Niederwil 1, Stutzenmatt
Der Hof Stutzenmatt mit seinem schlichten Schindelschirm am östlichen Eingang zum Weiler Niederwil scheint auf den ersten Blick aus dem 19. Jahrhundert zu stammen. Doch die Baukonstruktion und ein datierter Ziegel deuten auf das 17. Jahrhundert hin. Damit handelt sich bei der Stutzenmatt um eines der ältesten Häuser Chams. Zudem hat die dazugehörige Scheune eine besondere Geschichte: Sie wurde von Baar hierher versetzt.
Chronologie
1447 Im ausgehenden Mittelalter und im 16. Jahrhundert wird der Hof in Niederwil «Langenhof» genannt, da er (sicher bis 1531) von Vertretern der Familie Lang bewirtschaftet wird. [1]
1627 Im 17. und im frühen 18. Jahrhundert erscheint die heutige Stutzenmatt in den Schriftquellen noch immer vereinzelt als «Langenhof», vermehrt aber auch als «Stutzenhof» oder «Stutzenhus». Die zweite Benennung geht auf den Familiennamen Stutz zurück, der im 17. Jahrhundert in Cham nachgewiesen ist. 1627 gehört der Hof einem Beat Baumgartner, der ihn von den Erben eines Hans Konrad Stutz gekauft oder gezogen hat. [2]
1639 In diesem Jahr entsteht höchstwahrscheinlich die heutige Liegenschaft. Darauf deuten zwei Indizien hin: Zum einen trägt ein Biberschwanzziegel diese Jahreszahl, den Ziegler Thomas Kloter gefertigt hat (heute im Ziegelmuseum Meienberg aufbewahrt). Zum anderen stammt die Konstruktion des Ursprungsbaus aus dem 17. Jahrhundert: Das Innengerüst besteht aus insgesamt 12 Ständern, die ursprünglich mit Bohlen verfüllt waren. Doppelte Kopfstreben an den Ständern steifen das Gerüst aus. Auf diese Weise baute man im 17. Jahrhundert. [3]
1675 Der Flurname «Stutzenmatt» wird erstmals erwähnt. Gemeint ist ein Landstück und nicht die Liegenschaft. [4]
1786 Die Gebrüder Mathias, Alois und Xaver Baumgartner sind die Besitzer des stattlichen Hofs am Osteingang von Niederwil. Sie verschönern die gute Stube und bauen dazu ein schönes Nussbaumbuffet mit Intarsien ein (auf der Rückseite bringen sie das Baumgartner-Wappen an). [5]
1806 Jetzt ist Mathias Baumgartner der alleinige Besitzer der «Stutzenmatt». Er lässt einen hübschen grünen Kachelofen mit schwarz patroniertem Nelkenmuster einbauen. Auch die mit ornamentalen Bändern geschnitzte Haustür könnte um 1806 entstanden sein. [6] Wahrscheinlich ist auch er es, der den Schindelschirm am Haus anbringen lässt und die Erweiterung bewerkstelligt. Das tannene Stubentäfer wirkt dank der maserierten Bemalung wie wertvolleres Eichenholz; doch dieses stammt eher aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert, als die Liegenschaft der Familie Suter gehört. [7]
1890 Josef Fuchs vom Federenhof in Immensee SZ kauft den Hof vom Stadtzuger Johann Weiss für 35'000 Franken. [8]
1901 Die «Stutzenmatt» hat bis jetzt auf der gegenüberliegenden Strassenseite einen grossen Stall. Nun kann die Liegenschaft einen weiteren Stall (Ass.-Nr. 59e) übernehmen. Dieser stammt von der Obermühle Baar, wird dort Stück für Stück auseinandergenommen, mit Fuhrwerken nach Niederwil gebracht und hier wieder aufgestellt. Das fünf Meter grosse Tor der oberen Einfahrt ist sehr gross und bringt Fachleute noch heute ins Staunen. [9]
1904 Carl und Josef Fuchs, die Söhne von Besitzer Josef Fuchs, haben die «Stutzenmatt» übernommen. Doch Carl wandert nach Frankreich aus, wo er als Käser Arbeit findet. Josef junior übernimmt den Hof allein. [10]
1919 Josef Fuchs ist bereits 50 Jahre alt, als er Maria Fähndrich heiratet, die 30 Jahre jünger ist. Sie haben miteinander acht Kinder. [11]
1937 Hofbesitzer Josef Fuchs stirbt: Seine Witwe Maria Fuchs-Fähndrich führt den Hof weiter, unterstützt von ihrem Bruder Alois und den acht Kindern. [12]
