Pfarrkirche St. Jakob: die Vorgängerkirchen (Anfänge bis 1782)

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Erste Hinweise auf eine Kirche in Cham finden sich im 7./8. Jahrhundert. Gesicherte Erkenntnisse stammen aus dem Hochmittelalter, als die Chamer Kirche das Zentrum einer Grosspfarrei war. Im 18. Jahrhundert bitten die Chamer und Hünenberger den Zuger Stadtrat mehrmals um einen Neubau oder eine Erweiterung, finden aber vorerst kein Gehör.

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Cham mit der ersten Pfarrkirche und St. Andreas. Originalgemälde von unbekanntem Maler des 18. Jahrhunderts.


Chronologie

7. oder 8. Jahrhundert (?) Mit Schriftquellen oder archäologischen Befunden lassen sich keine Ausgaben über das Alter und den genauen Standort der ersten Kirche(n) machen. Das Alter des Ortsnamens Cham und das Patrozinium des Apostels Jakobus des Älteren (gest. um 44 n. Chr.) können Hinweise auf einen ersten Kirchenbau im Frühmittelalter sein.

858 Ludwig II. der Deutsche (um 806–876), von 843 bis 876 König des Ostfrankenreichs, schenkt dem von ihm 853 gegründeten Zürcher Fraumünsterstift, dessen erste Äbtissin seine Tochter Hildegard war, den Königshof von Cham. Zu dieser Schenkung gehört auch eine Kirche. Die Schenkungsurkunde erwähnt mehrere Kirchen. [1] Bis 1244 bleibt das so genannte (Patronatsrecht), welches das Pfarrwahlrecht und die Verfügungsgewalt über das Kirchengut umfasst, bei der Fraumünsterabtei.

12. und 13. Jahrhundert Im Hochmittelalter ist die Chamer Kirche das Zentrum einer Grosspfarrei. Deren Einzugsgebiet reicht über die heutigen Kantonsgrenzen hinaus, vom heute zürcherischen Gebiet im Norden bis nach Meierskappel LU im Süden. [2] Gemäss der neueren Forschung bildet sich die Pfarrei eher zufällig und festigt sich durch persönliche Beziehungen: Die seelsorgerischen Bedürfnisse der Gläubigen verbindet sie mit «ihrer» Kirche und «ihrem» Priester, auch wenn sie dafür lange Fussmärsche in Kauf nehmen müssen. [3]

Im Verlauf des 13. Jahrhunderts führen Veränderungen in der Herrschafts- und Wirtschaftsorganisation auch im Ennetsee zu einem «Verdorfungsprozess», d.h. die Siedlungen im Kirchbüel, in St. Andreas, in Enikon, in Linden- und in Friesencham, in Rumentikon, in Bibersee und in Hünenberg bilden sich zusammenhängende Dorffluren mit klaren Grenzen aus. Von diesen territorialen Einheiten – den Zehntbezirken – wird nun auch der Zehnt erhoben. Gemeinsam ist aber allen «Dörflern» rund um Cham die Zugehörigkeit zur Pfarrei und zur Kirche St. Jakob. Sie sind in eine dörfliche Nutzungsgenossenschaft, aber eben auch in eine übergeordnete Kirchgenossenschaft eingebunden. [4]

1219 Am 6. Januar wird in einer Urkunde mit Rudolf ein Leutpriester (d.h. ein Priester, der die Seelsorge an einer Kirche mit pfarrlichen Rechten tatsächlich ausübt) von Cham erwähnt («Rudolfus plebanus de chamo»). [5] Damit ist erstmals eine Kirche am heute «Kirchbüel» genannten Standort zumindest indirekt in einer Schriftquelle belegt. [6]

1235 Die Chamer Kirche wird erstmals in einer Urkunde direkt überliefert. [7]

1244 Nach fast vier Jahrhunderten wechseln die Rechte an der Chamer Kirche wieder den Besitzer: Die Äbtissin Judenta von Hagenbuch (gest. 1254) vom Zürcher Fraumünster gibt das Patronatsrecht tauschweise an Heinrich von Tanne (um 1190–1248), Bischof von Konstanz. [8]

1271 Wieder in einem Tauschgeschäft geht das Patronatsrecht vom Konstanzer Bischof Eberhard von Waldburg (gest. 1274) an die Propstei und das Kapitel am Zürcher Grossmünster. [9]


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Belagerung der Burg St. Andreas 1385, im Hintergrund die alte, mit einer Mauer umfriedete Pfarrkirche St. Jakob; Entwurf eines Scheiben-Oberbildes, undatiert (um 1630–1650)


1477 Jakob von Cham (hier ist nicht der Ort Cham gemeint, die «von Cham» sind im Spätmittelalter eine bedeutende Stadtzürcher Familie), Propst am Grossmünster, verkauft das Patronatsrecht an die Stadt Zug. Dazu gehören nun auch die Kaplanei von St. Andreas, die Kapelle von St. Wolfgang, die Kirche von Meierskappel sowie Zehntrechte in Hünenberg, Linden- und Friesencham, Bibersee, Niederwil und Rumentik. [10] Die Pfarrer von Cham und die Hilfsgeistlichen in den Kaplaneien von St. Andreas, St. Wolfgang und Niederwil werden von der Stadtzuger Bürgerschaft gewählt und stammen bis ins 19. Jahrhundert auch mehrheitlich aus der Stadt Zug.

