Meier-Hammer Hans (1912–2009)
Hans Meier-Hammer war ein Papiermacher durch und durch. Als Kind eines Papierarbeiters wurde er studierter Papiermacher, leitete Fabriken unter anderem in Asien und arbeitete in der Papierfabrik Cham als technischer Direktor. Aufgrund seiner Genauigkeit wurde er geschätzt, aber auch gefürchtet; er bekam in der Chamer Papieri den Beinamen «Fötzeli-Meier», weil er so grossen Wert auf Reinlichkeit legte.
Stationen
1912 Am 31. Januar kommt Hans Meier in Utzensdorf BE als Sohn von Margrit und Josef Meier-Freuler zur Welt. Sein Vater arbeitet in verschiedenen Papierfabriken. So heisst es später, das erste Geräusch, welches der kleine Hans gehört haben soll, sei das Rattern von Papiermaschinen gewesen. Sein Grossvater Leodegar Meier arbeitete in der Papierfabrik Cham und wohnte in den Kosthäusern in Hagendorn, ebenso seine Onkel Albert und Franz Meier. [1]
1916 Obwohl Österreich-Ungarn als kriegsführende Nation im Ersten Weltkrieg involviert ist, zieht die Familie Meier-Freuler nach Österreich. Hans’ Vater Josef Meier hat dort eine Anstellung in der Papierfabrik Nettingsdorf gefunden, in der auch russische Kriegsgefangene arbeiten. Die Familie zieht weiter ins nächste kriegsführende Land, nach Deutschland, nach Mochenwangen im Landkreis Ravensburg. [2]
1920 Die Familie Meier-Freuler kehrt in die Schweiz zurück. Für drei Monate kommt Hans Meier zu seinen Verwandten nach Hagendorn, die in der Papierfabrik Cham arbeiten. Später wohnt Hans wieder mit seiner Familie in Laupen BE, dann in Zwingen BE, wo sein Vater Betriebsleiter der Papierfabrik wird. [3]
1926 Der heranwachsende Hans Meier interessiert sich brennend für alles Technische. Die Kantonsschulen besucht er in Solothurn und Basel. [4]
1932 Meier besteht die Matura, absolviert die Rekrutenschule und studiert danach in Darmstadt an der Technischen Hochschule Maschinenbau mit der Vertiefungsrichtung Papiermacher. Ab 1933 beginnen die Vorlesungen mit einem «Heil Hitler!». [5] Bei einem Praktikum in der Papierfabrik Biberist SO erhält Meier als Schichtarbeiter einen Stundenlohn von einem Franken, was damals als «recht ordentlich» gilt. [6]
1937 Hans Meier schliesst die Hochschule als diplomierter Ingenieur ab und wird zum Erfinder: Für seine Diplomarbeit bekommt er das deutsche Reichspatent, seine «Vorrichtung zum Feuchten laufender Bahnen» in der Papierproduktion gilt als neuartig. [7]
1939 Nach verschiedenen Anstellungen heiratet Hans Meier seine Jugendfreundin Dori Hammer (gest. 1978) aus Solothurn, und sie ziehen nach Robertsau bei Strasbourg. [8] Das junge Ehepaar Dori und Hans Meier-Hammer zügelt in der Folge nach Balsthal SO, wo Hans eine Anstellung als technischer Direktor gefunden hat. Dort wächst die Familie: Doch bei den Geburten von Tochter Dorette (*1941) und Sohn Urs (*1943) kann Hans Meier jeweils nicht dabei sein, weil er als Leutnant im Zweiten Weltkrieg viel Aktivdienst leisten muss und jeweils zu spät zuhause ankommt. [9]
1952 Nach elf Jahren in Balsthal zügelt die Familie Meier-Hammer nach Würenlos AG, wo Hans die Molfina leitet und Miteigentümer wird: Diese Fabrik stellt aus Zellulose Hygieneprodukte wie Tampons und Binden her, unter anderem für die Migros. Meier will alle Aktien der Fabrik aufkaufen, was der Eigentümer aus den USA ablehnt. [10] Später übernimmt die Migros den Produktenamen und setzt ihn bis heute für selbst hergestellte Tampons und Binden ein. Auch politisch betätigt sich Meier in Würenlos: Er gründet mit einem Arzt die Freisinnige Ortspartei. [11]
