Untermühle

Aus Chamapedia

Das Stauwehr bei der Untermühle für das Kraftwerk der Papierfabrik wird erstellt, 1897
Idyllische Arbeitswelt in der Untermühle, undatiert (um 1900)
Die Untermühle mit dem Kraftwerk, undatiert (um 1920)
Untermühle mit Kraftwerk, undatiert (1970er Jahre)
Ende 1981 ändert die Linienführung der Untermühlestrasse, als nördlich der Strasse eine neue Brücke über die Lorze gebaut wurde. Der Verkehr führt nicht mehr südlich der Liegenschaft Untermühlestrasse 34 vorbei, sondern in einer Kurve nördlich des Hauses mit der Möglichkeit, zur Abwasserreinigungsanlage Schönau abzuzweigen, 28.12.1981
Friesencham, Untermühle, in Richtung Südosten, 09.02.2022
Untermühlestrasse mit Brücke, 09.02.2022
Untermühle, in Richtung Osten, 09.02.2022

Die Untermühle im Lorzental, im Spätmittelalter einfach «Müli» genannt, zwischen Lindencham und Friesencham ist eine der ältesten Mühlen im Ennetsee. Schon 1309 wird sie urkundlich erwähnt. Bis 1898 war die Untermühle als Mühle in Betrieb. Seither liefert das Kraftwerk in der Untermühle Elektrizität.


Chronologie

1309 Die Untermühle zwischen Lindencham und Friesencham wird erstmals urkundlich erwähnt. Sie gilt als eines der Stammgüter der niederadligen Herren von Hünenberg, in dieser Zeit auf der Burg St. Andreas sitzen. [1]

1370 Gemäss einer Urkunde von Ritter Gottfried IV. von Hünenberg (gest. 1387) gehört die Mühle gehört seiner Tochter Anna von Büttikon: «min [= Gottfrieds von Hünenbergs] recht an dem wazzer, genant die Lorentz, als si us dem sewe runnet untz an dero von Frowental vach, doch die muli ze Nidren Kame, die miner tochter ist, unschedlich.» [2]

1412 Anna von Büttikon, «geborn von Hunenberg», die Ehefrau von Heinrich von Büttikon, verkauft u.a. die Rechte an der «mulÿ ze Nidren Kam» (Nidercham)" an die Propstei des Grossmünsters in Zürich. [3]

vor 1487 Die Propstei Zürich verkauft die Untermühle an Nikolaus Steiner. Steiner wird «Müller» genannt. [4]

1524 Hans Steiner, der Sohn des Nikolaus, Zuger Bürger, wird als Müller von Niedercham erwähnt. [5]

1528 Hans Steiner (vor 1504–1544) zieht in den Kanton Zürich, erwirbt Junkersitze des heruntergekommenen Adels und wird Stammvater der Steiner von Winterthur. Die Untermühle geht mitsamt der Fischenzen an Jakob Räber von Niedercham. [6]

1632 Der Eigentümer ist Matthias Suter. [7]

1638 Der neue Betreiber der Untermühle Cham ist Hans Villiger. Nach ihm wirken noch mehrere Generationen seiner Familie. [8]

1737 Die Mühle ist im Besitz von Johann Heinrich Hausheer (gest. 1737), Müller und Stifter der Heiligkreuzkapelle in Lindencham. [9]

1741 Jakob Waller, Müller der Obermühle Cham, erwirbt bei einer öffentlichen Versteigerung die Untermühle Cham: «Kaufft auff offener gandt hanß jakob waller, müller auff der oberen mülle zu chaam, deß underen müllerß hanß heinrich haußheeren hauß, mülle und gantzen hoff ...» [10]

1758 Müller Kaspar Waller verkauft die Mühle seinem Schwager, Heinrich Bütler im Städtli. [11]

1813 Als Besitzer der Untermühle (Ass.-Nr. 106a) ist Müller Jost Stierli eingetragen. Zur Liegenschaft gehören neben der Mühle und dem Wohnhaus eine Scheune (Ass.-Nr. 106b), ein Speicher mit Keller (Ass.-Nr. 106c), eine Backstube und ein Waschhaus (Ass.-Nr. 106d), eine Wergreibe sowie eine Stampfe und Säge (Ass.-Nr. 106e), eine Trotte mit einem Holzschopf (Ass.-Nr. 106f) sowie einige Schweineställe der «Käshütten-Gesellschaft Lindencham und Friesencham» (Ass.-Nrn. 106g und 106h). [12]

