Sonne

Aus Chamapedia

Aus der Blütezeit der «Sonne»: Verena Bisang-Balmer (1874–1957), genannt «Sonne-Vre», vor dem Eingang der Wirtschaft. Für ein Erinnerungsfoto durfte das Auto selbstverständlich belagert werden. An der linken Hauswand erkennt man das Schild «Coiffeur»
Die «Sonne» mit der Lorzenbrücke, undatiert (vor 1960)
Restaurant Sonne, Westansicht, 23.10.2018
Die «Sonne», von Osten her gesehen, 18.11.2019
Bar, Restaurant …
… und Biergarten
Wer Hagendorn durchwandert, sollte in der «Sonne» einkehren
Raphaela Bind zeigt auf die Schalttafel für die Restaurantbeleuchtung

Die Gastwirtschaft in Hagendorn bestand schon 1881, als der Weiler stark wuchs. Aufsehenerregend war das Gasthaus in der Zeit, als die legendäre Verena Bisang-Balmer die «Sonne» führte und sogar Affen im Garten hielt, sehr zur Freude der Kinder von nah und fern.


Chronologie

1881 Die Brüder Balthasar und Niklaus Fähndrich erbauen die Liegenschaft Sonne (Ass.-Nr. 233a) in Hagendorn. [1] Der Ort im unteren Lorzental wächst stark. Die Spinnerei ermöglicht den Neuzuzügern einen Verdienst.

1882 Innerhalb von kurzer Zeit gibt es zwei Handwechsel: Zuerst kauft Oswald Henggeler die «Sonne», dann Jakob Schürmann von Neuenkirch LU (gest. 1887). [2] In der Sonne wird der Arbeiterschaft aus der nahen Fabrik auch etwas geboten: Am 31. Januar findet bei Wirt Schürmann im «neu erbauten Tanzsaale» ein Maskenball statt, [3] am 2. Juli lädt «die Gesellschaft» zum Theater. Aufgeführt wird «Ueber’m Ozean» oder «Schwyzer Alpenrösli» («vaterländisches Charaktergemälde mit bengalischer Beleuchtung und Gesang in 2 Akten»). [4] Die Maskenbälle werden in den nachfolgenden Jahren in der Fasnachtszeit immer wieder durchgeführt.

1886 Johann Jenni (Jenny) erhält das Patent für die Taverne zur Sonne. [5] Am 14. November feiert er die Neueröffnung. [6]

1888 Jetzt erwirbt eine Frau die Wirtschaft, nämlich Anna Metz. [7]

1890/1891 Schlosser Oswald Henggeler erhält das Wirtepatent für die Sonne. [8] Im Januar 1891 kauft Maurermeister Balthasar (Balz) Fähndrich das Gasthaus. [9] Am 25. Januar wird die Neueröffnung gefeiert. [10]

1895 Fähndrich reicht erneut das Gesuch für ein Wirtepatent in der «Sonne» ein – er ist jetzt 42-jährig. [11]

1899 Fähndrich verkauft die Liegenschaft an Jakob Köpfli (1876–1945) von Inwil LU. [12]

1900 Köpfli geht konkurs. Seine Einrichtungsgegenstände – u.a. ein «Musikautomat» und «1 Kegelries samt Kugeln» – werden öffentlich versteigert. [13] Ferdinand Bisang-Balmer (1867–1929), Landarbeiter von Nebikon LU, ersteigert die «Sonne» und stellt das Gesuch für das Wirtepatent. [14]

1902 Verena Bisang-Balmer (1874–1957), genannt «Sonne-Vre» ist nun Eigentümerin der «Sonne» und nicht ihr Mann, wie dies oft der Fall war. [15] In einem Raum neben der Wirtsstube schneidet Verena Bisang-Balmer auch Haare und Bärte. [16] Im Garten hält sie einen Kleintierzoo: mit prächtigen Vögeln, darunter einem sprechenden Papagei, aber auch mit Affen; der eine hiess Peterli, der andere Motz. «Sonne-Vre war vernarrt in Tiere und liess auch die Umwelt daran Freude haben.» [17] Zudem führt sie in der «Sonne» eine Art Krämerladen für Männer: Sie verkauft vom Kragenknöpfchen bis zum Sockenhalter alles, was Männerherzen begehren. «Nicht selten drehte sie den Kunden während des Haarschneidens oder Rasierens Kleider oder Übergewänder an.» [18]

1905/1906 Auf dem Grundstück entstehen eine Scheune (Ass.-Nr. 233b) und eine Kegelbahn (Ass.-Nr. 233c). [19]

1923 Die Wirtin Verena Bisang baut das Haus aus und verbessert den baulichen Zustand.

1929 Verena Bisangs Ehegatte Ferdinand stirbt am 31. Januar. Verena Bisang-Balmer führt das Restaurant alleine weiter. Sie ist auch eine der ersten Frauen im Kanton Zug, die selber ein Automobil hat und es fahren kann. [20]

1932 Verena Bisang-Balmer nennt sich selber «Coiffeuse» und verlangt vom Chamer Gemeinderat, dass ihr Geschäft nicht der Ladenschlussordnung unterliegt. Im Klartext: Sie will abends und an Wochenenden so lange Haareschneiden, wie die Wirtsstube offen ist. [21]

1939 Verena Bisang-Balmer verkauft die Liegenschaft ihrem Schwiegersohn Wilhelm Pfister-Bisang (1907–1952). [22]

1952 Nach dem Tod von Wilhelm erhält Olga Pfister-Bisang (1914–1959) das Haus. Aus der Kegelbahn wird eine gedeckte Gartenhalle. [23]

