Frauentalstrasse 7, Badeanstalt Hagendorn

Aus Chamapedia

Gut zwanzig Jahre nach dem ersten Seebad im Zugersee erhält im Jahr 1908 auch Hagendorn ein Freibad – idyllisch im Gebiet «Paradies» an und in der Lorze gelegen. Im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts ist die Badeanstalt nicht mehr in Betrieb, unweit davon wird 2015 der Spielplatz «Lorzenparadies» eröffnet.


Chronologie

1899/1900 Seit 1887 gibt es in Cham am Zugersee ein Seebad. Nun möchte auch die Bevölkerung im nördlichen Gemeindegebiet eine Badeanstalt. Erste Vorstösse werden an die Gemeindeversammlung eingereicht. [1]

1901 Die Planungen konkretisieren sich: Papierfabrikant Carl Vogel (1850–1911) erteilt der Einwohnergemeinde Cham die Bewilligung, in Hagendorn eine Badeanstalt zu errichten: «Nur soll dieselbe nicht im Lorzenrank, wie von Jhnen projektiert, sondern ca. 100 Meter canalabwärts an der Grenze meines Besitztums errichtet werden». [2]

1907 Der Chamer Architekt Hans Miesch (1880–1941) präsentiert ein Bauprojekt, welches im Juli ausgesteckt wird. Carl Vogel teilt mit, dass die Einsprachefrist mit drei Tagen zu kurz bemessen sei. Das Projekt wird vorerst nicht realisiert. [3]

1908 Die Einwohnergemeinde kann in Hagendorn ein Stück Land von Josef Hausheer-Villiger erwerben. Im Februar reichen Architekt Miesch und weitere Bewerber ihre Offerten ein. Miesch verlangt 3000 Franken, reduziert dann auf 2700 Franken. Den Zuschlag erhalten am 9. März schliesslich die Gebrüder Arnet, Baumeister aus Root LU, für den Preis von 2450 Franken. Das Bad befindet sich «auf dem linken Ufer der Lorze beim Zusammenfluss mit dem Kanal», an einer Stelle, die «Paradies» genannt wird. [4] Es gibt eine Männer- und eine Frauenabteilung mit «Ankleidezellen» aus Holz und offenen, ungedeckten Bassins, die mit einer Scheidewand getrennt werden. Die ganze Konstruktion ruht auf Pfählen aus «gesundem und möglichst geradestämmigem Holz». [5]

Am 20. Mai melden die Gebrüder Arnet, dass sie am 17. Mai «mit grosser Mühe das Ausgraben und Bekiesen der beiden Bassins bei Badanstalt Hagendorn ... glücklich zur Vollendung bringen konnten.» Die Anlage erhält einen Anstrich mit Carbolin und eine Treppe für den Zustieg in die Lorze. [6]

1920er Jahre Die Badesaison in der Lorze dauert in der Regel (und ähnlich wie am Zugersee) von Mitte Mai/Anfang Juni bis Mitte September/Anfang Oktober. [7]

1928 Nach einer Intervention der einheimischen Lehrerschaft erlässt der Gemeinderat am 11. Juli eine Badeordnung. (vgl. unten)

1931 Auf dem Luftbild aus den frühen 1930er Jahren ist die Badeanstalt am Zusammenfluss von Lorze und Lorzenkanal gut erkennbar. [8]

1947 Die Badeanstalt in der Lorze wird am 3. Juni erneuert. Der Einwohnerrat erlässt ein neues Reglement und untersagt das Baden in der Lorze und im Lorzenkanal ausserhalb der Badeanstalt. Gebadet werden kann werktags von 07.00 Uhr bis 21.00 Uhr und an Sonntagen von 07.00 bis 19.00 Uhr, Jugendliche unter 14 Jahren nur bis 17.00 Uhr. Zu gewissen Zeiten von Montag bis Samstag ist die Badeanstalt nur für Mädchen und Knaben geöffnet. [9]

1954 Bartholomäus Huber-Elmiger (1910–1988) aus Hagendorn wird der neue Badmeister. [10]


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Die Badi Hagendorn im Januar 1990, mit einfacher Garderobe, ohne Spielplatz, 17.01.1990


1985 Werkmeister Josef Stähli (1922–2013) besichtigt am 23. Oktober mit einer Gruppe von Anwohnern die Liegenschaft Alte Badi. Man will diesen «sehr schön und ruhig gelegenen Platz durch gestalterische Massnahmen der Oeffentlichkeit, vor allem derjenigen von Hagendorn, in geeigneter Weise zur Verfügung stellen», allerdings nicht am Abend und in der Nacht. Die vorhandene Infrastruktur – Holzgarderobehäuschen und Dusche – ist nicht mehr in einem guten Zustand. Man prüft den Einbau einer Toilettenanlage ins ehemalige Garderobenhäuschen, das Aufstellen von Sitzbänken und Spielmöglichkeiten für Kinder. [11]

2015 Einige Meter lorzenaufwärts vom ehemaligen Badeplatz entfernt an der Frauentalstrasse wird der Spielplatz «Lorzenparadies» erneuert und eingeweiht. Für die Kinder stehen zum Klettern und Schaukeln neue Spielgeräte zu Verfügung und ein neu geschaffener Wasserzugang und Sitzgelegenheiten laden auch Erwachsene zum Verweilen ein. [12]