1955 Hans Meier zieht es in die Ferne nach Ost-Pakistan (heute Bangladesh). Dort wird er Direktor der grössten Papierfabrik des Landes, der Karnaphuli Papier Mills: Er leitet die Fabrik in Chandraghona mit 4000 Mitarbeitern und stellt Papier aus Bambus her. Sein Vorgänger als Fabrikdirektor wurde ermordet. Doch Hans Meier übt seine Aufgabe furchtlos aus, findet einen guten Draht zur Regierung und zur Belegschaft. Er produziert nicht nur Papier, sondern erstellt auch Schulen, Arbeiterunterkünfte und einen Spital. Um geeigneten Bambus für die Papierproduktion zu finden, reitet er auf Elefanten in den Urwald. [12]
1962 Meier hat sein Ziel in Ost-Pakistan erreicht: Nach sechs Jahren kann er die Fabrik den Einheimischen überlassen, die ohne europäische Direktion oder andere Hilfe weiter gedeiht. Hans Meier kehrt zurück in die Schweiz. Er wird per 1. September technischer Direktor der Papierfabrik Cham. Dort zieht sich «Papieri-Vater» Robert Naville-Vogel (1884–1970) aus der operativen Leitung zurück, so dass Meier für das Technische und Navilles Sohn Raoul (1912–1999) für das Kaufmännische zuständig sind. [13] Während der Woche wohnt Hans Meier in einer kleinen Fabrikwohnung in Cham und isst jeweils im Hotel Bären, die Wochenende verbringt er bei der Familie in Würenlos. Um es einfacher zu haben, baut Meier ein Haus in Oberwil an der Rebmatt 30. [14]
1964 Das neue Haus in Oberwil bei Zug ist bezugsbereit, die Familie zieht dorthin. [15] Weil Hans Meier in der Papierfabik grossen Wert auf Sauberkeit legt, bekommt er den liebevoll gemeinten Übernamen «Fötzeli-Meier» – «er selber schmunzelte darüber und war im Grunde stolz auf diesen Spitznamen». [16] Er ist in der «Papieri» sehr beliebt und gratuliert jedem Mitarbeiter persönlich zu seinem Geburtstag, dazu kommt er auch sonntags in die Fabrik. Sehr verbunden ist er auch mit der Betriebsfeuerwehr der Papierfabrik: Er ist der Initiator der Feuerwehroveralls und führt einen Sold ein. Selbstverständlich rückt Hans Meier bei jedem Alarm auch selber aus. [17]
1965 Als Spezialist für die Papierproduktion aus Bambus ist Hans Meier weiterhin gefragt. Zum einen fungiert er als Berater für seinen ehemaligen Betrieb in Ost-Pakistan, zum anderen nimmt er als Fachexperte vom 8. bis 30. März an einer UN-Konferenz in Kairo teil, wo es um die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas geht. [18]
1975 Hans Meier ist 63-jährig und lässt sich vorzeitig pensionieren. Denn er will seine Frau Dori besser pflegen können, die an Alzheimer erkrankt ist. [19]
1978 Hans Meiers Gattin Dori stirbt am 22. März in der Klinik Adelheid in Unterägeri; sein Schmerz über diesen Verlust ist gross.
1988 Zum Andenken an Dori gründet Hans Meier mit anderen am 8. Juni die Schweizerische Alzheimervereinigung. [20] Er kann vermögende Freunde dazu motivieren, Spenden der Alzheimervereinigung zukommen zu lassen, insgesamt bringt Meier einen siebenstelligen Frankenbetrag zusammen. [21]
2005 Mittlerweile ist Hans Meier 93-jährig. Er zieht mit seiner Partnerin Lisa Baumgartner – der ehemaligen Wirtin im Chamer «Bären» – ins Altersheim Büel in Cham. Von der Terrasse kann er jeweils den Rauch der Papierfabrik Cham sehen. [22]
2008 Die Altersbeschwerden nehmen zu: Er muss sich ein Bein amputieren lassen, erblindet fast ganz und ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Für Hans Meier, den Ingenieur, einstigen Direktor und Oberst im Militär, ist das schwer zu ertragen. [23]
2009 Hans Meier stirbt am 30. April nach einem Infekt im Fuss. Er wird 97 Jahre alt. [24]
Gedicht
Zum 80. Geburtstag von Hans Meier-Hammer verfasste die Feuerwehr der Papierfabrik Cham ein ehrendes, aber auch ironisches Gedicht:
«Der Diräkter Meier, mir sägets ganz ungeniert
het früener in de PC au eusi Fürwehr regiert.
