Zugerstrasse 64

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Die ansehnliche Liegenschaft atmet den Geist der Jahrhundertwende und liegt zwischen Bahnlinie und Zugerstrasse. Sie strahlt trotz der Nähe zur Hauptstrasse in ihrer historistischen Art eine gestalterische Kraft aus, die ihr schon Bauherr Ernst Christian Oelhafen verlieh und über die Zeit erhalten geblieben ist.

Das Haus Zugerstrasse 64 auf einer Luftaufnahme, 2006
Das Haus von Westen, 24.11.2018
Zugerstrasse 64 mit Anbau im Hintergrund, 24.11.2018
Caspar Thürig (1885–1957) in den 1930er Jahren mit Söhnen im Garten, im Hintergrund wird das Haus Blättler erstellt


Chronologie

1906 Bautechniker Ernst Christian Oelhafen (1848–1916) kauft das Land zwischen Bahnlinie und Kantonsstrasse von Paul Jans für 2800 Franken und erstellt darauf die Liegenschaft (Ass.-Nr. 302a) an der Zugerstrasse. [1] Architekt Oelhafen experimentiert beim Bau: Gestalterisch weist das Haus einen T-förmigen Grundriss auf; bautechnisch verwendet er unterschiedliche Materialien. [2] Das Haus weist zu Beginn eine Gasbeleuchtung auf, die wahrscheinlich vom Gasometer der Nestlé gespeist wird. Im selben Jahr wird ein Holzschopf gebaut (Ass.-Nr. 302b). [3]

1909 Hauseigentümer Ernst Oelhafen (der Sohn des obigen?) kauft von seinem Nachbarn im Westen, von Robert Bütler von der Villa Seematt, weitere 400 Quadratmeter Land zu einem Preis von 1600 Franken. [4]

1918 Ernst Oelhafen erwirbt nochmals von seinem Nachbarn Robert Bütler zusätzliche 1700 Quadratmeter Land, dafür bezahlt er 6000 Franken. [5]

1930 Ernst Oelhafens finanzielle Situation während der Weltwirtschaftskrise sieht schlecht aus. Deshalb verkauft er am 15. Februar die Liegenschaft Zugerstrasse 64 an Caspar Thürig (1885–1957), den ehemaligen Fabrikarbeiter und jetzigen Versicherungsvertreter, und seiner Frau Albertina Thürig-Schriber (1887–1943). [6] Das Haus hat mit dem Umschwung von 2200 m² gemäss einer unabhängigen Schatzung einen Boden- und Bauwert von 47'900 Franken und einen Ertragswert von 33'000 Franken. Thürig bezahlt schliesslich 43'500 Franken [7] und wohnt mit seiner Frau und den fünf Kindern im neuen Heim. [8]

1940 Die Liegenschaft Zugerstrasse 64 erhält einen Anschluss an die gemeindliche Kanalisation. Die Anschlussgebühr beträgt 277 Franken und 80 Rappen. [9]

1944 Hausbesitzer Caspar Thürig überschreibt die Liegenschaft am 10. Januar an seinen Sohn Johann, genannt Hans (1921–2005), der im gleichen Jahr Martha Keller (1921–2013) heiratet. Die Liegenschaft ist fortan ein Mehrgenerationenhaus. [10]

1957 Caspar Thürig stirbt am 12. Dezember im Alter von 72 Jahren. [11]

1960 Hans Thürig verkauft den westlichen Teil des Umschwungs, rund 1000 m². Mit dem Ertrag aus dem Landverkauf kann er unter anderen den Einbau einer Zentralheizung und einer elektrischen Waschmaschine finanzieren. [12] Auf dem Grundstück entsteht auch noch eine Garage (Ass.-Nr. 302c). [13]

2009 Von April bis August bauen Andreas Thürig und Marianne Iten Thürig das Haus um. Die Bauleitung hat Architekt Christoph Zihlmann (*1956) aus Zürich. Das Haus erhält einen Anbau und Sonnenkollektoren. Durch den Einbau von dreifach isolierten Fenstern kann der Aussenlärm von Bahn und Strasse eingedämmt werden. Die Nettogeschossfläche beträgt 216 m². [14]

