahinter das Waschhäuschen und der «alte Hammer», ganz rechts das «Magazin»
Inserat von 1826
Der «Hammer» um 1900: Rund um die alte Hammer-Villa (ganz rechts) ist ein grosser Park angelegt. Im Riegelbau in der Mitte ist die eigentliche Schmiede untergebracht
Der Oberwasserkanal der Lorze vor dem Turbinenhäuschen, rechts das Magazingebäude
1931 brennt das Mühlehaus ab. Die Brandursache bleibt ungeklärt, das Mühlehaus wird im alten Stil wieder aufgebaut
Mühlehaus, Turbinenhaus und Magazin
Als Andrea von Planta das Mühlehaus im Oktober 1988 unterkellern lässt, bricht die Mauer gegen die Lorze ein. Das Gebäude droht einzustürzen
Seit über 300 Jahren liefert die Lorze die Energie im «Hammer», heute treibt sie eine Turbine im kleinen Gebäude zwischen Mühlehaus (links) und «Magazin» an
Brücke über die Lorze vor dem Wasserkraftwerk, 01.06.2018

Ab 1690 betreiben Kaufleute und Handwerker direkt an der Lorze die Hammerschmiede. Im 19. Jahrhundert wird sie stillgelegt und zu einem Kraftwerk umgebaut. Das Gebäude ist ein wichtiger Teil des Ensembles Hammer.


Protoindustrielle Anlagen an der Chamer Lorze

1635/1636 Ein Konsortium um Junker Daniel Zollikofer und weitere reformierte Kaufleute aus St. Gallen erhalten vom Rat und der Bürgerversammlung der Stadt Zug die Bewilligung, in Cham an der Lorze eine Sensenhammerschmiede zu betreiben. Die Sensenhammerschmiede befindet sich allerdings nicht im heutigen «Hammer»-Gebiet, sondern etwa 800 Meter flussaufwärts und oberhalb der Obermühle, etwas unterhalb der damaligen Brücke über die Lorze am rechten Flussufer, schräg vis-à-vis des Gasthauses Bären (etwa beim heutigen Lorzenhof). [1] Warum die St. Galler sich Cham als Standort aussuchen, ist nicht unklar. «Vielleicht ist es der Innerschweizer Bergbau, der zu dieser Zeit in Uri und Obwalden eine kurze Blüte erlebt: Aufgrund der beschwerlichen Transportwege macht es Sinn, seine Produktionsstätte so nah am Rohmaterial wie möglich zu betreiben.» [2] Die Betreiber halten sich aber nicht an die in der Konzessionsurkunde festgelegten Artikel, etwa die an die Stauhöhe in der Lorze von zwei Schuh (60 Zentimeter). Die Zuger Bürgerversammlung entzieht am 10. August daher die Betriebsbewilligung wieder. Die Schmiede wird stillgelegt. [3]

1657 Ruprecht und Kaspar Wyss, Zuger Handwerker, bauen an der Lorze eine Nagelschmiede, ohne den Zuger Stadtrat um Erlaubnis zu fragen. Der Stadtrat will aber an diesem Standort eine Papiermühle bauen, so dass die Wyss mit ihrer Nagelschmiede weiter lorzenabwärts in Richtung Lindencham ausweichen müssen. Im gleichen Jahr entstehen also die Nagelschmiede und die Papiermühle (aus der sich später die Papierfabrik entwickelt). [4]


Chronologie

1690 Unmittelbar neben der seit 1657 bestehenden Nagelschmiede entsteht am heutigen Standort «Hammer» eine weitere protoindustrielle Anlage: Karl Josef Müller, Arzt aus Zug, erhält vom Zuger Stadtrat die Konzession für den Bau und den Betrieb einer Hammerschmiede. [5] Hier werden primär Kupferbleche produziert, deshalb erhält der Betrieb auch die Namen «Strecki» oder «Chupferstrecki». [6] Das Geschäft ist kein einfaches. Das zeigt sich darin, dass die Besitzer nach kurzer Zeit wechseln. Das Schmiedehandwerk ist material- und kapitalintensiv, so dass die Reserven jeweils rasch aufgebraucht sind.

