Ziegelhütte Meienberg, Ziegelei-Museum

Aus Chamapedia

Die Ziegelhütte Meienberg, vor der Sanierung, 1981
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Der geborstene Brennofen, 1981
Die Ziegelhütte im Frühling
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Ansicht von Norden, 2013
Dachstock des neuen Museums, 16.07.2013


Die Ziegelhütte Meienberg in der Lichtung zwischen dem Lindenchamerwald und dem Rainmatterwald erinnert an ein jahrhundertealtes wichtiges Handwerk. Die Ziegelei der Familie Lörch produzierte von 1873 bis 1933. Seit 1982 beherbergt die einzige intakt erhaltene Handziegelei der Deutschschweiz ein Ziegelei-Museum.


Chronologie

1873 Martin Lörch (1835–1918) aus Ottenbach ZH kauft für 3000 Franken von Jakob Henggeler (1797–1882), Schmied in Lindencham, die Waldlichtung zwischen dem Rainmatter- und Lindenchamerwald. Er erstellt eine einfache Ziegelhütte (Ass.-Nr. 224b) mit einem Kammerofen. Lörch wohnt mit seiner Frau Rosina aus der Zieglerfamilie Hegetschweiler aus Ottenbach – das Handwerk hatte Martin wohl bei seinem Schwiegervater Johann Jakob erlernt – vermutlich in einer kleinen, sehr einfachen Wohnung im Obergeschoss der ersten Ziegelhütte. [1] 1874 wird bei der Geburt des ersten Sohnes Caspar der nahe gelegene Hof «Wolfacker» als Adresse angegeben. [2]

1879 Rosina und Martin Lörch erstellen spätestens in diesem Jahr das Wohnhaus (Ass.-Nr. 224a) nördlich der Ziegelhütte. [3] Neben der Ziegelei betreibt die Familie eine kleine Landwirtschaft mit zwei bis drei Kühen und Obstbäumen. Die Stallscheune für die Tiere ist am Wohnhaus angebaut. [4]

1892 Die Talsenke mit dem Lehmvorkommen eignet sich für die Herstellung von Ziegeln und die Produkte sind wegen ihrer hervorragenden Qualität geschätzt. Martin Lörch baut die heute noch vorhandene, grosse Ziegelhütte. [5]

1896/1897 Die Ziegelhütte wird 1896 noch einmal umgebaut und um einen zweiten Giebel erweitert; 1897 wird die alte, erste Ziegelhütte abgebrochen. [6] Es handelt sich dabei um einen offenen Gerüstbau aus wiederverwendetem Holz. Ein Teil des Holzes stammte offenbar von bei der Zuger Vorstadtkatastrophe vom 5. Juli 1887 zerstörten Häusern. Die Balken sind mit Nutschlitzen und Aussparungen versehen, die schon bei früheren Gebäuden Verwendung gefunden haben. [7] In der Nordostecke befindet sich der Kammerofen mit zwei rundbogigen Feuerlöchern. [8]

1899 Ziegler Lörch erstellt zusätzlich auf dem Gelände noch eine neue, grössere Scheune (Ass.-Nr. 24c). Damit ist die funktionelle Einheit auf dem Areal komplett: Wohnhaus, Ziegelhütte und Scheune mit Stall. [9]

1906 Martin Lörchs Sohn Caspar (1874–1935) übernimmt die Liegenschaft und den Ziegeleibetrieb. [10]

1916 Caspar heiratet Elise Lörch-Wyss (1888–1980) aus dem nahen Friesencham: Bruder Jakob (1882–1971) verlässt er die Ziegelei, deren Ertrag nur eine Familie ernähren kann. [11]

1933 Ziegler Caspar Lörch ist 59-jährig, als er den Ziegeleibetrieb einstellt. [12] Die Schweiz leidet in den 1930er-Jahren unter den Folgen der grossen Weltwirtschaftskrise von 1929. Traditionelle Handziegeleien können gegen die Konkurrenz der industriell gefertigten Ziegeleien nicht mehr bestehen.

1935 Caspar Lörch stirbt. Seine Witwe Elise Lörch-Wyss übernimmt die Gebäude. [13] Im Wohnhaus des kinderlosen Ehepaares Lörch lebt auch Neffe Paul Wyss-Herger (1927–2021), später Posthalter in Hagendorn. [14] Ein Jahr später wird der fünfseitige, erkerartige Anbau am Wohnhaus erstellt.

