Müller Anton (1878–1939)

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Portrait von Müller Anton (1878–1939)
Portrait von Müller Anton (1878–1939)

Vorname: Anton
Nachname: Müller
Geschlecht: männlich
Geburts­datum: 22. April 1878
Geburt­sort: Dagmersellen LU
Todes­datum: 16. August 1939
Todes­ort: Cham ZG
Beruf: Pfarrer
Religion: römisch-katholisch

Anton Müller war der Nachfolger von Franz Michael Stadlin als Pfarrer von Cham. Er wirkte während 31 Jahren in Cham, in einer Zeit, als die Gemeinde stark von der Industrie und dem liberalen Geist geprägt war.



Todesanzeige von Pfarrer Müller in den Zuger Nachrichten, 16.08.1939
Text auf der Rückseite des Leidbildchens


Stationen

1878 Anton Müller kommt am 22. April in Dagmersellen LU zur Welt. Sein Vater heisst Josef und ist Bäckermeister, seine Mutter Katharina (geborene Wüst). Anton besucht die Mittelschule in Willisau LU, das Gymnasium in Sarnen und studiert Theologie in Luzern und Freiburg im Breisgau. [1]

1904 Müller wird zum Priester geweiht und wird Pfarrhelfer in der Pfarrei St. Michael in Zug.

1906 Müller geht zurück in den Kanton Luzern und wirkt als Kaplan in Reiden LU.

1908 Nach dem Ableben von Pfarrer Franz Michael Stadlin (1835–1908) wird Müller mit 343 Stimmen als Pfarrer von Cham gewählt. Gleichzeitig wird er Mitglied der Schulkommissionen in Cham und in Hünenberg. [2]

1909 Pfarrer Müller ist auch Mitglied der Chamer Asylkommission (bis zu seinem Tod 1939). [3]

1916 Während des Ersten Weltkriegs nutzt Pfarrer Müller den katholischen Volksverein Cham, um Vorträge über Krieg und Kirche, die Freimaurerei, die Landwirtschaft und die Lebensmittelversorgung durchzuführen. [4]

1919 Pfarrer Müller ist der Mitbegründer und der erste Präses des Müttervereins Cham-Hünenberg.

1927 Aus Anlass der Renovation der Weinrebenkapelle in Hünenberg verfasst Pfarrer Müller eine Geschichte zum Sakralbau («Die Weinrebenkapelle zu Hünenberg und das dortige Gnadenbild Maria zum guten Rate»).

1928 Müller wird in den kantonalen Erziehungsrat gewählt und wirkt als Inspektor der Primarschulen – «eine allzuschwere Last für seine ohnehin nicht robuste Natur». [5]

1934 Die Bürgergemeinde erteilt Pfarrer Müller am 18. Februar das Ehrenbürgerrecht von Cham. Zudem verleiht ihm der Kantonsrat das kantonale Ehrenbürgerrecht. [6]

1935 Der Zuger Regierungsrat ernennt Müller zum nicht residierenden zugerischen Domherr des Bistums Basel als Nachfolger des verstorbenen Pfarrers und Domherren Alois Speck (1850–1935). [7]

1939 In der Nacht nach Maria Himmelfahrt – am 16. August – stirbt Müller im Alter von 61 Jahren an einer Herzattacke. [8]


Würdigung

Nach seinem Tod wird Müller gewürdigt und gelobt. Aus den Nachrufen lassen sich aber auch zwischenmenschliche Probleme erahnen: Müller zeigte «ein zeitaufgeschlossenes, echt priesterliches Schaffen bei aller Klugheit gegenüber dem, was ihm von gegnerischer Seite in den Weg trat.» [9] Er war «ein grosser Schaffer und seelenguter Priester» [10], «der wahrhaft gute Hirte, mit der mitsorgenden und mitleidenden Liebe seines Meisters». [11] Doch sein Wirken setzte ihm zu: «Mit viel tiefem Gemüt begabt, litt er unter Undankbarkeit, besonders wenn sie im Gewande der Verkennung bester Absichten und gar der Verdrehung einherschritt und er musste auch dies erfahren, was seiner Gesundheit stark zusetzte.» [12]


Tumult bei der Wahl des Nachfolgers

Kurz nach dem plötzlichen Tod von Anton Müller am 16. August soll ein neuer Pfarrer gewählt werden. Die Kirchgenossen wählen Josef Johann Blum, Pfarrer in Vitznau, dessen Kandidatur der Kirchenrat ausdrücklich nicht unterstützt hatte. Der Kirchenrat wendet sich an Bischof Franziskus von Streng (1884–1970), worauf Pfarrer Blum eine Verzichterklärung abgibt. [13]

