Seefeld

Aus Chamapedia

An der Zugerstrasse zeugen noch heute viele Wirtschaften vom einstigen grossen Erfolg der Milchfabrik. Eine Gaststätte war das Restaurant Seefeld in diesem grossen, mächtigen Haus an der Zugerstrasse 28 mit drei Stockwerken. Das «Seefeld», eine klassische Arbeiterbeiz, war zeitweilig der Treffpunkt der Ländlerfreunde von nah und fern.

Am Wirtshausschild erkennbar: das einstige Restaurant Seefeld an der Zugerstrasse 28
Im «Seefeld» ging es zuweilen hoch zu und her!
Die Liegenschaft Zugerstrasse 28, 2018


Chronologie

1877 Das Haus «Seefeld» (Ass.-Nr. 227a) entsteht an der Zugerstrasse an einem günstigen Standort. Damals fahren tagtäglich Dutzende von Milchfuhrwerken mit schwerer Ladung für die «Milchsüdi» auf der Strasse hin und her, zudem arbeiten in der nahen Milchfabrik Hunderte von Menschen, die auf dem Heimweg in einer der vielen Gaststätten absteigen. Die ersten Eigentümer sind die Gebrüder Jakob und Josef Baumgartner. [1]

1878 Die Wirtschaftseröffnung wird am 20. Januar mit musikalischer Unterhaltung durch die Gebrüder Kleimann aus Hesslingen gefeiert. Als Wirt erscheint ein Melchior Stadler. [2] Aber bereits drei Monate später wirbt ein Gastwirt namens «Müller-Bütler» mit der Eröffnung von Wirtschaft und Kegelbahn im Seefeld. [3]

1884 Der Zuger Regierungsrat bewilligt Josef Meier-Baumgartner auf seinem Hausanteil den Betrieb einer Speisewirtschaft. [4] Josef Meier-Baumgartner betreibt daneben im Seefeld einen Handel mit Kartoffeln und Brennholz [5] und ab 1888 ein Seilereigeschäft. [6]

1895 Lehrer Balthasar Bösch (1869–1942) aus Ruswil LU stellt das Gesuch für das Wirtepatent im «Seefeld». [7] Am 26. Mai feiert Bösch die Wirtschaftseröffnung. [8]

1897 Wirt Bösch geht Konkurs. [9] Jetzt stellt wieder Josef Meier-Baumgartner das entsprechende Gesuch fürs Wirtepatent. [10]

1901 Schon wieder ein Wirtewechsel: Johann Friedrich Artho ist der neue Wirt, der das Patentgesuch stellt. [11] Ab dem 21. Februar ist Artho auch der Besitzer der Liegenschaft. [12]

1902/1903 Die Liegenschaft wird umgebaut und bekommt ihre heutige Grösse. Das Haus ist dreigeschossig gebaut und überragt die Gebäude der Umgebung. [13] Das Wirtepatent läuft jetzt auf Johann Friedrich Arthos Frau Theresia Artho-Baumgartner, seit 1902 nach einem Erbgang auch die Besitzerin der Liegenschaft. [14]

1907 Nach sechs Jahren wieder ein neuer Wirt und ab dem 18. Januar Eigentümer: Es ist Vinzenz Nietlispach-Vogel. [15]

1921 Kaspar Hildemann (*1867), Landwirt, pachtet das «Seefeld». Er ist verheiratet und hat fünf Kinder. Im gleichen Jahr kommt mit Albert Pfäffli-Wüest (*1874), bereits der nächste Betreiber und neuer Eigentümer. Er führte bisher das Bahnhofrestaurant in Ebikon LU. [16]

1930 Martin Lustenberger-Bieri (1882–1930) kauft die Liegenschaft von Albert Pfäffli und wird Wirt im «Seefeld». Lustenberger ist verheiratet und hat zehn Kinder. Weil Martin Lustenberger im gleichen Jahr stirbt, geht das Patent auf seine zurückgebliebene Gattin Elisabeth über. [17]

1931 Offenbar geben der Betrieb des Restaurants und die zehn Kinder doch zu viel zu tun: Bereits im März verkauft Elisabeth Lustenberger die Liegenschaft; neu führt Anton Achermann (*1896) das «Seefeld». [18] Doch die Weltwirtschaftskrise der frühen 1930er-Jahre scheint auch das «Seefeld» zu treffen: Denn schon Mitte September erfolgt der nächste Verkauf: Anton Banz (*1888), einst nach Amerika ausgewandert, erwirbt das «Seefeld». [19]

