Dorfstrasse 98, «Hungeli»

Aus Chamapedia

Mit einem Kernbau aus dem 18. Jahrhundert: das voluminöse Haus Hungeli in Rumentikon
An überraschender Stelle: das «Hungeli», das erste Schulhaus von Hagendorn
Prägnanter Bau in blühender Landschaft: das «Hungeli»
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Das «Hungeli» von hinten: eigenwillige Form, 2009
Die Liegenschaft Dorfstrasse 98, in Richtung Süden gesehen, 14.02.2018
… und in Richtung Norden, 14.02.2018

Inmitten der Rumetiker Wiesen stand einst das Bauernhaus Hungeli aus dem 17. Jahrhundert. Ab ungefähr 1746 diente es auch als Schulhaus. Abwechslungsweise gingen die Kinder hier und in Niederwil zur Schule – allerdings nur im Winter. Als Hagendorn 1881 sein eigenes Schulhaus bekam, wurde das Hungeli an der Dorfstrasse 98 wieder ein Bauern- und Wohnhaus.


Chronologie

1681 Die Hungeli-Güter werden erstmals als Liegenschaft erwähnt. [1]

1684 Das Hungeli-Heimwesen ist auf die Witwe von Hans Bochsler (gest. vor 1685), Wirt im Gasthaus von Rumetik («Rumeldickhen»), übergegangen. Bochsler hatte die Liegenschaft gekauft. Der Zuger Stadtrat bestätigt, dass die Witwe und die Kinder das Gemeinderecht von Rumetik wie andere Genossen ohne jede Einschränkung nutzen dürfen. [2]

1712/1713 (?) An der Nordmauer trägt ein Sandstein die Jahreszahl 1684. Doch der Kernbau entsteht im frühen 18. Jahrhundert in Bohlenständerbauweise. Die Jahresringkurven von sechs Proben aus dem Ständerbau weisen auf die Fälljahre 1711 bis 1713 hin. [3] Möglicherweise besteht ein Zusammenhang mit einem Neubau nach den Verwüstungen durch Zürcher Truppen, die im Zweiten Villmergerkrieg nach der siegreichen Hauptschlacht von Villmergen AG am 25. Juli ins nördliche Chamer Gebiet eindringen und hier zwei Wochen lang plündern und brandschatzen. Rumetik ist besonders stark betroffen: Zahlreiche Familien sind obdachlos und leiden Hunger. [4]

1718 Johannes Sifrig (Sÿfferig) wird als Eigentümer aufgeführt. [5]

1746–1880 Hier, draussen auf den Feldern, findet ab ca. 1746 der Schulunterricht statt. Der erste hier tätige Lehrer ist der 20-jährige Caspar Baumgartner, einer der wenigen weltlichen Lehrer zu jener Zeit. Er ist von der «Gmeind bestellt» und bezieht einen Jahreslohn von rund 18 Gulden. Eine Schulpflicht besteht damals noch nicht. Damit die Bauern der Gegend ihre Kinder dennoch zur Schule schicken und nicht nur zuhause mitarbeiten lassen, startet diese jeweils vor Weihnachten und endet Ende März. Pro Tag dauert der Unterricht vier Stunden. Schulgeld haben die Kinder keines zu entrichten, aber sie müssen täglich einen Scheit Holz mitbringen, um die Schulräume zu heizen. Abwechslungsweise kommen die Kinder ins Hungeli oder ins Kaplanenhaus in Niederwil; weil Cham und Hünenberg miteinander einen Schulkreis bilden, kommen die Kinder auch von der Chamau und der Stadelmatt hierher. [6]

1798 Die neuen Besitzer sind Mathias Kaufmann und Beat Wettstein. In der Hungeli-Schulstube sind 40 Kinder eingetragen. [7] Wohl im späten 18. Jahrhundert wird der Kernbau auf zwei Seiten ergänzt und in zwei Wohneinheiten unterteilt. Besonders an den Lukarnen sind die Ausbauphasen gut ablesbar. [8]

1813 Martin und Wolfgang Kaufmann sind die Eigentümer. [9]

1819 Martin Kaufmann verkauft der Gemeinde Cham beide Teile der Liegenschaft (Ass.-Nrn. 72a und 72b). [10]

1850 Lehrer Mathias Gretener (1818–1898) wohnt mit Familie und Magd im «Hungeli». [11]

1881 Mit der zunehmenden Industrialisierung, vor allem durch die Baumwollspinnerei und Weberei Hagendorn, steigen die Bevölkerungszahl und die Bedürfnisse, auch an die Schule und an den Schulunterricht. Eine Winterschule genügt nicht mehr. Deshalb bekommt Hagendorn sein eigenes Schulhaus, und die Schulstube im Hungeli wird wieder privat genutzt. [12] Adam Koller von Meierskappel LU erwirbt am 11. April die Liegenschaft. [13]

