Müller Jost (vor 1480–1551)

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Vorname: Jost
Nachname: Müller
Geschlecht: männlich
Geburt­sort: Cham
Todes­datum: 6. Dezember 1551
Todes­ort: Zürich
Beruf: Pfarrer
Religion: römisch-katholisch

Jost (auch Jodocus) Müller war von 1505 bis 1527 oder 1528 Pfarrer in Cham. Spätestens zu Beginn der 1520er-Jahre bekennt sich Müller offen zur neuen Glaubenslehre und bildet zusammen mit seinem jungen Pfarrhelfer in Cham eine «protestantische Zelle». Er steht in Kontakt mit den bekannten Zürcher Reformatoren Huldrych Zwingli und Heinrich Bullinger. 1528 muss er die Pfarrei Cham verlassen. Er zieht nach Thalwil und 1535 weiter in die Stadt Zürich, wo er am 6. Dezember 1551 stirbt.




Stationen

vor 1480 Jost Müller wird wohl in Cham geboren. Sein Vater Konrad besitzt eine Liegenschaft am Hünenberger Kirchweg im Kirchbüel. Im Chamer Jahrzeitbuch sind in einer Familienstiftung seine Mutter Adelheid und sechs Geschwister namentlich erwähnt. [1] Der Zuger Historiker und Arzt Franz Karl Stadlin (1777–1829) schreibt 1819 in seiner Kantonsgeschichte, Jost Müller sei «des Raabenwirths Sohn zu Chaam», wobei ein Gasthaus Raben erst in der ersten Hälfte des 17. Jahrhundert zunächst im Ortsteil Städtli und ab 1651 im Kirchbüel nachweisbar ist. [2]

1500 Die Pfarrkirche St. Jakob samt Friedhof und Beinhaus wird am 14. Dezember vom Konstanzer Weihbischof Balthasar Brennwald (gest. 1517) neu geweiht. Das Weihegedächtnis soll am Tag des Apostels Jakob, also jeweils am 26. Juli, begangen werden. Der Weihbischof gewährt je einen 40-tägigen Ablass für alle Chamer Schutzheiligen und für den Tag des Weihegedächtnisses. Ob Jost Müller zu diesem Zeitpunkt schon Pfarrer von Cham ist, bleibt unklar. [3]

1505 Jost Müller wird am 20. Oktober erstmals als «lipriester zuo Cam» in einem Dokument fassbar, als er im Beisein des Zuger Stadtschreibers Bartholomäus Kolin und der beiden Chamer Kirchmeiern Hans Weber und Ueli Villiger das Chamer Jahrzeitbuch revidiert. [4]

1506 Auch ein nächster Eintrag (in deutscher Sprache) im Chamer Jahrzeitbuch stammt von Jost Müller. Er schreibt: «so han ich, vorbenempter curatus, Jos Muller de Kilchbuel, a.D. 1506, am nechsten tag nach Conceptionis Marie [= unbefleckte Empfängis am 8. Dezember, also am 9. Dezember], das jartzitbuoch durchgelesen unn zesamen gerechnet die jarzit, von denen oben stat, die nuwlich sind abglöst unn kommen an den buw der kilchen unn dess turness.» Pfarrer Müller schreibt das Jahrzeitbuch also neu, weil etliche Stiftungen für den Neubau von Pfarrkirche und Turm eingesetzt wurden. [5]

1510 Pfarrer Müller führt in Cham die Jakobusbruderschaft ein. [6]

1517 Am 26. März gewährt Bischof Ennio Filonardi (1466–1549), Legat von Papst Leo X. (1475–1521) in der Eidgenossenschaft, auf Bitten von Pfarrer Jost Müller auch der Kapelle St. Wolfgang in der Pfarrei Cham zahlreiche Ablässe. [7]