1814 Nach einem Kauf erscheinen nun mit Leonz, Nikolaus, Josef und Jost vier Brüder Stierli als Mühlenbesitzer. [13]

1840 Ein Auswärtiger übernimmt die Mühle: Es ist Johann Utiger von Baar. [14]

1852 Nach einem Konkurs übernehmen Ratsherr und die Gebrüder Villiger sowie Leonz Bernhard Widmer. [15]

1858 Wiederum nach einem Konkurs erhält Heinrich Villiger die Untermüli. [16]

1863 Jetzt sind es die Gebrüder Heinrich (1830–1883) und Fidel Villiger, die die Untermühle besitzen. [17]

1877 Am 30. Dezember zerstört ein Brand die Scheune von Alt Kantonsrat Heinrich Villiger von der Untermühle. Das Vieh und das meiste Inventar können gerettet werden. Die kantonale Brandassekuranz zahlt die Versicherungssumme von 7000 Franken. [18]

1880 Nach dem Konkurs von Heinrich Villiger geht die Liegenschaft an die Creditanstalt in Zug-Luzern über. [19]

1885 Wieder erscheint eine Bank aus neue Besitzerin. Es ist die Sparkassa Zug. [20]

1887 Der Besitzer der Papierfabrik Cham, Carl Vogel-von Meiss (1850–1911), kauft für 153'000 Franken die Untermühle. [21] Ihm geht es damals um die übertragbare Wasserkraft sowie um die Wohnungen für die Arbeiterschaft. Die Leitung der Untermühle übernimmt der Zuger Johann Michael Stadlin (1845–1909), zusammen mit seinem Freund Fritz Wyss. Sieben Arbeiter finden in der Untermühle eine Beschäftigung.

1888 Bereits ein Jahr nach dem Kauf stellt die Papierfabrik Cham beim Regierungsrat des Kantons Zug das Gesuch, eine neue «Wasserwerkanlage» zu erstellen. [22]

1898 Der Mühlenbetrieb in Cham schliesst, denn die verkehrstechnisch besser gelegene Untermühle Zug entsteht, die Johann Michael Stadlin mitgegründet hat (Stadlin & Wyss, Untermühle Zug). Die Untermühle Cham ist nur noch ein Wasserkraftwerk im Dienst der Papierfabrik Cham, das übertragbare Elektrizität produziert. [23]

1912 Die Liegenschaft geht in den Besitz der Papierfabrik Cham über. Es werden Arbeiterwohnungen eingebaut. [24]

2023 Das Mehrfamilienhaus ist im Inventar der schützenswerten Denkmäler der Gemeinde Cham aufgeführt. [25]


Eine Affäre

Heinrich Villiger, Müller der Untermühle, geht konkurs. Gegen ihn wird ein Strafverfahren wegen «Fallimentsbetruges» im Betrag von rund 37'000 Franken eingeleitet. [26] Als er 1880 im Spital liegt, entweicht er am 12. Oktober 1880 heimlich, was für «nicht geringes Aufsehen erregt». Villiger wird darauf steckbrieflich gesucht. [27] Am 20. April 1881 wird Villiger «in contumaciam» (in Abwesenheit) zu einer Zuchthausstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt. [28]


Würdigung

«Als einer der ersten Betriebe in Cham nutzte die ehem. Untermühle die Wasserkraft der Lorze fast 600 Jahre lang. Nach der Betriebseinstellung 1898 liess der Papierfabrikbesitzer Carl Vogel-von Meiss das Gebäude zu einem Arbeiterwohnhaus umbauen. In der Papierfabrik kümmerten sich die Patrons aus der Familie Vogel äusserst fürsorglich um das Wohl der Arbeiter, wozu auch die Erstellung von Wohnungen gehörte. Man sprach lange von der „Papieri-Familie“. Die umgebaute Mühle mit ihrem herrschaftlichen Gepräge verdeutlicht die Wertschätzung des Fabrikherrn für seine Arbeiterschaft. Ihr kommt hohe wirtschafts-, sozial- und architekturhistorische Bedeutung zu. Zum Ensemble gehören das Kraftwerkgebäude von 1897 und die Wasserkraftanlagen.» [29]


