Äbnetwald – Chams archäologische Schatzkammer

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Aufgrund von archäologischen Grabungen im Gebiet Äbnetwald im Zusammenhang mit dem Kiesabbau können die Fachleute des Amtes für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Zug auf dem Hügel nordöstlich von Niederwil eine lückenlose Besiedlung von der Jungsteinzeit, über die keltische und römische bis in die fränkische Zeit nachweisen, als Cham 858 zum ersten Mal urkundlich erwähnt ist. Nachweislich seit 1386 ist das Gebiet bewaldet.


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Die Situation im Äbnetwald 2023, rechts vorne das Grabungsgebiet der Archäologie, im Hintergrund der Weiler Niederwil, Foto: ADA Zug, David Jecker


Wichtige archäologische Schätze aus dem Äbnetwald

Mammutzahn aus der Altsteinzeit, vor ca. 30 000 Jahren

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Der rund 30 000 Jahre alte Backenzahn eines Mammuts, Foto: ADA Zug

In rund 20 Metern Tiefe wurde 2018 ein etwa 20 Zentimeter grosser Mammutzahn entdeckt. Er hat gemäss Radiokohlenstoffdatierung ein Alter von mindestens 30 000 Jahren und gehörte zu einem erwachsenen Tier, das vor dem Höhepunkt der letzten Eiszeit die Tundra (baumlose Steppe nördlich der polaren Waldgrenze; Kältesteppe) in der heutigen Gemeinde Cham durchstreifte. [1]

Keramik, Waffen und Werkzeuge aus der Jungsteinzeit, vor ca. 6000 Jahren

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Verzierte Glockenbecherscherben aus dem Gebiet Äbnetwald, Foto: ADA Zug, R. Eichenberger.


Im Gebiet Äbnetwald wurden Keramik, Waffen und Werkzeuge aus der Jungsteinzeit gefunden, unter anderem Objekte der sogenannten Glockenbecherkultur. [2]

Kultgegenstände aus der Bronzezeit, vor ca. 3000 Jahren

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Fundensemble: links der «Rillenstein», Mitte hinten die Steinstele, Mitte vorne das «Mondhorn», rechts eines der Keramikgefässe, Foto: ADA Zug


Aus der Bronzezeit fand die Archäologie ein Ensemble mit verschiedenen Objekten. So eine rund 40 Zentimeter grossen Steinstele in stilisierter Menschengestalt aus Sandstein. In der Schweiz sind solche Objekte sehr selten, der Fund aus dem Äbnetwald dürfte schweizweit ein Unikat sein. [3] Beim «Mondhorn» handelt es sich um ein halbmondförmiges Objekt aus gebranntem Ton, das mit einfachen Ornamenten verziert ist. [4]

Aus dieser Zeit fand man seit 2008 über 30 Gräber aus der Spätbronzezeit mit unterschiedlichen Beigaben, u.a. Lebensmitteln für die letzte Reise. In dieser Zeit bestand im Äbnet ein Dorf. [5]

Münzen aus keltischer Zeit, vor ca. 2100 Jahren

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Sieben keltische Münzen in unrestauriertem Zustand nach der Auffindung, Foto ADA ZG, David Jecker


Aus keltischer Zeit fand die Archäologie mittlerweile um die 15 keltische Münzen (davon vier Potinmünzen vom Zürcher Typ sowie ein Büschelquinar, ein Kaletedou-Quinar und ein Ninno-Quinar) und einen römisch–republikanischen Silberdenar. [6] Aus keltischer Zeit stammt auch der Ortsname Cham, der auf das keltische Wort «*kama» für 'Dorf' zurückgeht. Cham ist der mit Abstand älteste Ortsname im Kanton Zug. [7] Wo sich dieses keltische Dorf "Kama" befunden hat ist ungeklärt. In Frage kommen das Kirchbühl, St. Andreas und aufgrund des Münzfundes und der Tatsache, dass es dort bereits in jungsteinzeitlicher Zeit ein Dorf gegeben hat, vielleicht auch das Gebiet Äbnetwald.