1497 Das Altarhaus und vermutlich auch das Schiff der (1784 dann abgebrochenen) alten Pfarrkirche dürften zumindest teilweise im 13. oder 14. Jahrhundert erbaut worden sein. Im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts kommt mit den Erfolgen in den Burgunderkriegen und auf anderen Feldzügen viel Beute und Geld in die Eidgenossenschaft. Auch im Stand Zug wird einiges davon in den Kirchenbau investiert: In der Stadt Zug, aber auch im Ennetsee, etwa die von 1473 bis 1475 erbaute Kapelle von St. Wolfgang oder die 1486 bis 1488 neu erbaute Kapelle von St. Andreas. Und 1497 ist man auf dem Kirchbüel mit dem Neubau des Turms und weiterer Kirchenteile beschäftigt. [11]

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«Vue du Chateau de Saint André, sur le lac du Zoug», kolorierter Stich von Perignan, 1780: Rechts die Kapelle St. Andreas, links und in der Vergrösserung die «alte Kirche mit dem alten Kirchturm»


1500 Am 14. Dezember wird die Pfarrkirche samt Friedhof und Beinhaus vom Konstanzer Weihbischof Balthasar Brennwald (gest. 1517) neu geweiht. [12] Das Weihegedächtnis soll am Tag des Apostels Jakob, also jeweils am 26. Juli, begangen werden. Der Weihbischof gewährt je einen 40-tägigen Ablass für alle Chamer Schutzheiligen und für den Tag des Weihegedächtnisses. Die geostete Kirche, sie stand an der Südseite des heute noch bestehenden Turms, bietet etwa Platz für 650 Personen. [13]

1538 Der Zuger Stadtrat schenkt den Chamern aus den Mitteln von St. Wolfgang 3 Kronen an den Neubau der Empore («borkilchen»). [14]

1609 Offenbar ist das Kirchendach baufällig: Die Chamer Kirchgenossen erhalten vom Zuger Stadtrat Bauholz. [15]

1625 Der Zuger Stadtrat lässt auch den gegen die Lorze gerichteten Teil des Kirchendachs mit neuen Ziegeln decken. [16] Diese Verpflichtung hatte die Stadt bereits 1501 übernommen. [17]

1635 In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts entwickelt sich die Chamer Pfarrkirche zu einem regionalen Wallfahrtsort. Der ab 1635 in Schriftquellen nachgewiesene legendenhafte Bericht zum Bischof ohne Namen bringt der Kirche Aufmerksamkeit und wohl regen Besuch.

1657–1662 In der Kirche wird ein neuer Hochaltar errichtet. Den Aufbau macht Schreiner Franz Karl Twerenbold aus Rumentik. [18]

1750 Die Chamer Kirchgenossen möchten ihre Pfarrkirche erweitern und bitten den Zuger Stadtrat um eine Bewilligung. Ammann Johann Kaspar Luthiger (1710–1797) und weitere Abgeordnete sollen einen Augenschein vornehmen. [19] Die neue Kirche soll 15'000 Gulden kosten.

Wallfahrtsbildchen mit dem Bischof ohne Namen und der alten, 1783 abgebrochenen Pfarrkirche und dem ehemaligen, in die Friedhofmauer integrierten Beinhaus, 18. Jahrhundert

1755 Jakob Singer (1718–1788) aus Luzern, später der bedeutendste Kirchenbaumeister seiner Zeit in der Innerschweiz, präsentiert einen ersten Plan für ein neues Gotteshaus. Kirchmeier Johann Heinrich Baumgartner will sämtliche Kosten für den Kirchenbau übernehmen, falls das Fundament gelegt werde. Baumgartners Angebot wird ihm als «Ruhmsucht» ausgelegt. Die Angelegenheit ruht wieder für einige Jahre. [20]

1766 Pfarrer Franz Johann Landtwing (1707–1781), Säckelmeister Thomas Suter und Kirchenpfleger Ambros Baumgartner treten als Abgeordnete des Kirchgangs Cham vor den Zuger Stadtrat und bitten erneut darum, wegen Platzmangels («enge») die Pfarrkirche zu erweitern. Sie bitten auch um einen Unterstützungsbeitrag in Form von Geld oder Baumaterialien. Der Stadtrat erlaubt es den Chamern, bei Privaten um Spenden zu sammeln («steüren auffzunemmen»). Dann wolle man sich erneut mit der Angelegenheit beschäftigen. [21]