1956 Paul Wyss-Herger kauft am 23. August die Liegenschaft. Zwei Jahre später richtet er in der Scheune eine Schreinerwerkstatt ein. [15]

1974 Die Gebäude, der zerfallene Brennofen und das angrenzende Flachmoor werden ins gemeindliche Inventar schützenswerter Objekte aufgenommen. Trotzdem deponiert eine Tiefbauunternehmung am Standort illegal Aushubmaterial. [16]

1975/1976 Die Ziegelhütte (Ass.-Nr. 1070a, alt Ass.-Nr. 224b) soll abgebrochen werden. Die kantonale Denkmalpflege, der Zuger Naturschutzbund und Vertreter der Einwohnergemeinde Cham, u.a. Werkmeister Josef Stähli (1922–2013) und Lehrer Peter Steirer, setzen sich für die Erhaltung ein. [17]

1978 Die Ziegelhütte und das angrenzende Biotop werden unter kantonalen Schutz gestellt und die zerfallenen Gebäudeteile gesichert. [18]

1979 Paul Wyss verkauft die Ziegelhütte mit der ehemaligen Lehmgrube, in der sich wertvolles Flachmoor gebildet hat, am 30. April dem Schweizerischen Bund für Naturschutz (SBN, seit 1997 Pro Natura), Sektion Zug. [19]

1982 Die 1978 vom Zuger Naturschutzbund begonnenen Sanierungsarbeiten werden weitergeführt und 1982 abgeschlossen: Die Anlage ist geräumt, die Böden und Trockengestelle herausgenommen, der Dachstuhl, die Fassaden und Teile der Fundamente sind saniert. [20]

In der Nacht vom 10. auf den 11. März geht die Stallscheune von 1899 aus ungeklärten Gründen in Flammen auf. Nach dem Brand wird sie abgebrochen. [21]

1983 Die abbruchgefährdete Ziegelhütte und das Biotop gehen an die am 14. April 1982 gegründete Stiftung Ziegeleimuseum Meienberg über. [22] Unter der Ägide des Museumsfachmanns Hans Rudolf Woodtli wird ein Museumskonzept entwickelt. Ziel ist ein «echtes Fach-Museum von gesamtschweizerischer Bedeutung [...] an dem ein breites Publikum Interessen finden kann». Die Verantwortlichen tragen aus der ganzen Schweiz Museumsgut (Maschinen, Geräte, Dokumente, Ziegel) zusammen und bauen eine Fachbibiothek auf. [23]

1988 Paul Wyss verkauft die übrige Liegenschaften an den Kanton Zug. [24]

2012 Das Wohnhaus der ehemaligen Ziegelei wird unter Denkmalschutz gestellt. Die Stiftung Ziegeleimuseum übernimmt das Wohnhaus. Im Erdgeschoss befindet sich fortan die Fachstelle mit Bibliothek, im Obergeschoss eine Mietwohnung. [25] Gleichzeitig nimmt die Stiftung den Museumsneubau in Angriff. Nach den Plänen von Architekt Paul Knill (*1956) aus Herisau AR erstellt die Alfred Müller AG aus Baar den Museumsbau und realisiert mit Landschaftsarchitekt Benedikt Stähli (*1966) die naturnahe Gestaltung der Umgebung. [26]

2013 Das Ziegeleimuseum wird eröffnet: Es ist schweizweit das einzige Ziegeleimuseum mit einer grossen Ziegelsammlung und viel Fachwissen rund um das Ziegelhandwerk. Angeboten werden Ausstellungen, Führungen und Kurse. [27]

2015 Nach einem Versuchsjahr wird das «Zieglerbeizli» von der zuwebe, der führenden Institution im Kanton Zug, die Menschen mit einer geistigen oder psychischen Beeinträchtigung betreut, in Pacht übernommen. Der Besucheraufmarsch ist erfreulich. [28] Ab 2019 wird das Zieglerbeizli wieder vom Ziegeleimuseum selbst betrieben. [29]

2016 Die Einwohnergemeinde Cham verleiht dem Ziegeleimuseum für seine Verdienste in der Forschung und in der Öffentlichkeitsarbeit den Anerkennungspreis CHAMpion.

2017–2021 Um das Ziegeleiareal sowie das südlich angrenzende Biotop besser erfahrbar zu machen, lässt die Stiftung Ziegeleimuseum neben der Ziegelhütte einen über acht Meter hohen, begehbaren Ofenturm aus Stampflehm erbauen. Der wertvolle, aber in Vergessenheit geratene Baustoff Lehm soll in seiner ungebrannten Form verwendet werden und so einen direkten Bezug zur Ziegelei schaffen. Der Turm wird von Studierenden der Technischen Universität München und der ETH Zürich geplant und gebaut, unter der Leitung des auf Lehmbau spezialisierten Architekten Roger Boltshauser (*1964).