1933 Banz verpachtet die Gastwirtschaft an Josef Waltisberg-Schwegler (*1895). [20]

1935 Anton Banz hat einen neuen Pächter: Benvenuto Doninelli-Rosa (*1901). Er ist ein Plattenleger aus dem Tessin. [21]

1938 Der Tessiner Doninelli wird nach drei Jahren von Karl Heinzer-Canal (*1890) abgelöst. [22]

1939 Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs ergibt sich eine Änderung: Weil Heinzer den «Lindenhof» in Lindencham übernimmt, geht das «Seefeld» an den neuen Pächter Franz Vetter-Bucher (1892–1948). [23]

1948 Am 27. Februar ereignet sich ein furchtbares Unglück. Bei Bauarbeiten bricht eine Röhre, nachts strömt Gas aus und vergiftet das Wirtepaar Sophie (1891–1948) und Franz Vetter-Bucher, deren Tochter Anna (1930–1948) sowie die Serviertochter Annamarie Müller (1926–1948) aus Sisikon UR. Das Unglück überleben nur die Söhne Hans und Josef (1918–1995). Letzterer übernimmt das Restaurant Seefeld, während Hans später Wirt im Restaurant Neudorf wird. [24]

1950 Josef Vetter-Scheidegger (1918–1995), Metzger und Sohn der verunglückten Sophie und Franz Josef Vetter, übergibt den Betrieb an Sophia Stöckli-Suter, der Ehefrau von Leonz Stöckli, der seit 1936 der Hausbesitzer ist. [25]

1952 Elisabeth Iten-Rogger (*1896) übernimmt als Pächterin das «Seefeld» per 15. März. Sie ist Bürgerin von Unterägeri und verwitwet. [26]

1965 Der René Wicky (*1941) führt das Seefeld. Er ist im Hauptberuf Kaufmann und Versicherungsagent. Zusammen mit seiner Frau Josefine, geborene Bissig, leiten sie den Betrieb. [27] Wicky ist schon damals ein bekannter Ländlermusiker. Jeden Samstag veranstaltet er im Restaurant ein Ländlerkonzert. Entweder spielt er selber mit eingeladenen Musikern; wenn er auswärts ein Engagement hat, lässt er seinen Bruder zusammen mit anderen Gastmusikern aufspielen. Viele Chamerinnen und Chamer haben diese Musikabende in bester Erinnerung. Die Menükarte ist damals einfach gehalten: Der «Seefeld-Teller» bietet Schinken mit Aufschnitt, ein Renner ist der St. Galler Schüblig mit Kartoffelsalat. [28]

1969 Anni Rehmann (*1931) mit Bürgerort Kaisten AG übernimmt das «Seefeld» als Pächterin. [29]

1971 Leonz Stöckli verkauft am 28. September die Liegenschaft an Werner Röllin-Rust (1932–2013), Wirt von Wohlen AG. [30]

1972 Oscar Betschart, Chauffeur aus Muotathal SZ, führt den Betrieb zusammen mit seiner Frau Elisabeth, geborene Widmer. [31]

1974 Theres Schwarz-Bründler (*1931), übernimmt als Mieterin die Gastwirtschaft Seefeld. [32]

1986 Josef Krummenacher-Müller (1927–1986), Besitzer des nahen Restaurant Grütli, hat das Haus Seefeld 1981 gekauft. [33] Er verzichtet auf das Patent und schliesst damit die Gastwirtschaft Seefeld. [34] Durch den Kauf hat Krummenacher nicht nur neun Wohnungen zusätzlich, sondern auch einen Konkurrenten weniger. [35]

2018 Die Liegenschaft gehört Paul Krummenacher aus Cham. [36]


Anekdote

«Schlüssel-Nannette» (Nannette Wüest, auch «Nanetta», 1840–1890) führte offenbar zeitweise mit ihren Brüdern auch das «Seefeld». An einem Sonntagmorgen hatte die gute Frau verschlafen, sprang eilig aus dem Bett, zog sich an und rannte mit dem Gebetsbuch in die Kirche. Damals waren Tornüren in Mode, unter den Rock gebundene Kissen. Weil sie so spät dran war, musste sie an allen Kirchgänger vorbei in die erste Reihe der Kirche. Ein Getuschel und Geschmunzel ging durch die Kirche, doch Nanette wusste nicht warum. Sie hatte in der Eile ihre Tornüre über den Rock gebunden, und nun sahen alle, dass es kein edles Kissen war, sondern eine alte Zigarrenschachtel. Ganz Cham soll sich über dieses Missgeschick amüsiert haben. [37]


Vorher – nachher

Sie sehen zwei Fotos der Liegenschaft 28: eines aus dem Jahr 1940, das zweite aus dem Jahr 2018.