1957 Alois (1928–1989), der Sohn von Josef und Maria, übernimmt den Hof. Ein Jahr zuvor hat er Josefine Werder (genannt Fini) (1935–2021) geheiratet. [13]
1984 Die Scheune, 1901 von Baar nach Niederwil gezügelt, wird mit Biberschwanzziegeln neu eingedeckt. Die kantonale Denkmalpflege stiftet die Ziegel, um aus Gründen des Ortsbildschutzes eine Eindeckung mit Eternit zu verhindern. [14]
1993 Mit Alois junior, dem Sohn von Alois und Josefine Fuchs-Werder, kommt die nächste Generation zum Zug. Alois Fuchs führt mit seiner Frau Renata (geborene Moser) den Hof. Sie bauen den Hof sukzessive zu einem kombinierten Betrieb mit Mutterkuhhaltung und Pferdepension aus. [15]
2023 Das Wohnhaus (Ass.-Nr. 59a) und die Stallscheune sind im Verzeichnis der geschützten Denkmäler der Gemeinde Cham eingetragen. [16]
Würdigung
«Mit seinem Kernbestand aus dem 17. Jahrhundert weist das Bauernhaus ein bemerkenswertes Alter auf, das sich im Innern in einer nach und nach angereicherten Ausstattung niederschlug. (...) Mit seinem wertvollen historischen Baubestand leistet das Bauernhaus Stutzenmatt einen wesentlichen Beitrag zu dem einzigartig intakten Bauerndorf Niederwil.» [17]
Der Spruch am Waschhaus
Vor der Einfahrtrampe zum «Stutzenmatt»-Stall steht ein altes Waschhaus, an dessen Türe ein Gebetszettel klebt. Darauf wird die heilige Agatha (gest. um 250 n. Chr.) um Schutz vor dem «ewigen und zytlichen Füür» gebeten. Zumindest das «zytliche Füür» war einst vor allem im Frühjahr und Herbst eine Existenz bedrohende Gefahr, wenn an Waschtagen mit offenem Feuer gearbeitet wurde. [18]
Übersicht
Die Liegenschaft Niederwil 1 in der Übersicht: 1: Haus Stutzenmatt, 1639 (Ass.-Nr. 59a); 2: Stutzenmatt-Stall, 1901 von Baar gezügelt (Ass.-Nr. 59e); 3: Boxenlaufstall, 2000 (Ass.-Nr. 59f); 4: Alte Scheune (Ass.-Nr. 59b); 5: Wohnhaus, 1990 (Ass.-Nr. 59c)
Personen
Fotogalerie Haus Stutzenmatt
Aktueller Kartenausschnitt
Einzelnachweise
- ↑ Dittli, Beat, Zuger Ortsnamen. Lexikon der Siedlungs-, Flur- und Gewässernamen im Kanton Zug. Lokalisierung, Deutung, Geschichten, Zug 2007, Bd. 3, S. 168
- ↑ Bürgerarchiv Zug, A 39.27.1, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1627–1631, fol. 28r, 29r, 30r, 34v, 36r. Zur Namengebung und weitere Belege vgl. Anmerkung 1 (Dittli), Bd. 4, S. 440f.
- ↑ Grünenfelder, Josef, Die Kunstdenkmäler des Kantons Zug, Neue Ausgabe, Bd. 2, Die ehemaligen Vogteien der Stadt Zug, Bern 2006, S. 171
- ↑ Staatsarchiv Zug, Hypothekenbuch, Bd. 22, fol. 86v, 87r, vgl. Anmerkung 1 (Dittli), Bd. 4, S. 441
- ↑ Vgl. Anmerkung 3 (Grünenfelder), S. 171
- ↑ Furrer, Benno / Grünenfelder, Josef, Häuser am Weg 3 [Faltprospekt]: Bibersee – Niederwil – Rumentikon, Baar 2006
- ↑ Vgl. Anmerkung 6 (Furrer / Grünenfelder). Vgl. Anmerkung 3 (Grünenfelder), S. 171
- ↑ Gattiker, Werner et al., Mauritius, Milch & Münsterkäse. 100 Jahre Milchgenossenschaft Niederwil-Cham, Schwyz 2013, S. 128
- ↑ Vgl. Anmerkung 8 (Gattiker et al.), S. 129
- ↑ Vgl. Anmerkung 8 (Gattiker et al.), S. 129
- ↑ Vgl. Anmerkung 8 (Gattiker et al.), S. 129
- ↑ Vgl. Anmerkung 8 (Gattiker et al.), S. 129
- ↑ Vgl. Anmerkung 8 (Gattiker et al.), S. 129
- ↑ Legende, entnommen der Fotografie von 1984
- ↑ Vgl. Anmerkung 8 (Gattiker et al.), S. 129
- ↑ Amt für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Zug, Verzeichnis der geschützten Denkmäler der Gemeinde Cham, Grundstücknummer 837 [Stand: 29.06.2023]
- ↑ Amt für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Zug, Inventar der schützenswerten Denkmäler, Datenblatt Niederwil 2 [Stand: 26.02.2020]
- ↑ Vgl. Anmerkung 6 (Furrer / Grünenfelder)