Im Sommer 2019 wird der Aussichtsturm in zwei Gruppen von jeweils 15 Studierenden in vier Wochen in einem ehemaligen Zementwerk bei Brunnen vorproduziert. 2020 bauen die Studenten den Turm aus den 88 vorfabrizierten Elementen zusammen. Neben einem Ausstellungsraum wird auch ein Brennofen für Ziegel im Turm aufgestellt, da der historische Brennofen der Ziegelei nicht mehr benutzt werden kann. [30]

2024 Die Ziegelhütte (Ass.-Nr. 1070a) und das Wohnhaus (Ass.-Nr. 224a) sind im Verzeichnis der geschützten Denkmäler der Gemeinde Cham aufgeführt. [31]


Der Ziegeleiofen

Der Ofen in der Ziegelhütte ist 4,8 Meter lang, 5,2 Meter breit und 3,9 Meter hoch. Eine Ofenfüllung fasste rund 50'000 Ziegel. Die Brenntemperatur betrug etwa 800 bis 1000 Grad. Für einen Brand benötigte der Ziegler rund 30 Kubikmeter Holz. [32]


Personen

Der «Binzmühle-Heiland»

Jakob (1882–1971) ist der zweite Sohn von Martin und Rosina Lörch. Er wird am 7. Dezember 1882 geboren. [33] 1924 lässt sich Jakob in der Binzmüli bei Rotkreuz nieder und lebt als Antiquitätensammler: «Würdevollen Schrittes, oft einen Zweiräder-Handwagen vor sich herschiebend, begegnete den Rotkreuzern der Binzmühle-Heiland mit seinem schulterlangen weissen Haar und einem wohlgepflegten langen Bart. Er war ledig, hiess mit dem bürgerlichen Namen Jakob Lörch, kaufte, erneuerte und verkaufte Antiquitäten und bewohnte seine Wohnung in der Binzmühle, deren Eingang mit römischen oder griechischen Säulen nicht zu übersehen war.» [34]

Josef Flüeler – der letzte Zieglerbub

1504100 Josef Flüeler letzter Ziegelbub, Thuner Tagblatt, 17.03.83.jpg

Thuner Tagblatt, 17.03.1983

Stiftung Ziegelei-Museum

Präsidenten

Alfred Müller, Baar 1982–1992
Anton Scherer, Rotkreuz 1992–2003
Urs Perner, Baar 2003–2019
Stefan Hochuli, Hünenberg See ab 2021

Wissenschaftliche Leitung

Jürg Goll 1985–2013

Museumsleitung

Jürg Goll 2013–2022
Ute W. Gottschall ab 2023


Würdigung

Dr. Josef Grünenfelder, kantonaler Denkmalpfleger (1975): «Es gehört zu den Eigenheiten solch technischer Anlagen, dass an ihnen nicht Geschnitztes oder Gemaltes ist: Sie sind funktionelle, aus dem Bedürfnis geborene Bauten, mit einfachsten Mitteln hergestellt, und trotzdem gut proportioniert, ähnlich wie die Bauernhäuser und ihre Nebengebäude [...] Die äusserlich so bescheidene Ziegelhütte darf als einer der letzten Vertreter ihrer Art, und dank ihres ungestörten Erhaltungszustandes, eine [...] über die Grenzen des Kantons Zug hinausgehende Bedeutung beanspruchen.» [35]


Fotogalerie

Bilder der Ziegelhütte Meienberg vor der Sanierung, 1981


Der Link zum Museum

Ziegeleimuseum Meienberg


Filmdokumente

Umwandlung der Ziegelei in ein Ziegeleimuseum 1983

Beitrag in der Sendung «DRS Aktuell», Schweizer Fernsehen, 17.02.1983

Das Ziegelei-Museum 2017

Aufnahmen beim und über dem Ziegelei-Museum, Winter 2017

Porträt Ziegelei-Museum 2018

Kurzporträt des Ziegelei-Museums, als Beispiel für ein Projekt des Lotteriefonds des Kantons Zug, 2018

Eröffnung Ofenturm 2021

Eröffnung Ofenturm mit Vertretern des Kantons Zug und der Gemeinde Cham, April 2021