Gebäudekomplex aus römischer Zeit, vor ca. 2000 Jahren

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Links die im vergangenen Jahr ausgegrabenen Mauern des römischen Gebäudes. Unter dem Festzelt wird der Ostteil des Gebäudes freigelegt. Foto ADA Zug, David Jecker


2023 legte das Amt für Denkmalpflege und Archäologie Zug einen grossen römischen Gebäudekomplex im Äbnetwald frei. Diese Entdeckung galt als archäologische Sensation, weil im m Kanton Zug erstmals seit fast 100 Jahren wieder ein grosses römisches Gebäude entdeckt wurde. Ausserdem ist über die römische Besiedlung der Voralpen vergleichsweise wenig bekannt.

Die vor rund 2000 Jahren errichteten Mauern gehören zu einem Gebäudekomplex mit verschiedenen Räumen und einer Fläche von ca. 500 m². Noch ist nicht klar, welche Funktion dieser Monumentalbau genau hatte. Handelte es sich um eine Villa mit Weitsicht oder ein Tempelgebäude? Zwischen den Mauern stiessen man auf Alltagsgegenstände, aber auch auf Teile von importiertem römischem Tafelgeschirr, sogenannte Terra Sigillata, und kunstvoll hergestellte Glasgefässe. Fragmente von Amphoren, in denen unter anderem Wein, Olivenöl und Fischsauce vom Mittelmeerraum bis zum Äbnetwald bei Cham gelangten, zeugen vom weitreichenden Handel in römischer Zeit. Grosse Mengen an Eisennägeln sprechen für eine Holzkonstruktion auf dem vorliegenden Mauerfundament. Ein weiterer aussergewöhnlicher Fund ist ein Goldfragment, das ursprünglich wohl zu einem Schmuckstück gehörte. Dass die Römer die erhöhte Lage beim Äbnetwald als Standort für ihre Gebäude ausgesucht hatten, erstaunt nicht. Sie bot einen hervorragenden Aus- und Überblick auf die umliegende Landschaft. [8]

Funde aus dem Frühmittelalter, vor ca. 1300 Jahren

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Vorder- und Rückseite der Emailscheibenfibel von Cham-Oberwil. Zug, Amt für Denkmalpflege und Archäologie, Foto: Res Eichenberger, Zeichnung Eva Kläui.


2018 stiess die Ärchäologie auf drei frühmittelalterliche Gräber. Das erste Grab enthielt Skelettreste und farbige Glasperlen. In einer zweiten Grube stiess man auf ein rund 80 Zentimeter langes Schwert und eine eiserne Gürtelschnalle. In einer dritten etwas kleineren Grube fand man neben Glasperlen auch sämtliche Zähne eines ca. 11–jährigen Kindes. [9]

2014 fand man eine gegossene mittelalterliche Emailscheibenfibel von ca. 5,3 Zentimeter Durchmesser aus Bronze, die wohl aus dem 10. Jh. stammt. In der Mitte ist ein Tier, wohl ein Löwe abgebildet. Der Archäologe David Jecker schreibt dazu: «Archäologische Zeugnisse aus dem 9. bis 11. Jahrhundert sind im Kanton Zug ausgesprochen selten. [...] Auch wenn sich dies nicht beweisen lässt, darf angenommen werden, dass die Chamer Emailscheibenfibel einer Person gehörte, die sich im 10. Jahrhundert beziehungsweise um das Jahr 1000 herum in der Nähe des Hofs, der sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Besitz der Zürcher Fraumünsterabtei befand, aufhielt. Dass das Tragen aufwendig gestalteter Emailscheibenfibeln bestimmten Personen- respektive Bevölkerungsgruppen vorbehalten war, lässt sich zumindest vermuten.» [10]

Diese frühmittelalterlichen Funde stammen aus der Zeit des Frankenreiches. Im Jahr 858, als der fränkische König Ludwig der Deutsche den Hof Cham [=Besitzung eines Grundherrn, auf der zugleich adlige Rechte, Gerichtsbarkeit und ähnliches ruhen [11]] dem Fraumünsterkloster in Zürich schenkte, wo seine Tochter Äbtissin war, ist der Name Cham erstmals schriftlich erwähnt. Im Äbnetwald muss es also damals eine Siedlung gegeben haben. Wo der Hof Cham lag, ist nicht geklärt. Bisher vermutete man das Kirchbühl oder St. Andreas. Aufgrund der Funde aus dem 8. Jh. käme vielleicht auch der Äbnetwald in Frage.