Einzelnachweise

  1. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  2. Neue Zuger Zeitung, 19.01.1878
  3. Zuger Volksblatt, 27.04.1878
  4. Neue Zuger Zeitung, 13.02.1884
  5. Neue Zuger Zeitung, 08.10.1884
  6. Neue Zuger Zeitung, 31.03.1888
  7. Staatsarchiv Zug, CD 27, Wirtepatente 1892–1918, Mappe Seefeld, Gesuch vom 06.03.1895
  8. Zuger Volksblatt, 25.05.1895
  9. Zuger Volksblatt, 16.03.1897
  10. Staatsarchiv Zug, CD 27, Wirtepatente 1892–1918, Mappe Seefeld, Gesuch vom 29.04.1897
  11. Staatsarchiv Zug, CD 27, Wirtepatente 1892–1918, Mappe Seefeld, Gesuch vom 18.03.1901
  12. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  13. Grünenfelder, Josef, Die Kunstdenkmäler des Kantons Zug, Neue Ausgabe, Bd. 2, Die ehemaligen Vogteien der Stadt Zug, Bern 2006, S. 155
  14. Staatsarchiv Zug, CD 27, Wirtepatente 1892–1918, Mappe Seefeld, Gesuch vom 25.01.1903. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  15. Staatsarchiv Zug, CD 27, Wirtepatente 1892–1918, Mappe Seefeld, Gesuch vom 06.02.1907. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  16. Staatsarchiv Zug, CE 80.3, Wirtschaftswesen, Mappe Seefeld, Gesuch vom 24.09.1921. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  17. Staatsarchiv Zug, CE 80.3, Wirtschaftswesen, Mappe Seefeld, Gesuche vom 27.02./15.12.1930. Staatsarchiv Zug, G 617.6.5, Assekuranzregister Cham, 3. Generation (1929–1960), 2. Band
  18. Staatsarchiv Zug, CE 80.3, Wirtschaftswesen, Mappe Seefeld, Gesuch vom 04.04.1931
  19. Staatsarchiv Zug, CE 80.3, Wirtschaftswesen, Mappe Seefeld, Gesuch vom 25.08.1931. Staatsarchiv Zug, G 617.6.5, Assekuranzregister Cham, 3. Generation (1929–1960), 2. Band
  20. Staatsarchiv Zug, CE 80.3, Wirtschaftswesen, Mappe Seefeld, Gesuch vom 22.02.1933
  21. Staatsarchiv Zug, CE 80.3, Wirtschaftswesen, Mappe Seefeld, Gesuch vom 14.02.1935
  22. Staatsarchiv Zug, CE 80.3, Wirtschaftswesen, Mappe Seefeld, Gesuch vom 25.02.1938
  23. Staatsarchiv Zug, CE 80.3, Wirtschaftswesen, Mappe Seefeld, Gesuch vom 10.04.1943
  24. Zuger Neujahrsblatt 1950, Chronik 27.02.1948. Neue Zuger Zeitung, 27.03.2004. Freundliche Mitteilung von Elisabeth Vetter, 15.09.2020
  25. Staatsarchiv Zug, G 468, Wirtepatente, Mappe Seefeld, Gesuch vom 16.02.1950. Staatsarchiv Zug, G 617.6.5, Assekuranzregister Cham, 3. Generation (1929–1960), 2. Band. Freundliche Mitteilung von Elisabeth Vetter, 15.09.2020
  26. Staatsarchiv Zug, G 468, Wirtepatente, Mappe Seefeld, Gesuch vom 17.01.1952
  27. Staatsarchiv Zug, G 468, Wirtepatente, Mappe Seefeld, Erneuerungsgesuch Wirtepatent vom 18.04.1966
  28. Freundliche Mitteilung von René Wicky, Oberägeri
  29. Staatsarchiv Zug, G 468, Wirtepatente, Mappe Seefeld, Gesuch vom 16.01.1969
  30. Staatsarchiv Zug, G 617.6.7, Assekuranzregister Cham, 4. Generation (1960–1990), 2. Band
  31. Staatsarchiv Zug, G 468, Wirtepatente, Mappe Seefeld, Gesuch vom 01.02.1972
  32. Staatsarchiv Zug, G 468, Wirtepatente, Mappe Seefeld, Gesuch vom 22.06.1974
  33. Staatsarchiv Zug, G 617.6.7, Assekuranzregister Cham, 4. Generation (1960–1990), 2. Band
  34. Staatsarchiv Zug, G 468, Wirtepatente, Mappe Seefeld, Brief von Josef Krummenacher an die Gemeindekanzlei Cham vom 04.04.1986
  35. Freundliche Mitteilung von Hans-Martin Oehri, Cham
  36. www.zugmap.ch, Eintrag Grundstücknummer 252 [Stand: 24.01.2018]
  37. Steiner, Hermann et al., Vom Städtli zur Stadt Cham. Geschichte und Geschichten einer Zuger Gemeinde, Cham 1995, S. 161