Er hät damals, won er us Pakistan isch cho
gar es chlis armseligs Trüppli überno,
die arme willige Manne händ aber o-jee
usgshe wie Soldate vo der Bourbaki-Armee.
Glueget hät er de für neui und gueti Hudle,
das s mit Lösche nüs müend Sunntigsgwändli versudle.
Sie händ defür müesse laufe und springe
dass ne amig aud d'Hauptübig tuet glinge.
Er hät aber auch glueget für en rächte Sold,
am Personalchef häts zwar nüd gefalle das villi Gold.
(...) [25]
Würdigung
Hans Meier war ein offener und vielseitiger Mann. Dass er 1955 die Stelle als Fabrikdirektor in Ost-Pakistan antrat, zeugt davon: «Diese immense berufliche und private Herausforderung wurde zum Höhepunkt seines Lebens.» Der Aufenthalt machte ihn «tolerant, demütig und liess ihn menschlich reifen.» [26] Das Lebensmotto, das er seinen persönlichen Erinnerungen voranstellte, war vom Philosophen Karl Jaspers (1883–1969) und lautete: «Die Wirklichkeit der Welt ist nicht zu überspringen. Die Härte des Wirklichen zu erfahren, ist der einzige Weg, um zu sich selbst zu kommen.» [27]
Einzelnachweise
- ↑ Erinnerungen von Hans Meier (undatiert), S. 2ff., freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Urs Meier-Meyer, 19.09.2019
- ↑ Erinnerungen von Hans Meier (undatiert), S. 5f., freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Urs Meier-Meyer, 19.09.2019
- ↑ Erinnerungen von Hans Meier (undatiert), S. 7f., freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Urs Meier-Meyer, 19.09.2019
- ↑ Neue Zuger Zeitung, 25.05.2009
- ↑ Erinnerungen von Hans Meier (undatiert), S. 13f. und 21, freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Urs Meier-Meyer, 19.09.2019
- ↑ Erinnerungen von Hans Meier (undatiert), S. 19, freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Urs Meier-Meyer, 19.09.2019
- ↑ Patentschrift Deutsches Reich Nr. 675644/1937, publiziert am 13.05.1939
- ↑ Neue Zuger Zeitung, 25.05.2009
- ↑ Erinnerungen von Hans Meier (undatiert), S. 30ff., freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Urs Meier-Meyer, 19.09.2019; Neue Zuger Zeitung, 25.05.2009
- ↑ Erinnerungen von Hans Meier (undatiert), S. 39, freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Urs Meier-Meyer, 19.09.2019; Neue Zuger Zeitung, 25.05.2009
- ↑ Erinnerungen von Hans Meier (undatiert), S. 41, freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Urs Meier-Meyer, 19.09.2019
- ↑ Freundliche Auskunft von Urs Meier-Meyer, 19.09.2019; Neue Zuger Zeitung, 25.05.2009
- ↑ Orsouw, Michael van, Der Zellstoff, auf dem die Träume sind, Cham 2007, S. 116
- ↑ Erinnerungen von Hans Meier (undatiert), S. 52f., freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Urs Meier-Meyer, 19.09.2019
- ↑ Erinnerungen von Hans Meier (undatiert), S. 52, freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Urs Meier-Meyer, 19.09.2019
- ↑ Neue Zuger Zeitung, 25.05.2009
- ↑ Mosaik Mitarbeiterzeitung der Papierfabriken Cham-Tenero AG, Nr. 1, 2010, S. 15
- ↑ Freundliche Auskunft von Urs Meier-Meyer, 19.09.2019
- ↑ Neue Zuger Zeitung, 25.05.2009
- ↑ Neue Zuger Zeitung, 25.05.2009
- ↑ Freundliche Auskunft von Urs Meier-Meyer, 19.09.2019
- ↑ Neue Zuger Zeitung, 25.05.2009
- ↑ Neue Zuger Zeitung, 25.05.2009
- ↑ Neue Zuger Zeitung, 25.05.2009
- ↑ Archiv Papierfabrik Cham, Typoskript «Erinnerungen Papieri-Fürwehr», Cham, 31.01.1992
- ↑ Neue Zuger Zeitung, 25.05.2009
- ↑ Erinnerungen von Hans Meier, o.D., freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Urs Meier-Meyer, 19.09.2019