Kalkmeiler aus der Neuzeit, vor ca. 300 Jahren

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Kalkmeiler. Nordostprofil mit einem Schnitt durch die Ofenbank.


Im Herbst 2013 wurde im Kiesabbaugebiet Äbnetwald ein neuzeitlicher Kalkmeiler entdeckt. Dieser Ofen könnte im 17./18. Jahrhundert entstanden sein, vielleicht im Zusammenhang mit einem Bauprojekt in der Nähe. Der Niedergang der traditionellen Kalkbrennerei erfolgte etwa ab der Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Verbreitung des günstiger herzustellenden Portlandzements. [12]


Lage

Der Äbnetwald liegt nordöstlich von Niederwil auf einer Anhöhe direkt an der Grenze zum Kanton Zürich. Heute wird er oft einfach Äbnet oder Niderwilerwald bzw. Wilerwald genannt. Koordinaten: 677165, 229882. Höhe: 455 m. ü. M. [13]


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In den Quellen ist im Äbnet 1386 zum ersten Mal ein Wald erwähnt. [14]

Auf der Gyger-Karte von 1667 ist der Äbnet als dicht bewaldetes Gebiet dargestellt. Auch die Dufourkarte (1845/64) zeigt den Äbnet als Waldgebiet. [15]


Unmittelbare Nähe zu zwei wichtigen Verkehrswegen

In unmittelbarer Nähe zum Äbnetwald liegt der Dürrast, wo sich vom 16. bis ins frühe 18. Jahrhundert ein Gasthaus befand. Dort kreuzten sich im Mittelalter zwei wichtige Strassen, die Landstrasse von Luzern nach Zürich, die über Gisikon–St. Wolfgang und dann weiter über Rumentikon und den Dürrast nach Knonau führte, und die Strasse von Zug nach Bremgarten. Die Strasse (Zürich–) Knonau–Gisikon (–Luzern), die Zug umging, galt als historischer Verkehrsweg von nationaler Bedeutung. [16] Dies könnte ein Hinweis sein, dass das Gebiet Äbnetwald früher viel zentraler lag als heute.


Bedeutung des Namens

Zu ahd. eban-ôti n., eban-ôt m. 'Ebene, Fläche, flaches Landstück', mit dem Suffix -ôti abgeleitet vom Adjektiv ahd. ëban 'gleichmässig, gerade, eben'. Äbnet kommt im Zuger Namengut mit allen drei grammatischen Geschlechtern vor. Die Zuger Äbnet liegen zumeist auf flachen Anhöhen. [17]


Bedeutendste archäologische Schatzkammer des Kantons Zug

In den 1990er-Jahren beginnt der Kiesabbau im Äbnetwald. Bald werden erste archäologische Funde gemacht. Seither begleitet das Amt für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Zug den Kiesabbau mit systematischen Rettungsgrabungen. Mit rund einem Jahr Vorsprung untersuchen die Archäologinnen und Archäologen die obersten Schichten des Kieshügels, bevor dieser abgetragen wird. [18]


Publizierte Literatur

Bronzezeit:

  • Gnepf Horisberger, Ursula / Gross, Eduard / Hämmerle, Sandy, Cham-Oberwil, Hof (Kanton Zug). Befunde und Funde aus der Glockenbecherkultur und der Bronzezeit, Basel 2001 (Antiqua 33)
  • Bigler, Bernhard, Ausgegraben – nachgebildet – ausgestellt. Funde aus einem aussergewöhnlichen Grab von Cham-Äbnetwald als Vorlagen für Repliken. Tugium 35, 2019, 179-192.
  • Hochuli, Stefan, Eine anthropomorphe bronzezeitliche Steinstele aus Cham-Oberwil ZG, «Äbnetwald» und einige Überlegungen zu schwer identifizierbaren Artefakten. AS 103, 2020, 62-66.
  • Hochuli, Stefan / Schaeren, Gishan, Das spätbronzezeitliche Goldblechband von Cham-Oberwil ZG, «Äbnetwald». Jahrbuch Archäologie Schweiz 105, 2022, 209-218.

Mittelalter:

  • Jecker, David, Nach 1000 Jahren wiederentdeckt – eine karolingisch-ottonische Emailscheibenfibel aus Cham-Oberwil (Kanton Zug). Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 74/2, 2017, 69-80.