1730 Hauptmann Johann Utiger zeichnet als Besitzer der «Chupferstrecki» in Cham verantwortlich. 1766 nimmt er bei der Stadt einen Hypothek von 2000 Gulden auf den Hammer auf, der bereits mit 3400 Gulden hoch verschuldet ist. [7]

1778 Jetzt kauft Silvan Schwerzmann den «Hammer», allerdings nicht für sich, sondern als Strohmann für Luzerner Kaufleute, die als Auswärtige nicht kaufberechtigt sind. Es kommt deswegen zum Streit. [8]

1792 Der «Hammer» geht an Hans Jakob Villiger. Er ist der letzte Schmied, der den Betrieb auch besitzt. [9]

1813 Villiger verkauft den «Hammer» (Ass.-Nr. 114a) an ein Konsortium, bestehend aus dem Zuger Melchior Schwerzmann und den Chamer Ratsherren Michael Stutz (1765–1839) und Joseph Bär (1769–1829). [10] Letzterer ist auch Besitzer der flussaufwärts gelegenen Papiermühle.

1820 Stutz und Bär reichen den «Hammer» am 30. Juni weiter an den Zuger Stadtschreiber Johann Georg Bossard (1796–1850). [11]

1821 Nur eineinhalb Jahre später geht der Betrieb wieder an Josef Bär [12], der ihn an den Heinrich Häberli aus Knonau ZH verpachtet. [13]

1822 Schliesslich kauft Häberlis Schwiegervater Alois Bernauer, ein Katholik, von Gippingen AG bei Koblenz den Hammer. [14] Im Kaufvertrag enthalten war die Auflage, «dass diese Hammerschmitte niemals in die Hände Reformierter als Erb zufallen sollte.» [15]

1825 Doch drei Jahre später ist die Hammerschmiede in reformierten Händen. [16] Alois Bernauer ist in finanziellen Schwierigkeiten und sucht Käufer für die Hammerschmiede. Weil er beim Zürcher Eisenhändler Johann Jakob Vogel (1783–1841) viele Schulden hat, kommt dieser als Käufer zu allererst in Frage. Aber Vogel ist reformiert. Der bereits ausgehandelte Kaufvertrag wird vom Chamer Gemeinderat nicht ratifiziert. Vogel gibt Bernauer nochmals einen Kredit von 5000 Gulden und ist ein grosser Gläubiger. Auf diese Weise kann er trotz Störmanövern des Gemeinderats und des Chamer Pfarrers Josef Martin Spillmann (1748–1827) die Hammerschmiede übernehmen. [17]

Am 11. November wird Heinrich Ulrich, zum schwarzen Horn, Zürich, Eigentümer der Hammerschmiede in Cham. [18]

1827 Neben der Schmiede gehören auch ein Wohnhaus (Ass.-Nr. 114b), ein Waschhaus und einige Ökonomiegebäude zur Anlage. [19]

1831 Per Inserat wird ein Pächter für die Landwirtschaft des Hammergutes gesucht. Unterzeichnet ist es mit: Vogel beim schwarzen Horn. [20]

1848 Das Hammerwerk in Cham sucht Kohlenlieferanten für insgesamt 600 Zuber. Unterzeichnet ist das Inserat von Heinrich Ulrich. [21]

1853 Heinrich Ulrich gibt eine Erklärung ab, dass er wegen der Sonn- und Feiertagsgesetzte keine Klage bei der Polizeidirektion erhoben habe. Er erinnert sich, «gesprächsweise dem Hrn. Polizeidirektor gesagt zu haben, daß wenn fortan die Sonn- und Feiertagsgesetze so strenge gehandhabt würden, es weiser wäre, zu verordnen, daß alle Kaufladen an diesen Tagen sollen geschlossen bleiben, indem die bestehende Ordnung nur zu oft Veranlassung zur Uebertretung des Gesetzes gebe.» [22]

1861 Johann Jakob Vogels Sohn Heinrich Vogel-Saluzzi (1822–1893) kauft die benachbarte Papierfabrik. Daraufhin schliesst er die Hammerschmiede, weil mit dem Gebäude anderes vorhat. Die Hammerschmiede-Werkstatt wird zum Ergänzungsbetrieb der «Papieri», in dem Vogel dort die Holzschleiferei, die Schlosserei und eine Werkstatt platziert. [23]