Aktueller Kartenausschnitt

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Einzelnachweise

  1. Meyer, Klaus, Die Zieglerfamilie Lörch in Meienberg, in: 22. Bericht der Stiftung Ziegelei-Museum, 2005, S. 5–17, hier S. 5f.
  2. Neue Zuger Zeitung, 03.10.1874
  3. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band (Schatzung vom 29.12.1879). Grünenfelder, Josef, Die Kunstdenkmäler des Kantons Zug, Neue Ausgabe, Bd. 2, Die ehemaligen Vogteien der Stadt Zug, Bern 2006, S. 274. Ab 1880 lautet die neue Adressbezeichnung der Lörchs einfach «Wald», vgl. Neue Zuger Zeitung, 05.06.1880
  4. Vgl. Anmerkung 1 (Meyer), S. 6
  5. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  6. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  7. Vgl. Anmerkung 1 (Meyer), S. 7
  8. Vgl. Anmerkung 2 (Grünenfelder), S. 275
  9. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band (Schatzung Oktober 1899)
  10. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  11. Vgl. Anmerkung 1 (Meyer), S. 10
  12. Vgl. Anmerkung 2 (Grünenfelder), S. 274
  13. Staatsarchiv Zug, G 617.6.5, Assekuranzregister Cham, 3. Generation (1929–1960), 2. Band
  14. Vgl. Anmerkung 1 (Meyer), S. 10
  15. Staatsarchiv Zug, G 617.6.5, Assekuranzregister Cham, 3. Generation (1929–1960), 2. Band
  16. 1. Jahresbericht der Stiftung Ziegelei Museum Cham, 1982/1983, S. 5. Stähli, Josef, Chronik des Ziegelei-Museums Cham, in: 30. Bericht der Stiftung Ziegelei-Museum, 2013, S. 27–31
  17. Hochuli, Stefan, Neues Baudenkmal für das Ziegeleimuseum Hagendorn: Ofenturm aus Stampflehm, in: Tugium 37, 2021, S. 24f.
  18. 1. Jahresbericht der Stiftung Ziegelei Museum Cham, 1982/1983, S. 6. Grünenfelder, Josef, Amt für Denkmalpflege, Tätigkeitsbericht 1974–1983, in: Tugium 1, 1985, S. 18
  19. Staatsarchiv Zug, G 617.6.9, Assekuranzregister Cham, 4. Generation (1961–1990), 4. Band
  20. 1. Jahresbericht der Stiftung Ziegelei Museum Cham, 1982/1983, S. 8
  21. Zuger Nachrichten, 12.03.1982. Staatsarchiv Zug, G 617.6.7, Assekuranzregister Cham, 4. Generation (1960–1990), 2. Band
  22. Staatsarchiv Zug, G 617.6.9, Assekuranzregister Cham, 4. Generation (1961–1990), 4. Band
  23. 1. Jahresbericht der Stiftung Ziegelei Museum Cham, 1982/1983, S. 9f.
  24. Ziegeleimuseum Meienberg, www.ziegelei-museum.ch [Stand: 06.08.2023]
  25. Ziegeleimuseum Meienberg, www.ziegelei-museum.ch [Stand: 13.03.2019]
  26. Furrer, Roger, Bauen in natur- und denkmalgeschützter Umgebung - eine Herausforderung, in: 30. Bericht der Stiftung Ziegelei-Museum, 2013, S. 41–44
  27. Ziegeleimuseum Meienberg, www.ziegelei-museum.ch [Stand: 13.03.2019]
  28. Medienmitteilung der zuwebe, 30.03.2015
  29. Ziegeleimuseum Meienberg, www.ziegelei-museum.ch [Stand: 17.10.2019]
  30. Vgl. Anmerkung 17 (Hochuli), S. 24f. Zuger Woche, 18.03.2020
  31. Amt für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Zug, Verzeichnis der geschützten Denkmäler der Gemeinde Cham, Grundstücknummern 1946 und 3201 [Stand: 03.01.2024]
  32. Ziegeleimuseum Meienberg, www.ziegelei-museum.ch [Stand: 13.03.2019]
  33. Neue Zuger Zeitung, 24.01.1883
  34. Erinnerungen aus der Jugendzeit von Josef Niederberger, 1917–2002, überlassen durch Richard Hediger, Rotkreuz, www.risch-rotkreuz.ch [Stand: 17.10.2019]. Zu Jakob Lörch vgl. Hediger, Richard, Rotkreuz, wie es fast niemand mehr kennt, Rotkreuz 2018, S. 235–237
  35. Ziegeleimuseum Meienberg, www.ziegelei-museum.ch [Stand: 15.08.2023]