Neuzeit:

  • Jeanloz, Simon, Brennen mit Kalkül. Ein neuzeitlicher Kalkmeiler bei Cham-Oberwil, Hof (Äbnetwald). Tugium 37, 2021, 159-170.


Einzelnachweise

  1. https://zg.ch/news/news~_2018_12_kultgrube-und-mammutbackenzahn-im-aebnetwald-entdeckt~.html, [Stand: 16.05.2025]
  2. Jecker, David, Archäologe, Vortrag "Archäologische Entdeckungen im Äbnetwald von der Steinzeit bis heute", anlässlich der Generalversammlung des Archäologischen Vereins Zug im Schulhaus Schürmatt, Cham, 15.05.2025
  3. vgl. Hochuli, Stefan, Eine anthropomorphe bronzezeitliche Steinstele aus Cham-Oberwil ZG, "Äbnetwald" und einige Überlegungen zu schwer identifizierbaren Artefakten, in: Jahrbuch Archäologie Schweiz = Annuaire d'Archéologie Suisse = Annuario d'Archeologia Svizzera = Annual review of Swiss Archaeology, Band 103 (2020), S. 62–66
  4. https://zg.ch/news/news~_2018_12_kultgrube-und-mammutbackenzahn-im-aebnetwald-entdeckt~.html, [Stand: 16.05.2025]
  5. Jecker, David, Archäologe, Vortrag "Archäologische Entdeckungen im Äbnetwald von der Steinzeit bis heute", anlässlich der Generalversammlung des Archäologischen Vereins Zug im Schulhaus Schürmatt, Cham, 15.05.2025
  6. https://zg.ch/de/news/news~_2023_1_Neuigkeiten-aus-der-Zuger-Archäologie---öffentlicher-Vortrag~ [Stand: 16.05.2025]
  7. Die ausführliche sprachwissenschaftliche Erklärung und eine Vielzahl von historischen Belegen bei Dittli, Beat, Zuger Ortsnamen. Lexikon der Siedlungs-, Flur- und Gewässernamen im Kanton Zug. Lokalisierung, Deutung, Geschichten, Zug 2007, Bd. 1, S. 357–359
  8. https://zg.ch/news/news~_2023_8_archaeologischer-jahrhundertfund-im-chamer-aebnetwald-entdeckt~.html, [Stand: 16.05.2025]
  9. https://www.archaeologie-online.de/blog/fruehmittelalterliche-graeber-und-bronzezeitliche-feuergruben-in-cham-oberwil-entdeckt-4807/, [Stand: 19.05.2025]
  10. Jecker, David, Nach 1000 Jahren wiederentdeckt – eine karolingisch-ottonische Emailscheibenfibel aus Cham-Oberwil (Kanton Zug), in: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 74/2, 2017, 69-80
  11. Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Bd. 10, Sp. 1659
  12. Jeanloz, Simon, Brennen mit Kalkül. Ein neuzeitlicher Kalkmeiler bei Cham-Oberwil, Hof (Äbnetwald). Tugium 37, 2021, 159-170
  13. Dittli, Beat, Zuger Ortsnamen. Lexikon der Siedlungs-, Flur- und Gewässernamen im Kanton Zug. Lokalisierung, Deutung, Geschichten, Zug 2007, Bd. 1, S. 37
  14. Urkundenbuch von Stadt und Amt Zug vom Eintritt in den Bund bis zum Ausgang des Mittelalters 1352–1528, 2 Bde., Zug 1952–1964. UBZG I, Nr. 90
  15. Jeanloz, Simon, Brennen mit Kalkül. Ein neuzeitlicher Kalkmeiler bei Cham-Oberwil, Hof (Äbnetwald). Tugium 37, 2021, S. 168
  16. Schiedt, Hans–Ulrich, «...und das sol ein offne landstras sin». Historische Verkehrswege und historischer Landverkehr im Kanton Zug, in Tugium 16 (2000)
  17. Dittli, Beat, Zuger Ortsnamen. Lexikon der Siedlungs-, Flur- und Gewässernamen im Kanton Zug. Lokalisierung, Deutung, Geschichten, Zug 2007, Bd. 1, S. 37
  18. https://zg.ch/news/news~_2023_8_archaeologischer-jahrhundertfund-im-chamer-aebnetwald-entdeckt~.html, [Stand: 16.05.2025]