1894 Die nächste Generation mit Carl Vogel-von Meiss (1850–1911) baut in die einstige Hammerschmiede und in das Mühlehaus ein Kraftwerk ein, mit Turbine und Dynamo. Damit kann Vogel elektrisches Licht in der Villa Hammer, aber auch in der nahen Papierfabrik installieren. In der Papieri erleuchten fortan «29 elektrische Flammen» die Fabrikationsräume anstelle der russigen Petroleumlampen. [24]

1925 Das Kraftwerk im Mühlengebäude bekommt eine Auffrischung: Eine neuzeitliche Francis-Turbine wird eingebaut und liefert mehr Strom. [25]

1931 Das älteste Gebäude des Ensembles, das Mühlehaus, fällt einem Brand zum Opfer und wird neu errichtet. [26]

1956 Das Kraftwerk im Mühlengebäude wird modernisiert, indem die Francis-Turbine durch eine Kaplan-Turbine der Maschinenfabrik Bell aus Kriens LU, gebaut 1939 für das Kraftwerk in Windisch AG, ersetzt wird. [27]

1984–1991 Die neuen Besitzer Andrea (*1932) und Margrit von Planta (1934–2022) bauen die Liegenschaften um, unter anderem auch das Mühlengebäude. Das Mühlehaus von 1931 wird ausgekernt und praktisch neu aufgebaut. [28]

2015 Der neue Hammer-Besitzer Ariel Lüdi (*1959) will das Kleinwasserkraftwerk im Mühlebau renovieren. Denn nach einem Schaden steht die Turbine seit Jahren still. Er installiert eine neue Turbine für 650'000 Franken. Doch starten darf er diese trotz behördlicher Bewilligung nicht. Denn der WWF reicht eine Einsprache ein. Dabei geht es nicht um das konkrete Bauprojekt, sondern um die «ehaften Wasserrechte», die an Lüdi durch den Kauf übergegangen sind. Der Kanton habe es verpasst, die «ewigen Wasserrechte» durch Konzessionen zu ersetzen. [29]

2018 Aufgrund der Schweizer Energiestrategie 2050 bekommen Kleinwasserkraftwerke mit einer Leistung unter 1000 Kilowatt keine Unterstützung mehr. Das Kraftwerk im «Hammer» ist davon auch betroffen. [30]

2024 Das Turbinenhaus und das Wasserkraftwerk in der Lorze geniessen den Status «schützenswert» und sind im Inventar der Gemeinde Cham verzeichnet. [31]


Das Turbinenhaus mit der Kaplan-Turbine


Würdigung

Das Doppelgebäude Schmiede- und Turbinenhaus der Hammer-Liegenschaft ist zwar nicht mehr im Originalzustand. Dennoch hat es «als einer der ersten Industriebetriebe Chams (…) besondere wirtschaftshistorische Bedeutung.» [32]


Historische Karten

Vogteienkarte 1770/1773

1503210 Hanmer Übersicht 1770-71.jpg

Ausschnitt aus der Vogteienkarte von Franz Fidel Landtwing (1714–1782) und Jakob Joseph Clausner (1744–1797) von 1770/73 mit dem Lorzenlauf vom Ausfluss aus dem Zugersee bis zum heutigen Hammer. Eingezeichnet sind in der Reihenfolge der Entstehung die mit Wasserkraft betriebenen Anlagen: 1) Obermühle (mittelalterlich); 2) Sensenhammerschmiede, 1635/1636; 3) Nagelschmiede, 1657; 4) Papiermühle, 1657; 5) Kupferschmiede im Hammer, 1690. Die Zuger Kartografen bezeichnen den heutigen Hammer als «sträckÿ» [33]