Aktueller Kartenausschnitt

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Einzelnachweise

  1. Dittli, Beat, Zuger Ortsnamen. Lexikon der Siedlungs-, Flur- und Gewässernamen im Kanton Zug. Lokalisierung, Deutung, Geschichten, Zug 2007, Bd. 3, S. 344f. (Belege für Müli); Bd. 5, S. 109 (Belege für Untermüli). Wolf, Otto et al., Geschichte von Cham, Band 1, Cham 1958, S. 176. Grünenfelder, Josef, Die Kunstdenkmäler des Kantons Zug, Neue Ausgabe, Bd. 2, Die ehemaligen Vogteien der Stadt Zug, Bern 2006, S. 272f.
  2. Urkundenbuch von Stadt und Amt Zug vom Eintritt in den Bund bis zum Ausgang des Mittelalters 1352–1528, 2 Bde., Zug 1952–1964. UBZG I, Nr. 110, S. 53–55
  3. Urkundenbuch von Stadt und Amt Zug vom Eintritt in den Bund bis zum Ausgang des Mittelalters 1352–1528, 2 Bde., Zug 1952–1964. UBZG I, Nr. 496, S. 229f.
  4. Urkundenbuch von Stadt und Amt Zug vom Eintritt in den Bund bis zum Ausgang des Mittelalters 1352–1528, 2 Bde., Zug 1952–1964. UBZG I, Nr. 1445, S. 738, Anm. 2. Iten, Albert et al., Die Mühlen im Kanton Zug, in: Zuger Neujahrsblatt 1961, S. 29–61, hier: S. 39
  5. Urkundenbuch von Stadt und Amt Zug vom Eintritt in den Bund bis zum Ausgang des Mittelalters 1352–1528, 2 Bde., Zug 1952–1964. UBZG II, Nr. 2281, S. 1089
  6. Urkundenbuch von Stadt und Amt Zug vom Eintritt in den Bund bis zum Ausgang des Mittelalters 1352–1528, 2 Bde., Zug 1952–1964. UBZG II, Nr. 2386, S. 1143
  7. Staatsarchiv Zug, Hypothekenbücher, Bd. 21, fol. 72r
  8. Vgl. Anmerkung 4 (Iten et al.), S. 39
  9. Vgl. Anmerkung 1 (Grünenfelder), S. 272
  10. Staatsarchiv Zug, Hypothekenbücher, Bd. 36, S. 683
  11. Staatsarchiv Zug, Hypothekenbücher, Bd. 24, fol. 83r
  12. Staatsarchiv Zug, G 617.6.1, Assekuranzregister Cham, 1. Generation (1813–1868)
  13. Staatsarchiv Zug, G 617.6.1, Assekuranzregister Cham, 1. Generation (1813–1868)
  14. Staatsarchiv Zug, G 617.6.1, Assekuranzregister Cham, 1. Generation (1813–1868)
  15. Staatsarchiv Zug, G 617.6.1, Assekuranzregister Cham, 1. Generation (1813–1868)
  16. Staatsarchiv Zug, G 617.6.1, Assekuranzregister Cham, 1. Generation (1813–1868)
  17. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  18. Zuger Volksblatt, 02.01.1878
  19. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  20. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  21. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band. Vgl. Anmerkung 4 (Iten et al.), S. 40
  22. Zuger Volksblatt, 07.04.1888
  23. Vgl. Anmerkung 4 (Iten et al.), S. 40
  24. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band. Vgl. Anmerkung 1 (Grünenfelder), S. 272
  25. Amt für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Zug, Inventar der schützenswerten Denkmäler der Gemeinde Cham, Grundstücknummer 495 [Stand: 29.06.2023]
  26. Neue Zürcher Zeitung, 02.11.1880
  27. Zuger Volksblatt, 03.11.1880. Der Bund, 28.10.1880
  28. Der Bund, 19.05.1881
  29. Amt für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Zug, Inventar der schützenswerten Denkmäler der Gemeinde Cham, Grundstücknummer 495 [Stand: 09.04.2022]