2022 Auf dem Grundstück stehen drei Liegenschaften, umsäumt von einem grosszügigen Garten. [15]


Der Bauherr

Ernst Christian Oelhafen (1848–1916) stammt aus Aarau, war Ingenieur, Bautechniker und Architekt. Oelhafen verlässt 1889 Cham und wirkt zwischenzeitlich in Wohlen AG. [16] 1904 gründet er mit seinem Freund Hans Bally die Firma «Bally & Oelhafen», technisches Bureau und Maschinenfabrik in Zürich-Oerlikon. [17]


Kunsthistorische Beschreibung

«Durch T-förmigen Grundriss auf eine Vielzahl von Ansichtsseiten berechnetes Haus, das durch verschiedene Fensterformen, die seeseitige Veranda unter abgeschlepptem Dach und das Fachwerk unter den Krüppelwälmen malerisch aufgelockert wird.» [18]


Anekdote

Caspar Thürig hatte als Versicherungsvertreter relativ früh ein Telefon. Er war der Erste des östlichen Teils im Städtli-Quartier, der über einen eigenen Telefonanschluss verfügte. So riefen Leute im Hause Thürig an, wenn sie jemanden des Quartiers erreichen wollten. Caspars Sohn Hans verdiente sich ein Taschengeld damit, Nachbarn an das Telefon zu holen oder ihnen telefonisch deponierte Mitteilungen zu überbringen. [19]


Dokumente


Einzelnachweise

  1. Staatsarchiv Zug, G 617.6.3, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 2. Band. Privatarchiv Andreas Thürig, Cham Kaufvertrag vom 21.02.1906
  2. Freundliche Auskunft von Marianne Iten Thürig, Cham, 07.03.2018
  3. Staatsarchiv Zug, G 617.6.3, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 2. Band
  4. Privatarchiv Andreas Thürig, Cham, Kaufvertrag vom 18.02.1909
  5. Privatarchiv Andreas Thürig, Cham, Kaufvertrag vom 09.07.1918
  6. Staatsarchiv Zug, G 617.6.5, Assekuranzregister Cham, 3. Generation (1929–1960), 2. Band
  7. Privatarchiv Andreas Thürig, Cham, Kaufvertrag vom 15.02.1930
  8. Zugersee-Zeitung, 20.12.1957
  9. Privatarchiv Andreas Thürig, Cham, Vertrag mit der Einwohnergemeinde Cham vom 30.03.1940
  10. Staatsarchiv Zug, G 617.6.5, Assekuranzregister Cham, 3. Generation (1929–1960), 2. Band
  11. Zugersee-Zeitung, 20.12.1957
  12. Freundliche Auskunft von Andreas Thürig, Cham, 07.03.2018
  13. Staatsarchiv Zug, G 617.6.7, Assekuranzregister Cham, 4. Generation (1960–1990), 2. Band
  14. Untergeschoss: Atelier. Erdgeschoss: 2,5-Zimmer-Wohnung. 1. Obergeschoss/Dachgeschoss: 5,5-Zimmer-Wohnung. Neue Zürcher Zeitung, 16.05.2010
  15. www.zugmap.ch, Eintrag Grundstücknummer 328; Grundbuchfläche: 1121 m², Gebäude: 169 m², übrige befestigte Fläche: 14 m², Gartenanlage: 918 m² [Stand: 13.10.2022]
  16. Zuger Nachrichten, 10.10.1888
  17. Schweizerische Bauzeitung, 14.08.1909
  18. Grünenfelder, Josef, Die Kunstdenkmäler des Kantons Zug, Neue Ausgabe, Bd. 2, Die ehemaligen Vogteien der Stadt Zug, Bern 2006, S. 155
  19. Freundliche Auskunft von Andreas Thürig, Cham, 07.03.2018