1887 M. A. Kaufmann geborene Schmid kauft die Liegenschaft. [14]

1893 Josef Anton Burkard ersteigert das «Hungeli». [15]

Drei Jahre später übernimmt Josefa Burkard geborene Sidler. [16]

1911 Josef Rüttimann erwirbt am 27. Dezember die Liegenschaft. [17]

1927 Die Scheune (Ass.-Nr. 72b) wird erneuert. [18]

1942 Die Liegenschaft geht an die Erbengemeinschaft von Josef Rüttimann selig und dann schliesslich an Jakob Rüttimann. [19]

1943 Es gibt Umbauten in der Küche und in der Stube. [20]

1969 Am 4. August gehen die Liegenschaften an die Erbengemeinschaft von Jakob Rüttimann. [21]

2011–2012 Die Liegenschaft wird abgebrochen und neu gebaut. [22]

2018 Die Liegenschaft ist auf Peter Alois Risi eingetragen. [23]


Wer war «Hungeli»?

Der Familienname «Hungli» oder «Hungeli» ist im 16. und 17. Jahrhundert im Raum Ennetsee belegt. [24] Das Hungeli in Rumetik lässt sich aber mit grosser Wahrscheinlichkeit auf einen Christian («Christen») Bütler (gest. um 1680), genannt «Hungeli(n)» oder «Hüngeli(n)», zurückführen.

Dieser Bütler war gewiss kein Kind von Traurigkeit. Ab 1648 taucht sein Name regelmässig in den Zuger Stadtratsprotokollen auf. Meist wird er wegen verbalen Entgleisungen und Schmähungen zu Bussen verurteilt, zur Beichte verdonnert oder in Zug in die Stadttürme gesperrt. [25]


Aktueller Kartenausschnitt

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Einzelnachweise

  1. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.6.81, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1681–1684, fol. 5r. (30.08.1681). Weitere frühe Belege des Hungeli und der Hungelimatt bei Dittli, Beat, Zuger Ortsnamen. Lexikon der Siedlungs-, Flur- und Gewässernamen im Kanton Zug. Lokalisierung, Deutung, Geschichten, Zug 2007, Bd. 3, S. 74f.
  2. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.6.1006, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1681–1684, fol. 93r (29.04.1684
  3. Grünenfelder, Josef, Die Kunstdenkmäler des Kantons Zug, Neue Ausgabe, Bd. 2, Die ehemaligen Vogteien der Stadt Zug, Bern 2006, S. 181. Boschetti-Maradi, Adriano / Bolli, Markus, Wohnhaus Hungeli – Bauuntersuchung und Abbruch, in: Tugium 26, 2010, S. 21f.
  4. Wolf, Otto et al., Geschichte von Cham, Bd. 1, Cham 1958, S. 301
  5. Staatsarchiv Zug, Hypothekenbücher Bd. 39, fol. 266r
  6. Informationsschrift «Schuelgeschichte»; Chomer Schuelbär 2/84, Schule Cham
  7. Einwohnergemeinde Cham, Bauarchiv, Fiche Gebäudeversicherung
  8. Vgl. Anmerkung 3 (Grünenfelder), S. 181
  9. Einwohnergemeinde Cham, Bauarchiv, Fiche Gebäudeversicherung
  10. Staatsarchiv Zug, G 617.6.1, Assekuranzregister Cham, 1. Generation (1813–1868)
  11. Staatsarchiv Zug, Volkszählung 1850
  12. Informationsschrift «Schuelgeschichte»; Chomer Schuelbär 2/84, Schule Cham
  13. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  14. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  15. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  16. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  17. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  18. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  19. Staatsarchiv Zug, G 617.6.4, Assekuranzregister Cham, 3. Generation (1929–1960), 1. Band
  20. Vgl. Anmerkung 3 (Boschetti-Maradi / Bolli), S. 21f.
  21. Staatsarchiv Zug, G 617.6.6, Assekuranzregister Cham, 4. Generation (1960–1990), 1. Band
  22. Vgl. Anmerkung 3 (Boschetti-Maradi / Bolli), S. 21
  23. www.zugmap.ch, Eintrag Grundstücknummer 3146 [Stand: 14.02.2018]
  24. Vgl. Anmerkung 1 (Dittli), Bd. 3, S. 74f.
  25. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.2.2992, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1641–1650, fol. 230r (11.07.1648); A 39.26.3.410, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1650–1660, fol. 27v (12.08.1651); A 39.26.3.2230, fol. 167r (02.03.1658); A 39.26.4.540, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1660–1668, fol. 47v (16.09.1662); A 39.26.4.1661, fol. 134v (09.07.1667); A 39.26.5.983, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1669–1681, S. 134 (27.06.1671); A 39.26.5.3014, S. 442 (26.01.1678); A 39.26.5.3035, S. 445 (04.02.1678)