Kirche St. Mauritius Niederwil

Aus Chamapedia

Aussenansicht mit dem 27.30 Meter hohen Kirchturm, 16.08.2013
Luftaufnahme
Innenansicht, 16.08.2013
Von Süden mit altem Baum im Vordergrund
Von Osten gegen Westen
Die Kirche mit Wegkreuz, 20.10.2012

Die wohl seit dem Frühmittelalter bestehende und von 1846 bis 1849 neu erbaute Kirche St. Mauritius ist das Zentrum des Weilers Niederwil. Die Kirche im spätbarocken Stil bietet etwa 150 Personen Platz und ist mit ihrem roten Turmdach als Heiratskirche sehr beliebt.


Chronologie

7. bis 10. Jahrhundert (?) In Wiprechtswil – so erscheint Niederwil in den mittelalterlichen Schriftquellen – wird wohl bereits im ersten Jahrtausend nach Christus eine kleine Kirche gebaut. Archäologische und schriftliche Zeugnisse fehlen, aber der bei frühen Kirchengründungen beliebte Patron Mauritius sowie der Umstand, dass die Kirche im Hochmittelalter (12./13. Jahrhundert) dann das Zentrum einer kleinen Pfarrei ist, weisen auf eine frühmittelalterliche Gründung hin. [1]

1185 Die Siedlung und die Kirche von Wiprechtswil werden erstmals schriftlich erwähnt. [2]

1275 (Kopie von ca. 1300/1350) Neben einer Kirche im Dekanat Cham («ecclesia Wiprechtswile in decanatu Kame») ist für das 13. Jahrhundert auch ein Leutpriester belegt, d.h. ein Priester, der die Seelsorge für die ansässige Bevölkerung ausübt. [3]

1368 Die Rechte an der Kirche Niederwil, die Zehntabgaben und weitere Güter gelangen zu einem unbekannten Zeitpunkt an die Ritter von Cham. 1368 schenken drei Schwestern Elisabeth, Margareth und Katharina aus diesem lokalen Adelsgeschlecht die Rechte an das Zisterzienserkloster Kappel am Albis. Über das Aussehen der spätmittelalterlichen Kirche ist nichts Näheres bekannt. Sie dürfte aber bereits ein Türmchen oder zumindest einen Dachreiter besessen haben. [4]

1510 Die Stadt Zug erwirbt sämtliche Rechte an der Kirche und weitere Güter und Rechte in Niederwil. Damit bestimmen die Zuger Bürgerversammlung und der Stadtrat in Niederwil mit. Der Kauf folgt einer systematischen Erweiterung des städtischen Untertanengebiets: Im 15. Jahrhundert zieht die Stadt Zug verschiedene Rechte und Besitzungen im ganzen Ennetsee durch Kauf oder durch den Abschluss von Burgrechtsverträgen an sich.

1514 Vier Jahre später wird Niederwil zur Filiale der Pfarrkirche St. Jakob Cham. Die Niederwiler müssen an Sonn- und Feiertagen für den Gottesdienst rund vier Kilometer nach Cham und wieder zurück marschieren und sich auch in Cham beerdigen lassen. [5]

1520 In der Kapelle wird ein neuer Altar geweiht. Damit sind auch die beiden Kirchenpatrone Maria und Mauritius erstmals in den Schriftquellen nachweisbar. [6] Sicher seit 1521 wird in Niederwil und im nördlich gelegenen Wirtshaus Dürrast Ende September auch eine «Chilbi» gefeiert. [7]

1644 Die Kapelle wird ausgebessert, insbesondere das Glockentürmchen. [8]

1674–1676 Die Niederwiler stellen beim Zuger Stadtrat ein Gesuch für eine neue Glocke. Die Reaktion ist ernüchternd: Wenn man eine neue Glocke wünsche, solle man sie aus dem eigenen Sack zahlen. [9]

1711 Wieder ist das Glöcklein beschädigt. Kapellenpfleger Mathis Baumgartner soll es zum Glockengiesser nach Zug bringen. Vor allfälligen Reparaturarbeiten sollen der Kapellenpfleger und der Zuger Stadtschreiber den Schaden einschätzen. [10]