Mitte Dezember wird erneut gewählt. 418 Stimmen fallen wiederum auf Pfarrer Blum, 178 auf Pfarrer Eberle, 90 auf Kaplan Muff und 8 auf Kaplan Heggli (1900–1972). Der Kirchenrat erklärt die Stimmen für Blum als ungültig. Darauf kommt zu tumultartigen Szenen. [14]

Pressebericht über die missglückte Pfarrerwahl von 1939:
«Die katholische Kirchgemeinde Cham-Hünenberg hatte einen Pfarrer zu wählen. Vor einiger Zeit wurde in einer ersten Wahl aus drei Kandidaten J. Blum, Pfarrer in Vitznau, gewählt, dessen Kandidatur nicht die Zustimmung des Kirchenrates gefunden hatte, vom Volke aber durchgedrückt wurde. Deshalb viel Aufregung im Volk. Die Herren vom Kirchenrat liefen nach Solothurn zum Bischof, worauf Pfarrer Blum eine Verzichterklärung abgab. Der zweite Wahlgang fand am 17. Dezember in der Kirche statt. Der Kirchgemeindevorsitzende schlug wieder drei Kandidaten vor, Pfarrer Eberle in Perlen und die Kapläne Muff und Hegglin in Cham. Das Volk aber verlangte die Wiederwahl von Pfarrer Blum. Der Vorsitzende nahm den Vorschlag entgegen. Scharfe Worte fielen gegen den Kirchenrat, abgegeben von Kantonsräten, Intellektuellen und Arbeitern. Unter starkem Beifall wurde immer wieder erklärt, daß allein Pfarrer Blum das Vertrauen habe. Das Volk harrte eine Stunde lang vor der Kirche auf das Wahlergebnis. Das lautete, dass von 704 abgegebenen Stimmen 418 auf Pfarrer Blum entfielen, 178 auf Pfarrer Eberle, 90 auf Kaplan Muff und 8 auf Kaplan Hegglin. Nun erklärte aber der Präsident die für Pfarrer Blum abgegebenen Stimmen für ungültig; gewählt sei Pfarrer Eberle. Da stürzte die Menge nach vorn, umringte die Herren vom Kirchenrat, die den Zorn des Volkes über sich ergehen lassen mußten, der sich in lauten Protesten und Schimpfnamen Luft machte. Es entstand ein regelrechter Tumult (eine »kleine Revolution« nennt es der Berichterstatter). Der Kirchgemeinderatspräsident musste in sein nahegelegenes Haus flüchten. Das «Zuger Volksblatt» schreibt dazu: «Die Auslegung des Wahlergebnisses rief bei der Wählerschaft einen derartigen Sturm der Empörung hervor, dass sich die Wähler gegen den Kirchenrat wandten und ihm erklärten, eine derartige Auslegung des Wahlresultates verstosse gegen Treu und Glauben. Es wird gegen diese Auslegung offenbar beim Regierungsrat Beschwerde eingereicht werden.» Da scheinen in gewissen ultramontanen Kreisen merkwürdige Auffassungen über das Wesen der Demokratie zu herrschen. Bei einem Volk, dass sich alles bieten lassen würde, müsste man über solche Methoden Bedenken hegen. Nun haben die Chamer gezeigt, dass sie nicht zu diesen gehören und noch zu schimpfen und zu protestieren wissen, auch gegen hochobrigkeitliche Auffassungen. Das ist sehr erfreulich, weil das Beispiel zeigt, dass zwar mal ein Elefant ein Gartenbeet kaputt treten kann, dass aber doch der Sinn für Demokratie in unserem Volke noch lebt.» [15]


Einzelnachweise

  1. Iten, Albert, Tugium sacrum. Der Weltklerus zugerischer Herkunft und Wirksamkeit bis 1952, Stans 1952, S. 319
  2. Zuger Neujahrsblatt 1911, Chronik 23.08.1908. Zuger Nachrichten, 16.08.1939
  3. Gruber, Eugen et al., Geschichte von Cham, Bd. 2, Cham 1962, S. 65
  4. Vgl. Anmerkung 3 (Gruber et al.), S. 252
  5. Vgl. Anmerkung 1 (Iten), S. 319
  6. Zuger Kalender 1935, Chronik 18.02.1934
  7. Zuger Neujahrsblatt 1937, 20.04.1935
  8. Zuger Neujahrsblatt 1941, Chronik 16.08.1939
  9. Vgl. Anmerkung 1 (Iten), S. 319
  10. Zuger Neujahrsblatt 1941, Chronik 16.08.1939
  11. Zuger Nachrichten, 16.08.1939
  12. Zuger Nachrichten, 16.08.1939
  13. Berner Tagwacht, 22.12.1939
  14. Berner Tagwacht, 22.12.1939
  15. Berner Tagwacht, 22.12.1939