1770 Wieder nehmen die Chamer einen Anlauf. Der Zuger Stadtrat setzt eine rund 30-köpfige Kommission von Ratsherren ein, die Abklärungen zum Kirchenneubau oder -erweiterung an die Hand nimmt. Gleichzeitig sollen die Hünenberger abklären, wie viele Mittel sie für die Loslösung der Kirche St. Wolfgang von Cham und für die Errichtung einer neuen Pfarrei zusammenbringen können. [22] Die in der ganzen Eidgenossenschaft herrschende Hungersnot und die Teuerung machen den Chamer Kirchenbauplänen aber wieder einen Strich durch die Rechnung. Der Stadtrat will die Kirche nicht neu bauen, sondern nur vergrössern. [23] Der Chamer Kirchmeier muss von allen, die bereit sind, etwas an die Erweiterung beizutragen, ein Verzeichnis aufnehmen. [24]


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→ weiter in der Geschichte der Pfarrkirche St. Jakob: Neubau der Pfarrkirche, 1783 bis 1806


Einzelnachweise

  1. Grünenfelder, Josef, Die Pfarrkirche St. Jakob in Cham am Zugersee, Bern 2010, S. 2
  2. Vgl. Anmerkung 1 (Grünenfelder), S. 3
  3. Eggenberger, Peter / Glauser, Thomas / Hofmann, Toni, Mittelalterliche Kirchen und die Entstehung der Pfarreien im Kanton Zug, Zug 2008 (Kunstgeschichte und Archäologie im Kanton Zug 5), S. 26
  4. Vgl. Anmerkung 3 (Eggenberger / Glauser / Hofmann), S. 27
  5. Quellenwerk zur Entstehung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Abteilung 1, Urkunden, Bd. 1, Nr. 262 (06.01.1219)
  6. Vgl. Anmerkung 3 (Eggenberger / Glauser / Hofmann), S. 171
  7. Quellenwerk zur Entstehung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Abteilung 1, Urkunden, Bd. 1, Nr. 366 (16.01.1235)
  8. Quellenwerk zur Entstehung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Abteilung 1, Urkunden, Bd. 1, Nr. 475 (19.06.1244)
  9. Quellenwerk zur Entstehung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Abteilung 1, Urkunden, Bd. 1, Nr. 1070 (21.12.1271)
  10. 1514 kommt noch die Kirche von Niederwil dazu. Urkundenbuch von Stadt und Amt Zug vom Eintritt in den Bund bis zum Ausgang des Mittelalters 1352–1528, 2 Bde., Zug 1952–1964. UBZG I, Nr. 1215 (23.08.1477)
  11. Urkundenbuch von Stadt und Amt Zug vom Eintritt in den Bund bis zum Ausgang des Mittelalters 1352–1528, 2 Bde., Zug 1952–1964. UBZG II, Nr. 1684 (10.02.1497). Vgl. Anmerkung 3 (Eggenberger / Glauser / Hofmann), S. 174–176
  12. Urkundenbuch von Stadt und Amt Zug vom Eintritt in den Bund bis zum Ausgang des Mittelalters 1352–1528, 2 Bde., Zug 1952–1964. UBZG II, Nr. 1770 (14.12.1500)
  13. Grünenfelder, Josef, Die Kunstdenkmäler des Kantons Zug, Neue Ausgabe, Bd. 2, Die ehemaligen Vogteien der Stadt Zug, Bern 2006, S. 72
  14. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.0.289, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1471–1623, fol. 67v (undatiert; wohl 1538)
  15. Bürgerarchiv Zug, A 39.4.7.224, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1586–1612, fol. 24r (07.02.1609); A 39.4.7.248, fol. 26r (28.02.1609)
  16. Bürgerarchiv Zug, A 39.27.0.728, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1624–1626, fol. 55r (08.11.1625)
  17. Vgl. Anmerkung 13 (Grünenfelder), S. 72
  18. Vgl. Anmerkung 13 (Grünenfelder), S. 72
  19. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.28.2269, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1746–1750, fol. 242v (12.09.1750)
  20. Vgl. Anmerkung 1 (Grünenfelder), S. 4
  21. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.31.2753, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1761–1768, fol. 270v (28.06.1766)
  22. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.32.1091, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1768–1772, S. 181 (10.03.1770)
  23. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.32.1142, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1768–1772, S. 187 (11.04.1770); A 39.26.32.1174, S. 191 (05.05.1770)
  24. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.32.1409, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1768–1772, S. 223 (03.11.1770)