Gretener, Wagnerei

Aus Chamapedia

Ältere Aufnahme der Liegenschaft Niederwil 20 (undatiert)
Frontansicht von Wohnhaus und Schreinerei, 05.08.2012
Nordseite, mit dem Eingang in die Schreinerei im Vordergrund, 05.08.2012
Niederwil 20, 02.12.2012
Niederwil 20, Südansicht
Schild an der Hausfassade, 01.03.2020
Brunnen vor dem Haus, 01.03.2020

Nach einem Brand entstand 1847 die Liegenschaft mit der Wagnerei-Werkstatt. Hier liessen Durchreisende und die Bauern der Umgebung ihre Wagnerarbeiten ausführen. Doch das reicht finanziell nicht: Damit ein Auskommen möglich war, betätigten sich die Niederwiler Wagner auch als Obstbauern und Holzlieferanten. Die Liegenschaft trägt heute die Adresse «Niederwil 20».


Chronologie

1847 Das Haus und die Scheune von Wagner Balz Gretener brennen am 16. September morgens um drei Uhr ab. Neben 500 Garben zerstört der Brand auch eine grosse Menge Wagnerholz, weil es an Wasser und Löschgeräten mangelt. [1]

1849 Zwei Jahre nach dem verheerenden Brand erhält Wagner Gretener 4581 Franken und 40 Rappen Brandentschädigung. [2]

1850 Bei der eidgenössischen Volkszählung wohnt Wagner Balthasar Gretener mit seiner Frau Marianna, mit vier Kindern und fünf Angestellten in der Liegenschaft. [3]

1868 Wagner Gretener tut sich mit der Herstellung von Spezialpflügen hervor, er fertigt «Wende- und Häufelpflüge nach neuester Konstruktion», auch seien bei ihm «die Wägis zu diesen Pflügen» zu haben. [4] Zudem erfindet und fertigt er eine «verbesserte Bürstensäemaschine». Diese eigne sich «sowohl für Korn als für Weizen; man kann beliebig dicker oder dünner säen. Eine hebelartige Verlängerung der Deichsel nach hinten ermöglicht eine vollkommen genaue Leitung der Maschine. Sehr solid und leicht zu kontrolliren, schöpft sie immer gleichviel Samen, ob bergauf oder abwärts gefahren werde, was bekanntlich bei Maschinen die Löffelsystem nicht der Fall ist. Preis 280–300 Fr.» [5]

1893 Die Familie Gretener verkauft auch Birnen und Mostäpfel in grossen Mengen. Per Inserat bietet sie «Thurgauer Mostbirnen» an: «Die sogenannten Kugel- und Guntiswilerbirne» verkauft Gretener «wagenweise oder per Kilogramm», zudem bietet er auch «schöne Mostäpfel» an. [6]

1928 Nicht weniger als 28 Bahnwagen voller Holz verkauft Gretener. [7]

1933 Neben der Wagnerei betreiben Wagner Jakob Gretener-Hug (1879–1961) und seine Frau Christina (1885–1969) einen kleinen Landwirtschaftsbetrieb mit acht Kühen. [8]

1951 Die Wagnerei Gretener stellt Wagnerprodukte für die Bauern der Umgebung her: Holzwagen, Brückenwagen, Abschlussgitter für Kuhställe, Räder oder Holzsilos. [9] Jakob Gretener-Bitschnau hat als Zweiter in Niederwil ein Auto. Er wird Präsident des Kirchenchors Niederwil. [10]

1961 Alt-Wagner Jakob Gretener-Hug stirbt am 1. März im Alter von 82 Jahren. Jakob Gretener junior (1925–2021) übernimmt die Liegenschaften von seinem Vater; sein Bruder Moritz (1907–1988) erhält Bargeld und ein Wohnrecht auf Lebzeit. Jakob kümmert sich um die Landwirtschaft, Moritz um die Wagnerei. [11] Jakob Gretener wird zudem Bürgerrat von Cham. [12] Überdies ist er Mitglied der Feuerwehr und wirkt dort als Zugführer der Feuerwehr des unteren Kreises. [13]