1712 Die Kapelle wird nach der Niederlage der katholischen Stände im Zweiten Villmergerkrieg von marodierenden Zürcher Truppen beschädigt und geplündert. Es ist kein Altar mehr in der Kapelle vorhanden oder er ist zerstört worden. [11] Es dauert vier bis fünf Jahre, bis erste Schäden repariert werden. [12]

1724 Der Zuger Stadtrat schenkt der Kapelle ein Marien- und ein Johannesbild. [13]

1725–1739 Es folgen Ausbesserungen am Türmchen und an der Mauer. Trotzdem bleibt das Gebäude reparaturbedürftig. [14]

1746/1747 Die Kapellgenossenschaft Niederwil sammelt Geld und stiftet eine Stelle für einen Kaplan (Kaplaneipfrund). Das dazugehörige Kaplanenhaus dient in den Wintermonaten als Schullokal.

1748 Der Zuger Stadtrat lässt Baufachleute einen Augenschein vornehmen. Die Experten plädieren für einen Neubau. Der Stadtrat genehmigt aber nur Ausbesserungen am Dach und an den Mauern. Nur die Kapellentüren sollen neu gemacht werden. Die Niederwiler übernehmen die Fuhren von Kalk und Dachziegeln in Eigenregie. [15]

1754 Wieder muss sich der Zuger Stadtrat mit Niederwil beschäftigen. Diesmal ist eine Forderung für neue Kirchenstühle traktandiert. Weiter bitten die Niederwiler Kapellengenossen auch um ein neues Ewiges Licht, ein neues Kreuz und eine Fahne. Diese seien im Krieg gestohlen worden. Der Stadtrat genehmigt den Kauf der verlorenen Kultusgegenstände und den Neubau der Kirchenstühle, wobei die Niederwiler das Holz selbst beschaffen müssen. [16]

1761/1762 Kaplan Beat Oswald Baumgartner (1722–1795) und Ambros Baumgartner bitten im Namen der Kapellengenossen von Niederwil den Stadtrat um die Erlaubnis, in der Kapelle das Allerheiligste aufzubewahren. Die Chamer Pfarrkirche sei doch recht weit entfernt. Der Stadtrat bewilligt das Gesuch mit der Auflage, dass die Niederwiler nebst den ankündigten Stiftungen für das Ewige Licht und den Sigristen auch die Pfründe des Kaplans besser dotieren. [17] Die Zuger Gemeindeversammlung wünscht, dass das alte Kirchlein «erneüeret und erbesseret» wird und genehmigt 500 Gulden für die Renovation. Die Ausführung überlassen die Bürger aber den Niederwiler Bauern. Die Kapelle erhält neue Türen, ein eichenes Chorgitter, einen Beichtstuhl und einen Tabernakel in der Mauer hinter dem Altar. [18]

1844 Die Niederwiler Korporation sammelt mit einer Kollekte Geld für einen Kirchenneubau in der weitläufigen Pfarrei Cham-Hünenberg. Die Sammlung fällt «im Durchschnitt befriedigend und ergiebig» aus. [19]

1846–1849 Die heutige Kirche (Ass.-Nr. 61a) wird nach Plänen von Baumeister Xaver Keller aus Sarmenstorf AG gebaut. Während des Baus wird das Projekt abgeändert: Man will nicht nur ein Türmchen auf dem Dach, sondern realisiert einen 27.30 Meter hohen gemauerten Turm mit einer Laternenhaube, die mit roten Eichenschindeln versehen wird. [20] Am 26. April 1849 weiht Josef Anton Salzmann (1780–1854), Bischof von Basel, die Kirche. Während drei Tagen firmt er im ganzen Kanton über 2500 Kinder. [21]

1869 Nach zwanzig Jahren muss die neue Kirche bereits renoviert werden. Die Glockenstube im Turm erhält ein vierstimmiges Geläut, gegossen bei den Gebrüdern Rüetschi in Aarau. [22]

