Zweite Seeabsenkung (Lorzenabgrabung)

Aus Chamapedia

Bis vor wenigen Jahren kann sich die Wissenschaft nicht erklären, wie am Zugersee die Differenz zwischen der historischen Uferlinie vor der Ersten Seeabgrabung 1591/1592 und der heutigen Mittelwasserstandlinie von insgesamt fast drei Metern zustande gekommen ist. Der Chamer Historiker Dr. Peter Hoppe (*1946) weist 2013 nach akribischem Quellenstudium in den Zuger Stadtratsprotokollen nach, dass nach der ersten Seeabgrabung durch den Zuger Stadtbaumeister Jost Knopfli (1550/1552–1634) um etwa 1.70 Meter auf Anordnung des Zuger Stadtrates von 1629 bis 1638/1642 in der Lorze noch eine zweite, über zehn Jahre sich erstreckende Grabungskampagne durchgeführt wird.


Chronologie

1629 Die Quellenlage ist dürftig: ein eigentlicher Baubeginn oder ein Bautagebuch zur zweiten Lorzenabgrabung sind nicht überliefert. Im Mai entscheidet der Zuger Stadtrat, dass in der Lorze nicht mehr gegraben und nichts mehr unternommen werden soll, bis der Wasserspiegel im Zugersee sinkt. [1] Im Juli will der Stadtrat aufgegriffene Bettler aus Cham, Zug, Steinhausen und Gangolfswil (Risch) nach Cham «zum werch» (wohl zum Fronarbeiten in der Lorze) zwingen. Im August führen Lorzenbaumeister Lazarus Villiger und eine Delegation einen Augenschein durch. [2] In den Herbstmonaten wütet im ganzen Kanton die Pest. Die Bauarbeiten dürften zum Erliegen gekommen sein.

1630 Offenbar sind die Arbeiten an der Lorze nun im Gang. Es kommt aber immer wieder zu Streit. Der Lehenmüller Hans Bütler in der Obermühle fürchtet um sein Gewerbe. Auch die zu Frondiensten eingeteilten Untertanen der Vogtei Cham müssen vom Stadtrat ermahnt werden, damit die Männer und nicht die (körperlich schwächeren) «Wiber» zur Fronarbeit an der Lorze erscheinen. Städtische Bedienstete greifen an der Rischer Kirchweihe erneut Bettler auf, um sie zur Arbeit am Lorzenwerk anzuhalten. [3]

1631 Die Brücke über die Lorze oberhalb des Gasthauses Bären wird neu gebaut. Die Genossen im Städtli müssen dafür vier Eichen liefern. [4]

1632 Der Stadtrat befiehlt Lazarus Villiger und Statthalter Bengg, mit der Arbeit in der Lorze weiterzufahren. [5]

1633 Die Abgrabung stockt. Es mangelt an Sprengstoff. Die Stadt Zug liefert ein Fässlein Pulver. [6]

1634 In den 1630er Jahren taucht in Cham ein neuer Flurname in den Quellen auf: «seelant». Rudolf Villiger erhält vom Zuger Stadtrat Seeland zwischen der Landstrasse und Zugersee, weil er viel in der Lorze gearbeitet habe. [7]

1635 Die Arbeiten gehen weiter. An der Lorze betreibt ein Konsortium von St. Galler Kaufleuten auf der östlichen Flussseite (etwa beim heutigen Lorzenhof) eine Sensenhammerschmiede. [8] Die Kosten für die Seeabgrabung werden in der Konzessionsurkunde für die Sensenhammerschmiede ausdrücklich erwähnt. [9]

1636–1638 Während zwei Jahren werden die Bauarbeiten in der Lorze intensiviert. Man arbeitet mit unterschiedlicher Kadenz, bisweilen kommt es zu grossen Unterbrüchen. Meist sind es zwei- bis vierwöchige Grabungskampagnen. Zwischen sieben und 13 Personen stehen im Einsatz. Neben den zwei Lorzenbaumeistern sind es Steinmetze, Hammerschmiede und Taglöhner. Rischer und Chamer Vogteileute leisten einen Tag unbezahlten Frondienst. Der Werkzeugpark ist umfangreicher und differenzierter als bei der ersten Seeabgrabung: Neben Hauen, Spaten und Schaufeln werden mit Bohrern Sprenglöcher in grosse Steine und Felsen getrieben. Sprengstoffe kommen nun zum Einsatz, vor allem wieder im felsigen Untergrund unterhalb der alten Bärenbrücke bis zur Obermühle. Während dieser letzten grossen Kampagne wird noch einmal vielleicht ein Meter abgetragen. Die Kosten belaufen sich auf mehrere Tausend Gulden. In einer Abrechnung von 1637 ist sogar von der «gelt fressenden lortzen» die Rede. [10]

1639–1642 In den Stadtratsprotokollen finden sich noch Hinweise zu einzelnen Sprengungen. Eine breit angelegte Grabungskampagne scheint aber nicht mehr stattgefunden zu haben. Spätere Gewerbebetriebe wie die Papiermühle, eine mechanische Nagelschmiede und ein Kupferhammer werden weiter flussabwärts unterhalb der natürlichen Gefällestufe bei der Obermühle aufgebaut. [11]


Einzelnachweise

  1. Bürgerarchiv Zug, A 39.27.1.1316, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1627–1631, fol. 96r (19.05.1629)
  2. Bürgerarchiv Zug, A 39.27.1.1424, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1627–1631, fol. 103v (21.07.1629); A 39.27.1.1424, fol. 107r (25.08.1629). Hoppe, Peter, Die St. Galler Sensenhammerschmiede von 1635/36 in Cham und die zweite Absenkung des Zugersees. Ein bisher unbekanntes Stück Zuger Wirtschafts- und Wasserbaugeschichte mit konfessionellen Zwischentönen, in: Tugium 29, 2013, S. 83f.
  3. Vgl. Anmerkung 2 (Hoppe), S. 84
  4. Vgl. Anmerkung 2 (Hoppe), S. 84
  5. Bürgerarchiv Zug, A 39.27.2.613, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1631–1634, fol. 45v (30.05.1632)
  6. Vgl. Anmerkung 2 (Hoppe), S. 85
  7. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.1.1677, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1552–1649, fol. 195v (24.11.1634). Ab 1639 taucht der Begriff das Adjektiv «neu» auf. Das Adjektiv «neu» setzt zwingend altes und noch vorhandenes (und das heisst nach der Abgrabung von 1591/92 trocken gefallenes) Seeland voraus. Dittli, Beat, Zuger Ortsnamen. Lexikon der Siedlungs-, Flur- und Gewässernamen im Kanton Zug. Lokalisierung, Deutung, Geschichten, Bd. 3, Zug 2007, S. 418
  8. Bürgerarchiv Zug, A 39.4.12.22, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1635–1636, fol. 2r (22.08.1635)
  9. Vgl. Anmerkung 2 (Hoppe), S. 83
  10. Vgl. Anmerkung 2 (Hoppe), S. 86–88
  11. Vgl. Anmerkung 2 (Hoppe), S. 87–90