1522 Zu den Anfängen der Reformation im Kanton Zug fehlen neuere Forschungen. In Cham bekennen sich Pfarrer Müller und sein Pfarrhelfer Bernhardin spätestens 1522 zur neuen Glaubenslehre. Am 13. August schreibt der Luzerner Reformator Jodocus Kilchmeyer (gest. 1552) an Huldrych Zwingli (1484–1531) über Pfarrhelfer Bernhardin von Cham. Dieser habe ihn, Kilchmeyer, schon dreimal besucht und ihm angsterfüllt erzählt, wie gewisse Kreise in Zug ihm feindlich gesinnt seien und ihn bedrohen würden, weil er aufrichtig zur Predigt stehe. Auch gehe das Gerücht um, er habe sich eine Ehefrau genommen. [8] Am 16. August wendet sich Pfarrer Jost Müller in einem Brief an Huldrych Zwingli. Pfarrer Müller empfiehlt den jungen Bernhardin als treuen und furchtlosen Mitarbeiter und bittet Zwingli, ihn bei sich aufzunehmen oder dann Meister Konrad Schmid (um 1477–1531), Komthur des Johanniterhauses in Küsnacht, zu vermitteln. [9] Pfarrer Müller berichtet von Aufläufen gegen ihn und Bernhardin, die wohl von zu Zug aus initiiert und gesteuert werden. Einflussreiche Stadtzuger Ratsfamilien wie die Schönbrunner oder Stocker, die zwar ihrerseits verschiedenen Geldgebern (etwa dem Papst oder dem französischen König) verpflichtet, aber im Abwehrkampf gegen die Reformation einig sind, machen Stimmung im Volk. Jost Müller schreibt an Zwingli: «Du weisst, wie übel die Wahrheit bei diesen undankbaren Menschen gehört wird, und was grämliche Greise kläffen, wodurch sie die Seelen der Jünglinge von den Lustgärten evangelischer Lehre und den Brunnen der wahren Frömmigkeit wegziehen». [10]

1525 Inzwischen weht Pfarrer Müller – wie auch dem Stadtzuger Priester Werner Steiner (1492–1541) – ein rauer Wind entgegen. Gut sind die Beziehungen aber in den benachbarten Stand Zürich. Im Pfarrarchiv Cham wird ein Brief an Müller aufbewahrt, in dem Rudolf Ammann (gest. 1552), Pfarrer in Knonau, Jost Müller zur Kapitelversammlung einlädt. Ammann schreibt: «Lieber min her und bruoder in Christo. Es bevelchent mir unßre mitbruoder ze Mettmenstetten, Affholtern, Hedingen, Ottenbach und andere, so in miner herrn von Zurich gepiet wonhafft sind, üch ze schriben us anligender nott, dz gotzwortt und unßre pfruonden betreffend, darum wir gmeinlich ein versamlung angesechen hant zuo Ottenbach uff nechst Mentag nach s. Jacobs tag, in hoffnung, min her dechan [11] wird ouch komenn und mit einandern nach geschicklicheit der sachen handlen und ratschlagenn». [12]

1527 Am 11. November wird Jost Müller ein letztes Mal als Pfarrer von Cham erwähnt. Abt Wolfgang Joner (um 1471–1531) und der Konvent des inzwischen reformierten Klosters Kappel am Albis stellen Müller einen Schuldbrief über 120 Sonnenkronen aus. [13]

1528 Spätestens 1528 verlässt Jost Müller Cham. Die Lage ist für die Anhänger der neuen Glaubenslehre in Zug kurz vor der Eskalation der Kappeler Kriege (1529 und 1531) zu heikel geworden. Müller wird 1528 Pfarrer in Thalwil. Johannes Bühlmann (vor 1510–1555?) wird sein Nachfolger. [14]

1533 In Thalwil bleibt Müller einige Jahre, wird dort aber nicht richtig glücklich. Auf der Maisynode in Zürich heisst es: «Müller ze Talwyl. Begert von Talwyl weg. Er sye krank, alt und übelmögend, ouch unangenem etlichen». [15]

1535 Müller zieht nach Zürich. Dort erhält er das Bürgerrecht und verbringt seinen Lebensabend. [16]

1551 Am 6. Dezember stirbt Müller, wohl über 70 Jahre alt, in Zürich. [17]

1802 Mehr als 250 Jahre später kann der Chamer Sigrist Oswald Villiger (1735–1809) nicht vorstellen, dass Pfarrer Müller einfach so zu den Reformierten übergelaufen ist. Er ist der Ansicht und er notiert dies auch so in seiner Chronik, dass «diser Lütpriester ist von den Reformierten verlündet worden, alß währe er ein anhänger deß Zwinglings geweßen». [18]


Gedichte von Pfarrer Jodocus Müller (Jodoci Molitoris presbyter carmina)

In der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich finden sich im Band D 197d auf 16 Blättern Gedichte von Pfarrer Jost (Jodocus) Müller von 1517 und aus dem Zeitraum von ca. 1533 bis ca. 1542.