1893 Seit 1874 ist die Kirchgemeinde Cham-Hünenberg für Niederwil zuständig. Im 19. Jahrhundert sind die finanziellen Mittel begrenzt: Man kauft in Dürnten ZH eine gut erhaltene Kirchturmuhr. Aus Kostengründen wird gegen Nordosten hin vorerst auf ein Zifferblatt verzichtet. [23]

1934 Die Kirchgemeinde genehmigt für eine umfassende Aussen- und Innenrenovation der Kirche 50'000 Franken. [24] Die Empore wird vergrössert, die Kanzel durch einen Ambo aus Kunststein ersetzt, ein gelber Steinzeugplattenboden wird eingelegt und in den Fenstern werden Glasgemälde eingelassen. [25]

1977 Ein Brand vernichtete 1972 die Scheune der Familie Fuchs direkt vor der Kirche. Das hat auch etwas Positives: Es gibt Raum für einen schönen Dorfplatz. Am 2. Oktober kann der Dorfplatz eingeweiht werden. [26]

1982 Die Kirche erhält eine Orgel mit Baujahr 1971, die zuvor zehn Jahre lang in Zermatt VS gespielt wurde. [27] Am 21. Februar wird die Orgel eingeweiht. Festprediger ist der Kapuzinerpater Othmar Hösli (1917–2010). [28]

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1983–1985 Während zwei Jahren werden die Kirche und der Turm aufwändig restauriert. St. Mauritius erhält einen Sandsteinboden, das Sperrholztäfer wird ersetzt und die Stationenbilder werden neu gerahmt. Das ehemalige Hochaltarbild wird von späteren Übermalungen befreit und das verborgene, um 1600 gemalte Renaissancebild wiederhergestellt. [29] Und dank einer Privatspende erhält die Turmuhr auch noch ein viertes Zifferblatt. [30] Der Zuger Regierungsrat stellt die renovierte Kirche unter Denkmalschutz. [31]

1998 Die Kirchgemeindeversammlung von Cham-Hünenberg bewilligt 100'000 Franken für die Renovation von Altar und Altarbild. [32] Ebenso muss die Orgel erneuert werden: Orgelbauer Heini Meier aus Tägerig TG verwendet fast alle Pfeifen aus dem vorherigen Instrument.

2007 Der Turm weist Putzschäden auf und wird saniert. Die Kirchenfenster werden abgedichtet und der stark verschmutzte Innenraum der Kirche wird gereinigt. Und die alten Beichtstühle baut man kurzerhand in Schränke um. [33]

2024 Die Kirche ist im Verzeichnis der geschützten Denkmäler der Gemeinde Cham enthalten. [34]


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Der heilige Mauritius

Der römische Mauritius (Moritz) soll nach Legendenberichten aus dem 5. Jahrhundert um das Jahr 300 nach Christus herum eine aus der ägyptischen Landschaft Thebais rekrutierte Legion (Thebäische Legion) über die Alpen in das Feldlager Acaunum (bei Saint-Maurice VS) geführt haben. Weil sich die 6600 Legionäre und ihre Anführer weigerten, gegen Christen zu kämpfen, habe sie der römische Kaiser Maximianus (um 240–310) hinrichten lassen.

Im Frühmittelalter verbreitet sich die Heiligenverehrung in ganz Mitteleuropa. Der römisch-katholische Gedenktag des heiligen Mauritius ist der 22. September.