1957 Verena Bisang-Balmer stirbt am 9. Oktober im Alter von 82 Jahren. [24] Verenas Tochter Olga Pfister-Bisang übernimmt nun auch die Gastwirtschaft. [25]

1959 Olga Pfister-Bisang stirbt am 29. September. An ihrer Stelle führt ihr Sohn die «Sonne» weiter: Rudolf Pfister (*1935), Coiffeur und Wirt, verheiratet mit Erika Pfister-Näff (1942–2020). [26]

1966 Erwin Nussbaum-Henggeler (*1934), Schlosser von Beruf, verheiratet mit Maria-Luise, wirtet per 28. Juli in der «Sonne». [27]

1970 Josef Hodel (*1928), Techniker, verheiratet mit Anna Stadelmann, führt jetzt die Gastwirtschaft in Hagendorn. [28]

1972 Das Ökonomiegebäude und die gedeckte Gartenhalle werden abgetragen. [29]

1976 Margrit Streuli-Schönbächler (*1937), Mutter von vier Kindern, übernimmt den Betrieb der «Sonne» am 1. Mai. [30]

1994 Ihr Sohn Paul Streuli (*1964), gelernter Koch aus Horgen ZH, erwirbt das Patent bis 1998. [31]

2014 Raphaela Bind, zuvor elf Jahre Wirtin im Restaurant «Rebstock», übernimmt das Restaurant Sonne. [32] Das Lokal ist unter der Woche jeden Tag geöffnet. Am Wochenende öffnet die «Sonne» erst ab 15 Personen ihre Türen. Die dreigängigen Mittagsmenus gibt’s ab 15.50 Franken. Am Abend wird gutbürgerliche Küche serviert: Cordon bleu, Kutteln, Leberli oder Fleisch auf einem heissen Stein. [33]

2021 Raphaela Bind stellt den Betrieb in der «Sonne» auf Ende September ein. [34] Doch sie ist nicht die letzte Hagendorner Wirtin: Die 64-jährige Susanne Herrmann wird die neue Pächterin. Sie will eine «gelebte Stammtischkultur» erhalten. [35]


Personen


Einzelnachweise

  1. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  2. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  3. Zuger Volksblatt, 28.01.1882
  4. Zuger Volksblatt, 01.07.1882
  5. Neue Zuger Zeitung, 06.11.1886
  6. Amtsblatt für den Kanton Zug 1886, Nr. 46, 13.11.1886
  7. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  8. Zuger Volksblatt, 14.05.1890
  9. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band. Zuger Nachrichten, 14.01.1891
  10. Zuger Volksblatt, 24.01.1891
  11. Staatsarchiv Zug, CD 27, Wirtepatente 1892–1918, Mappe Sonne, Gesuch vom Juni 1895
  12. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band. Staatsarchiv Zug, CD 27, Wirtepatente 1892–1918, Mappe Sonne, Gesuch vom 11.11.1899
  13. Zuger Nachrichten, 20.12.1900
  14. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band. Staatsarchiv Zug, CD 27, Wirtepatente 1892–1918, Mappe Sonne, Gesuch vom 06.12.1900
  15. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  16. Freundliche Mitteilung von Vreni Trochsler-Pfister, der Enkelin von Verena Bisang-Balmer, 29.01.2021
  17. Steiner, Adolf A., Sonne-Vre – Barbierin, Krämerin und Wirtin, in: Zuger Kalender 1989, S. 62
  18. Vgl. Anmerkung 17 (Steiner), S. 62
  19. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  20. Vgl. Anmerkung 17 (Steiner), S. 62f.
  21. Einwohnergemeindearchiv Cham, C1-50008
  22. Staatsarchiv Zug, G 617.6.5, Assekuranzregister Cham, 3. Generation (1929–1960), 2. Band
  23. Staatsarchiv Zug, G 617.6.5, Assekuranzregister Cham, 3. Generation (1929–1960), 2. Band
  24. Zugersee-Zeitung, 15.11.1957
  25. Staatsarchiv Zug, G 468, Wirtepatente, Mappe Sonne, Gesuch vom 11.08.1957
  26. Staatsarchiv Zug, G 468, Wirtepatente, Mappe Sonne, Gesuch vom 25.04.1962
  27. Staatsarchiv Zug, G 468, Wirtepatente, Mappe Sonne, Gesuch vom 07.07.1966
  28. Staatsarchiv Zug, G 468, Wirtepatente, Mappe Sonne, Gesuch vom 18.10.1970
  29. Staatsarchiv Zug, G 617.6.7, Assekuranzregister Cham, 4. Generation (1960–1990), 2. Band
  30. Staatsarchiv Zug, G 468, Wirtepatente, Mappe Sonne, Gesuch vom 10.04.1976. Die Liegenschaft gehört der Stremag. Staatsarchiv Zug, G 617.6.7, Assekuranzregister Cham, 4. Generation (1960–1990), 2. Band
  31. Staatsarchiv Zug, G 468, Wirtepatente, Mappe Sonne, Gesuch vom 23.03.1994
  32. Zuger Zeitung, 08.04.2021
  33. Zuger Zeitung, 08.04.2021
  34. Zuger Zeitung, 08.04.2021
  35. Zuger Zeitung, 30.10.2021. www.zentralplus.ch [News- und Community-Plattform für Luzern und Zug], 19.02.2022