2024 Die Zuger Gesundheitsdirektion rät vom Baden beim Spielplatz Lorzenparadies ab. Die Badestelle liegt direkt unterhalb der Austrittsstelle für gereinigtes Abwasser der Abwasserreinigungsanlage (ARA) Schönau. Gerade nach Gewittern könnten sich krankheitserregende Bakterien im Wasser befinden. [13]


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Der Badeplatz an der Lorze bei Hagendorn, 06.09.2025


Unsittliche Zustände

Lehrer Xaver Graber (1888–1946) aus Hagendorn schreibt 1928 an den Gemeinderat, um «die Schuljugend von den sie sehr schädigenden Unsitten» zu behüten: «Es kommt hin und wieder vor, das badende Erwachsene (männliche Personen) in den Badehosen der Landstrasse Frauental-«Sonne» passieren, ferner, dass Frauen im Badekostüm unter Anwesenheit von schulpflichtigen Knaben sich ausserhalb der Badhütte aufhalten, dass von Schulentlassenen das Dach bestiegen wird, um Ziegel abzuheben zur Zeit, da Töchter badeten, die Trennungswand der beiden Abteilungen ist von Messern bearbeitet, durch Ritzen und Oeffnungen beschädigt, in den einzelnen Badkammern waren die Wände durch unflätige Sprüche verunziert, seitens des Gesuchstellers inzwischen ausradiert worden ... Ebenfalls wird gebadet von Personen beiderlei Geschlechtes bis in die tiefen Nachtstunden (bis abends ½ 10 Uhr).» Graber fordert u.a. ein Verbot des Betretens von öffentlichen Strassen im Badekostüm, eine Beschränkung der Badezeiten für die Schuljugend auf die Wochentage und getrennte Badezeiten für «Frauen und Töchter» sowie «Männer und Jünglinge».

Der Gemeinderat erlässt darauf eine Badeordnung:

Einwohnergemeinde Cham – Badanstalt Hagendorn

«Um die herrschenden Uebelstände bestmöglich zu heben, wird für die Badanstalt Hagendorn, nachstehendes Badreglement erlassen:

  1. Beschädigungen der Badanstalt, sowie das Betreten des Daches derselben ist untersagt.
  2. Im Badkostüm ist der Aufenthalt ausserhalb dem Wasser nur in nächster Nähe der Badanstalt gestattet.
  3. Die Badanstalt darf an Abenden nach der Tageshelle nicht mehr betreten werden.
  4. Die Badanstalt Hagendorn ist ausschliesslich für die Schuljugend reserviert je Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag & Freitag von 2 bis 5 Uhr.
  5. Jeder Badende hat sich den Anordnungen des Bademeisters genau zu unterziehen.
  6. Zuwiderhandelnde verfallen in eine Busse von Fr. 5 – 25.


Cham, den 11. Juli 1928. Der Einwohnerrat.» [14]


Die römische Mühle

Nahe beim Badeplatz fällt die Nachbildung einer römischen Mühle auf, deren Rad sich Tag und Nacht im Kreise bewegt.Im Jahr 1944 fand Michael Speck aus Zug bei einer Rettungsgrabung im Westteil von Hagendorn ungefähr 90 cm unter Terrain einen alten Seitenarm der Lorze. Darin kam römische Keramik des 1. und 2. Jahrhunderts nach Christus zum Vorschein. Dazu fanden sich mehrere Bruchstücke von Mühlsteinen, angekohlte Pfähle und Balken eines Gebäudes, rechteckige Brettchen und eine Nabe. Die Eichenhölzer liessen sich dendrochronologisch in die Zeit um 150 datieren. Die Funde wiesen auf eine Mühle hin. Aus ihnen liess sich drei Mühlenräder rekonstruieren. Ein Exemplar wurde an der Lorze aufgestellt, eines befindet sich im Museum für Urgeschichte in Zug.[15]

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Das Mühlerad beim Badeplatz in Hagendorn, 06.09.2025


Aktueller Kartenausschnitt

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Einzelnachweise

  1. Zuger Volksblatt, 02.03.1899. Zuger Volksblatt, 03.03.1900
  2. Einwohnergemeindearchiv Cham, Liegenschaften 16, Badanstalten 1901–1953
  3. Einwohnergemeindearchiv Cham, Liegenschaften 16, Badanstalten 1901–1953
  4. Dittli, Beat, Zuger Ortsnamen. Lexikon der Siedlungs-, Flur- und Gewässernamen im Kanton Zug. Lokalisierung, Deutung, Geschichten, Zug 2007, Bd. 3, S. 482
  5. Einwohnergemeindearchiv Cham, Liegenschaften 16, Badanstalten 1901–1953
  6. Einwohnergemeindearchiv Cham, Liegenschaften 16, Badanstalten 1901–1953
  7. Einwohnergemeindearchiv Cham, Liegenschaften 16, Badanstalten 1901–1953
  8. map.geo.admin.ch, Luftbild von 1931 [Stand: 11.10.2021]
  9. Einwohnergemeindearchiv Cham, Liegenschaften 16, Badanstalten 1901–1953 (03.06.1947)
  10. Einwohnergemeindearchiv Cham, Liegenschaften 16, Badanstalten 1901–1953
  11. Einwohnergemeindearchiv Cham, D1-53120
  12. Zuger Zeitung, 30.05.2015
  13. Medienmitteilung der kantonalen Gesundheitsdirektion, 14.05.2024
  14. Einwohnergemeindearchiv Cham, Liegenschaften 16, Badanstalten 1901–1953
  15. https://www.industriegeschichte-zug.ch/page/de/angdetail/140.die-roemische-muehle-in-hagendorn-cham, aufgerufen am 08.09.2025