Wirtschaft zur Milchsüdi

Aus Chamapedia

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Sie kamen von überall, die Bauern, und lieferten in Cham die Milch ab
Blick in die Produktion der Anglo-Swiss Condensed Milk Company
Das Wägen der frischen Milch und das Waschen der Gefässe
Das Gewerbehaus Lorze nach dem Umbau, die «Milchsüdi» links im Bild, 24.04.1994
Das Gebäude, in welchem sich die «Milchsüdi» befindet, 02.02.2018
«Milchsüdi geschlossen», das Mobiliar nach draussen gestellt, 24.02.2019

Amerikaner brachten die Technik der Kondensmilchherstellung und erstellten die erste Kondensmilchfabrik Europas hier in Cham – und legten damit dem Grundstein für die Nestlé. Am Ort der heutigen Gastwirtschaft Milchsüdi war einst die Milchannahmestelle. Fuhrwerke der Umgebung, aber auch aus dem Freiamt und Säuliamt brachten hier ihre Milchkannen hin.


Chronologie

1866 Amerikaner gründen die Anglo-Swiss Condensed Milk Company, die erste Kondensmilchfabrik Europas in Cham. Die Wahl fällt auf Cham, weil hier genügend Platz, ausreichend Milch, motivierte Arbeiter und ein Bahnanschluss in der Nähe vorhanden sind. Die haltbare Kondensmilch ist gegenüber der verderblichen Frischmilch im Vorteil; die Kondensmilch findet im Inland, vor allem aber im Ausland reissenden Absatz. [1]

1870 Bereits vier Jahre nach dem Firmenbeginn ist ein Neubau fällig. Die Anglo-Swiss platziert diesen direkt an der Lorze, versieht ihn gegen den Fabrikhof mit einem Vordach und einer Rampe, damit die Bauern die Milchkannen optimal anliefern können. [2]

1887 Die Milch von 8000 Kühen, was bis zu 60'000 Liter Milch bedeutet, wird Tag für Tag angeliefert. Die Anglo-Swiss stellt daraus rund 15 Millionen Büchen Kondensmilch pro Jahr her. Das bedeutet, dass unzählige Bauern zwischen Küssnacht am Rigi und dem Säuliamt, zwischen dem Lindenberg und dem Ägerital ihre Milch der Chamer Milchfabrik verkaufen. Täglich transportieren Fuhrwerke die frische Milch von den Bauernhöfen nach Cham. Auf ein durchschnittliches Fuhrwerk passen 80 Milchkannen à 30 Kilogramm, das macht pro Fuhrwerk eine Ladung von 2,4 Tonnen. Dementsprechend scheppern die Transporte der Milchkannen auf den damals einfach planierten Strassen in und nach Cham. [3]

1891 Eine weitere soziale Errungenschaft: Die Anglo-Swiss baut fabrikeigene Badeeinrichtungen für die Arbeiterschaft in der Liegenschaft Zugerstrasse 6 direkt an der Lorze. [4]

1905 Die Chamer «Anglo-Swiss» fusioniert mit der Nestlé SA aus Vevey zur «Nestlé and Anglo-Swiss». [5]

1932 Die Weltwirtschaftskrise zwingt zur Einstellung der Fabrikation in Cham.

1943 Die Firma Abnox von August Kaltenbacher (1898–1986) zieht von Zug in die ehemaligen Fabrikationsräume der Milchsüdi. [6]

1951 Das Gebäude wird umgebaut.

1968 Die Abnox steht am 1. März im Vollbrand – daraufhin werden die Fabrikräume umfassend saniert. [7]

1991 Die Abnox errichtet im Langacher einen Neubau und zieht aus dem Zentrum weg. Das Gebäude an der Zugerstrasse wird zu einem Wohn-und Gewerbehaus umgebaut. Auch ein Restaurant findet Platz: die «Wirtschaft zur Milchsüdi».

1994 Ursula «Ursi» Gisler ist die erste Gastgeberin der «Wirtschaft zur Milchsüdi»; ihr Angebot baut auf einer währschaften und doch hochstehenden Küche. Im Restaurant finden 54 Personen Platz, im Sitzungszimmer 14, in der Gartenwirtschaft 20 und auf der Terrasse nochmals 20. [8]

2002 Marco Scherini führt die «Wirtschaft zur Milchsüdi» und bietet unter anderem auch Bündner Spezialitäten an (bis 2012).

2013 Die gelernte Hotelfachfrau Sabine Reutter übernimmt die «Milchsüdi». Die Bayerin bietet sowohl Schweizer wie bayrische Spezialitäten an. [9]

2017 Jeta und Pino Reshani führen das Restaurant und bieten traditionelle Schweizer Gerichte an. [10]

2019 «Milchsüdi wegen Umbauarbeiten geschlossen», heisst es an der Tür. Jeta und Pino Reshani haben die Pacht aufgegeben, das Mobiliar steht draussen im Freien. Die «Wirtschaft zur Milchsüdi» ist geschlossen, das Gebäude wird einer Sanierung unterzogen. Die Zukunft der «Milchsüdi» ist offen: Möglich ist eine Weiterführung als Restaurant oder die Umnutzung in Büroräume oder in eine Kindertagesstätte. [11]


Fotogalerie

Wirte / Wirtinnen auf der «Milchsüdi»

Blick in die «Milchsüdi»


Filmdokument

Im Rahmen der Fernsehsendung «Mini Beiz – dini Beiz» machte Fernsehen SRF am 21. April 2016 Halt in der «Milchsüdi», die von Wirtin Sabine Reutter und Stammgast Margit Basler vorgestellt wird.

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Aktueller Kartenausschnitt

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Einzelnachweise

  1. Orsouw, Michael van / Stadlin, Judith / Imboden, Monika, George Page, Der Milchpionier. Die Anglo-Swiss Condensed Milk Company bis zur Fusion mit Nestlé, Vevey / Zürich 2005
  2. Steiner, Hermann, Kondensmilchfabrik in Cham, Zug 1966, S. 29
  3. Vgl. Anmerkung 1 (van Orsouw / Stadlin / Imboden, 2005) S. 64–80
  4. Orsouw, Michael van / Stadlin, Judith / Imboden, Monika, Adelheid, Frau ohne Grenzen. Das reiche Leben der Adelheid Page-Schwerzmann, Zürich 2003, S. 59
  5. Vgl. Anmerkung 1 (van Orsouw / Stadlin / Imboden, 2005), S. 168–181
  6. Gruber, Eugen et al., Geschichte von Cham, Bd. 2, Cham 1962, S. 178
  7. Zuger Neujahrsblatt 1969, Chronik 01.03.1968
  8. Staatsarchiv Zug, G 468, Wirtepatente, Mappe Milchsüdi, Gesuch vom 17.03.1994
  9. www.srf.ch, «Mini Beiz – dini Beiz», Sendung vom 21.04.2016
  10. www.milchsuedi.ch [Stand: 15.02.2018]
  11. Freundliche Mitteilung von August Sidler, Cham, 25.02.2019. www.zentralplus.ch [News- und Community-Plattform für Luzern und Zug], 07.06.2019