Zur Bedeutung der Bibel ist der folgende Zweiteiler von Müller überliefert:

«Splendidius nihil est quam si te biblia pascant, Non aliter sapiens se cor et acta probat»

«Schöneres gibt es nicht, als wenn die Bibel Dich nährt, anders ein Weiser prüft nicht sein Herz und sein Tun» [19]


Und zu seiner Flucht aus der alten Chamer Heimat in die neue Heimat Zürich schreibt er:

«Exigor indigne patria sim transfuga miles, Quod suspecta fides intulit exilium. Proditoque foras (aiunt) fugitive sub alas Quorum te pietas conditiove tenet»

«Unverdient schätzt mich die Heimat als treulosen Überläufer, weil verdächtig mein Glauben, trug das Exil mir ein. Zieh nur hinaus (so heisst es), dich flüchtend unter die Flügel, derer doch, deren Art wie deren Glaube dir gefällt» [20]


Einzelnachweise

  1. Henggeler, Rudolf, Die Jahrzeitbücher des Kantons Zug. Das Jahrzeitbuch der Kirche Cham, in: Heimat-Klänge, Wochenbeilage zu den Zuger Nachrichten 43, 1940, S. 170–172
  2. Stadlin, Franz Karl, Die Geschichten der Gemeinden Chaam, Risch, Steinhausen u. Walchwyl. Des ersten Theils zweiter Band, Luzern 1819, S. 271
  3. Urkundenbuch von Stadt und Amt Zug vom Eintritt in den Bund bis zum Ausgang des Mittelalters 1352–1528, 2 Bde., Zug 1952–1964. UBZG II, Nr. 1770, S. 782
  4. Urkundenbuch von Stadt und Amt Zug vom Eintritt in den Bund bis zum Ausgang des Mittelalters 1352–1528, 2 Bde., Zug 1952–1964. UBZG II, Nr. 1880, S. 915
  5. Urkundenbuch von Stadt und Amt Zug vom Eintritt in den Bund bis zum Ausgang des Mittelalters 1352–1528, 2 Bde., Zug 1952–1964. UBZG II, Nr. 1904, S. 926f. Wolf, Otto et al., Geschichte von Cham, Bd. 1, Cham 1958, S. 207f.
  6. Vgl. Anmerkung 2 (Stadlin), S. 271
  7. Urkundenbuch von Stadt und Amt Zug vom Eintritt in den Bund bis zum Ausgang des Mittelalters 1352–1528, 2 Bde., Zug 1952–1964. UBZG II, Nr. 2096, S. 1001
  8. Urkundenbuch von Stadt und Amt Zug vom Eintritt in den Bund bis zum Ausgang des Mittelalters 1352–1528, 2 Bde., Zug 1952–1964. UBZG II, Nr. 2235, S. 1070f. Staedtke, Joachim, Heinrich Bullingers Bemühungen um eine Reformation im Kanton Zug, in: Zwingliana 10, 1954, S. 24–47
  9. Urkundenbuch von Stadt und Amt Zug vom Eintritt in den Bund bis zum Ausgang des Mittelalters 1352–1528, 2 Bde., Zug 1952–1964. UBZG II, Nr. 2236, S. 1071. Huldreich Zwinglis sämtliche Werke, vol. 7, Leipzig, 1911 (Corpus Reformatorum 94), S. 559f. Das Geschlecht von Bernhardin ist nicht überliefert. Die ältere Literatur identifiziert ihn als Bernhard Benz, der später Pfarrer in Gais AI und Marbach SG wird. Brändly, Willy, Jodocus Müller (Molitor), Pfarrer in Cham (Kt. Zug), gest. 1551 in Zürich, in: Zwingliana 5, 1941, S. 319–330, hier: S. 321
  10. «Tu quidem nosti, quantum veritas male audiat apud ingratos, et quid morosi obganniant senes, quo iuvenum abducant animos ab euangelice doctrine viridariis et a vere pietatis fontibus». Vgl. Anmerkung 9 (Brändly), S. 321
  11. [https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/042076/2005-11-07/ Heinrich Bullinger] (1466–1533), der Vater des Reformators Heinrich Bullinger (1504–1575), war von 1514 bis 1529 Dekan des Kapitels Zug-Bremgarten
  12. Urkundenbuch von Stadt und Amt Zug vom Eintritt in den Bund bis zum Ausgang des Mittelalters 1352–1528, 2 Bde., Zug 1952–1964. UBZG II, Nr. 2296, S. 1097f.
  13. Urkundenbuch von Stadt und Amt Zug vom Eintritt in den Bund bis zum Ausgang des Mittelalters 1352–1528, 2 Bde., Zug 1952–1964. UBZG II, Nr. 2368, S. 1128
  14. Vgl. Anmerkung 9 (Brändly), S. 323
  15. Vgl. Anmerkung 9 (Brändly), S. 323
  16. Vgl. Anmerkung 9 (Brändly), S. 323
  17. Vgl. Anmerkung 9 (Brändly), S. 323f.
  18. Pfarrarchiv / Kirchgemeindearchiv Cham-Hünenberg A 1/1493, Villigerchronik, S. 19
  19. Vgl. Anmerkung 9 (Brändly), S. 327
  20. Vgl. Anmerkung 9 (Brändly), S. 326