Fotogalerie

Innenansicht


Impressionen von Niederwil mit der Kirche


Filmdokument

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Aktueller Kartenausschnitt

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Einzelnachweise

  1. Eggenberger, Peter / Glauser, Thomas / Hofmann, Toni, Mittelalterliche Kirchen und die Entstehung der Pfarreien im Kanton Zug, Zug 2008 (Kunstgeschichte und Archäologie im Kanton Zug 5), S. 204f.
  2. Quellenwerk zur Entstehung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Abteilung 1, Urkunden, Bd. 1, Nr. 178 (vor 1185)
  3. Zell, Franz, Die Decanate des Bisthums Constanz im Jahre 1275. Bezüglich auf den damaligen Parochialbestand in den jetzigen fünf Orten, in: Der Geschichtsfreund 19, 1863, S. 174, 179
  4. Vgl. Anmerkung 1 (Eggenberger / Glauser / Hofmann), S. 204f.
  5. Vgl. Anmerkung 1 (Eggenberger / Glauser / Hofmann), S. 205
  6. Grünenfelder, Josef, Die Kunstdenkmäler des Kantons Zug, Neue Ausgabe, Bd. 2, Die ehemaligen Vogteien der Stadt Zug, Bern 2006, S. 165, 518
  7. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.0.500, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1471–1623 (undatiert, eventuell 1541 [Protokollüberschrift: Kilbi beim Ast]), fol. 100ar
  8. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.2.1514, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1641–1650, fol. 123r (01.10.1644)
  9. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.5.1771, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1669–1681, S. 268 (10.03.1674); A A 39.26.5.2577, S. 385 (02.05.1676)
  10. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.14.662, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1709–1712, fol. 71v (24.01.1711)
  11. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.14.1251, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1709–1712, fol. 142r (10.09.1712)
  12. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.15.1679, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1713–1716, fol. 165r (17.10.1716)
  13. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.18.1091, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1722–1727, fol. 145v (04.08.1724)
  14. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.18.1431, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1722–1727, fol. 197r (05.05.1725); A 39.26.18.1747, fol. 245cr (15.12.1725); A 39.26.26.308, fol. 51v (01.08.1739); A A 39.26.26.323, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1739–1742, fol. 53v (14.08.1739)
  15. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.28.1098, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1746–1750, fol. 120v (11.05.1748); A 39.26.28.1120, fol. 123r (25.05.1748); A 39.26.28.1146, fol. 125v (08.06.1748); A 39.26.28.1200, fol. 129v (06.07.1748)
  16. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.29.1507, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1751–1754, fol. 195r (26.01.1754)
  17. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.31.12, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1761–1768, fol. 3r (10.01.1761)
  18. Bürgerarchiv Zug, A 39.27.9.918, Gemeindeversammlungsprotokolle der Stadt Zug 1736–1763, fol. 133r (09.05.1762)
  19. Wochenblatt für die vier löblichen Kantone Ury, Schwytz, Unterwalden und Zug, 12.04.1844
  20. Pfarrarchiv / Kirchgemeindearchiv Cham-Hünenberg, B 1/1149, B 1/1155. Gattiker, Werner et al., Mauritius, Milch & Münsterkäse. 100 Jahre Milchgenossenschaft Niederwil-Cham, Schwyz 2013, S. 98f. Hochuli, Stefan, Hoch hinaus. Höhenmasse historischer Türme im Kanton Zug, in: Tugium 36, 2020, S. 21
  21. Wochenblatt für die vier löblichen Kantone Ury, Schwytz, Unterwalden und Zug, 27.04.1849
  22. Vgl. Anmerkung 6 (Grünenfelder), S. 166
  23. Vgl. Anmerkung 20 (Gattiker et al.), S. 99
  24. Zuger Neujahrsblatt 1937, Chronik 18.02.1934
  25. Vgl. Anmerkung 6 (Grünenfelder), S. 166
  26. Zuger Neujahrsblatt, Chronik 02.10.1977
  27. Vgl. Anmerkung 20 (Gattiker et al.), S. 99
  28. Zuger Neujahrsblatt 1983, Chronik 21.02.1982
  29. Grünenfelder, Josef, Restaurierungsbericht, in: Tugium 2, 1986, S. 34
  30. Vgl. Anmerkung 20 (Gattiker et al.), S. 99
  31. Frey, Georg / Twerenbold, Monika, Restaurierungsbericht, in: Tugium 24, 2008, S. 23f. Grünenfelder, Josef, Amt für Denkmalpflege, Tätigkeitsbericht 1985, in: Tugium 2, 1986, S. 12
  32. Zuger Kalender 1999, Chronik 09.02.1998
  33. Vgl. Anmerkung 31 (Frey / Twerenbold), S. 23f.
  34. Amt für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Zug, Verzeichnis der geschützten Denkmäler der Gemeinde Cham, Grundstücknummer 828 [Stand: 03.01.2024]