Aktueller Kartenausschnitt

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Einzelnachweise

  1. Hoppe, Peter, Die St. Galler Sensenhammerschmiede von 1635/36 in Cham und die zweite Absenkung des Zugersees. Ein bisher unbekanntes Stück Zuger Wirtschafts- und Wasserbaugeschichte mit konfessionellen Zwischentönen, in: Tugium 29, 2013, S. 71–74
  2. Zurfluh, Christoph, Hammer. Von der «Chupferstrecki» bis zur «Ära Lüdi» 2014, Cham 2014, S. 38
  3. Vgl. Anmerkung 1 (Hoppe), S. 76
  4. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.3.1939, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1650–1660, fol. 140v (03.02.1657); A 39.26.3.2042, fol. 150v (02.06.1657); A 39.26.3.2092, fol. 155r (18.08.1657). Vgl. Anmerkung 1 (Hoppe), S. 89. Dittli, Beat, Zuger Ortsnamen. Lexikon der Siedlungs-, Flur- und Gewässernamen im Kanton Zug. Lokalisierung, Deutung, Geschichten, Zug 2007, Bd. 3, S. 379f.
  5. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.8.514, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1689–1691, fol. 64v (26.08.1690); A 39.26.8.520, fol. 65v (02.09.1690–15.07.1820); Dieser Nachtrag erfolgt gemäss Ratsbeschluss vom 15.07.1820
  6. Vgl. Anmerkung 1 (Hoppe), S. 89. Vgl. Anmerkung 4 (Dittli), Bd. 1, S. 486–488; Bd. 2, S. 374f.; Bd. 4, S. 428f.
  7. Vgl. Anmerkung 2 (Zurfluh), S. 46
  8. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.33.1956, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1773–1779, S. 289 (14.08.1778); A 39.26.33.2026, S. 299 (07.11.1778); A 39.26.33.2041, S. 303 (20.11.1778)
  9. Vgl. Anmerkung 2 (Zurfluh), S. 46
  10. Staatsarchiv Zug, G 617.6.1, Assekuranzregister Cham, 1. Generation (1813–1868)
  11. Staatsarchiv Zug, G 617.6.1, Assekuranzregister Cham, 1. Generation (1813–1868)
  12. Staatsarchiv Zug, G 617.6.1, Assekuranzregister Cham, 1. Generation (1813–1868)
  13. Dürst, Elisabeth R., Johann Jakob Vogel (1783–1841). Probleme eines Zürcher Eisenhändlers in Cham, in: Der Kanton Zug zwischen 1798 und 1850, Bd. 1., 23 Lebensgeschichten. Alltag und Politik in einer bewegten Zeit, Zug 1998, S. 124
  14. Staatsarchiv Zug, G 617.6.1, Assekuranzregister Cham, 1. Generation (1813–1868)
  15. Vgl. Anmerkung 13 (Dürst), S. 124
  16. Staatsarchiv Zug, G 617.6.1, Assekuranzregister Cham, 1. Generation (1813–1868)
  17. Vgl. Anmerkung 2 (Zurfluh), S. 58f. Vgl. Anmerkung 13 (Dürst), S. 124f.
  18. Neue Zürcher Zeitung, 22.02.1826
  19. Staatsarchiv Zug, G 617.6.1, Assekuranzregister Cham, 1. Generation (1813–1868)
  20. Zürcherisches Wochenblatt, 18.08.1831
  21. Nidwaldner-Wochenblatt, 05.02.1848
  22. Neue Zuger Zeitung, 22.01.1853
  23. Vgl. Anmerkung 2 (Zurfluh), S. 85
  24. Vgl. Anmerkung 2 (Zurfluh), S. 80
  25. Vgl. Anmerkung 2 (Zurfluh), S. 80
  26. Vgl. Anmerkung 2 (Zurfluh), S. 160
  27. Vgl. Anmerkung 2 (Zurfluh), S. 80
  28. Vgl. Anmerkung 2 (Zurfluh), S. 138–159
  29. Zuger Zeitung, 16.04.2018
  30. Zuger Zeitung, 16.04.2018
  31. Amt für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Zug, Inventar der schützenswerten Denkmäler der Gemeinde Cham, Grundstücknummern 408, 1782 und 1795 [Stand: 11.04.2024]
  32. Amt für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Zug, Datenblatt zur Bestandesaufnahme historischer Bauten im Kanton Zug [Stand: 20.08.2019]
  33. Vgl. Anmerkung 1 (Hoppe), S. 75