1988 Mit Moritz Gretener stirbt der letzte gelernte Wagner von Niederwil. Sein Bruder Jakob übernimmt als Ungelernter die Werkstatt; er versteht sich auf das Wagnerhandwerk dank «learning by doing». [14]

1990 Jakob Gretener tritt nach 29 Jahren aus dem Bürgerrat zurück. [15]

1991 Nach 40 (!) Jahren gibt Jakob Gretener das Präsidium des Kirchenchors an Dominik Schmid weiter.

1993 Nach einem starken Sturm vom 21. Juli 1992 ist der Schopf in einem schlechten Zustand. So entscheidet sich Jakob Gretener dazu, nicht einfach den Schopf instandzustellen, sondern gleich eine zweite Wohnung einzubauen. [16]


Über den Niederwiler Most

Jakob Gretener, genannt «Wagner-Köbi», war Bürgerrat, Präsident des Kirchenchors, Mitglied im Schützenverein, Theaterspieler und erzählt gern. 2013 meint er über den Niederwiler Most: «Rings um das Dorf stand früher Baum neben Baum, vor allem Birn- und Apfelbäume. Aus dem vielen Obst haben die Bauern Most gemacht. Man hat damals kaum Bier getrunken, sondern fast nur sauren Most und Schnaps! 30 Rappen kostete ein Möstli im Restaurant. Den Bauern ging es gut, die haben fast kein Geld ausgegeben. Der Verkauf von Most und Schnaps brachte viel Geld. Mein Vater hat nach Zug geliefert, in eine Wirtschaft am See.»

«Die händ e Siech voll bruucht»! Auch im Urnerland wurde Niederwiler Most getrunken, weil dort nicht genug Obst wuchs. Transportiert wurde der Most mit einem der ersten Lastwagen weitherum. Sein Besitzer war der Niederwiler Moritz Werder, der in Altdorf wohnte.» [17]


150410 Gretener Wagnerei Mostbirnen1893.png

Inserat für «Thurgauer Mostbirnen» in den Zuger Nachrichten, 1893


Personen

Fotogalerie

Blick in die Schreinerei der Wagnerei Gretener, 2012


Einzelnachweise

  1. Wochenblatt für die vier löblichen Kantone Ury, Schwytz, Unterwalden und Zug, 17.09.1847
  2. Zugerisches Kantonsblatt, 24.03.1849
  3. Volkszählung 1850, zit. n. Gattiker, Werner et al., Mauritius, Milch & Münsterkäse. 100 Jahre Milchgenossenschaft Niederwil-Cham, Schwyz 2013, S. 52
  4. Der Zugerbieter, 02.06.1868
  5. Der Zugerbieter, 10.11.1868
  6. Zuger Nachrichten, 09.09.1893 (Inserat)
  7. Vgl. Anmerkung 3 (Gattiker et al.), S. 112
  8. Vgl. Anmerkung 3 (Gattiker et al.), S. 113
  9. Schneider, Caroline, Chrummhölzler ein Leben lang, in: Schreiner-Zeitung, 28.06.2018
  10. Vgl. Anmerkung 3 (Gattiker et al.), S. 113
  11. Freundliche Mitteilung von Monika Hillebrandt-Gretener, Niederwil, 24.03.2020
  12. Staatsarchiv Zug, Zuger Personen- und Ämterverzeichnis [Stand: 01.03.2024]
  13. Freundliche Mitteilung von Monika Hillebrandt-Gretener, Niederwil, 24.03.2020
  14. Freundliche Mitteilung von Monika Hillebrandt-Gretener, Niederwil, 23.03.2020
  15. Staatsarchiv Zug, Zuger Personen- und Ämterverzeichnis [Stand: 01.03.2024]
  16. Freundliche Mitteilung von Monika Hillebrandt-Gretener, Niederwil, 24.03.2020
  17. Vgl. Anmerkung 3 (Gattiker et al.), S. 111