Hexerei

Aus Chamapedia

Die Schutzengelkapelle in Zug (mit der ehemaligen Richtstätte und dem Hochgericht). Hier wurden auch Hexen hingerichtet


Das (fiktive) Verbrechen der Hexerei beinhaltet die Einzelvergehen Teufelspakt (Abkehr von Gott und den Heiligen), Teilnahme an Gastmählern mit dem Teufel, Schadenszauberei an Mensch und Vieh sowie die Schändung von Hostien. Bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde Hexerei – wie in ganz Mitteleuropa – auch in der Alten Eidgenossenschaft von den lokalen Obrigkeiten verfolgt und in der Regel mit dem Tod bestraft. Auch Chamerinnen waren davon betroffen.


Hexenverfolgungen in Stadt und Amt Zug

In Stadt und Amt Zug lassen sich von 1559 bis 1738 mindestens 195 Opfer des Hexenglaubens nachweisen. 188 Personen – überwiegend Frauen – werden in diesem Zeitraum hingerichtet. Eine Frau erhängt sich während der Gefangenschaft und sechs Frauen sterben an den Folgen der Folter. Etwa fünf bis acht Prozent der Opfer sind Kinder. Mehr als die Hälfte aller Hinrichtungen fallen in die vier Amtsperioden der beiden Ammänner Beat II. Zurlauben (1597–1663) und Georg Sidler (um 1593–1672) (vgl. Tabelle). Unter Zurlauben werden mindestens 36, unter Sidler 65 Menschen wegen Hexerei hingerichtet. Und es muss mit einer Dunkelziffer gerichtet werden, d.h. nicht von jedem Hexereiverfahren ist ein Urteil oder eine detaillierte Prozesskostenabrechnung überliefert worden. [1]

Die Durchführung der Hexereiverfahren obliegt dem Malefizgericht, einem Ausschuss des 40-köpfigen Zuger Stadt-und-Amt-Rats, der über die hohe Blutsgerichtbarkeit befindet, also über Verbrechen wie Mord, Selbstmord, Homosexualität oder Blasphemie (Gotteslästerung). [2] Nach mehreren Verhören, in denen unter dem Einsatz von Folter die Geständnisse erpresst werden, erfolgt bei einem so genannten Landtag die Aburteilung. In den meisten Fällen enden Hexereiverfahren mit einem Todesurteil. [3]

Aus der ehemaligen Vogtei Cham werden zwischen 1611 bis 1660 mindestens sechs Frauen wegen Hexerei hingerichtet. Die Statistik fällt damit etwas weniger drastisch aus als in den benachbarten und vergleichbaren Vogteien Hünenberg (mindestens 15 Fälle mit Hinrichtungen) oder Steinhausen (mindestens elf Fälle). Allerdings lässt sich bei über 50 Prozent der Prozesse die Herkunft der Opfer nicht eruieren.

Wie bei anderen Kapitalverbrechen vollzieht der Scharfrichter [= Henker] die Hinrichtungen auf der Richtstätte bei der Schutzengelkapelle in Zug.


Chronologie

1611 Margareth Kunz, ursprünglich aus dem Kanton Zürich, wohnhaft im Weiler Bibersee, wird der Hexerei verdächtigt und in Zug eingekerkert. Im Folterverhör sagt sie aus, sie habe sich vor 20 Jahren – als sie und ihr Kind in Steinhausen in grosser Armut gelebt hätten – mit dem bösen Geist [= dem Teufel] eingelassen, Gott abgeschworen und im Auftrag des bösen Geistes auf der Zuger- und der Städtlerallmend verzauberte Samen verteilt, um dort das Vieh zu schädigen. Der böse Geist habe ihr dafür Essen und Geld gegeben, letzteres sei aber nichts anders als verzaubertes Laub gewesen. Kunz wird am 18. Oktober hingerichtet: «Der [Zuger Scharfrichter] solle sÿ vor dem thurm hinder sich in ein bänen oder karen setzen, vnnd hinus für die statt an gewonlichen platz vnnd richtstatt [= Richtstätte, unmittelbar nördlich der 1644 erbauten Schutzengelkapelle an der Chamerstrasse] füeren, daselbsten jren hëndt vnd bein zusamen vff ein leitteren binden vnnd ir lÿb jn ein für stosen [und] denselben zu bulffer vnnd äschen verbränen». [4]

1634 Im Sommer gerät Katharina Meyer aus Cham unter Hexereiverdacht. Im Verhör berichtet sie, im Schönbüelwald oberhalb von Baar sei ihr beim Sammeln von Eicheln der böse Geist in der Gestalt eines schwarz bekleideten Mannes begegnet. Sie habe Hunger gelitten und er habe ihr Essen angeboten. Auf den Gastmählern habe sie Fleisch, Küchlein und andere gute Speisen erwartet, aber «hab sÿe darnach so übel ghungert alss zuo vor». Nach dem Hexentanz habe sie im Auftrag des bösen Geistes Vieh krank gezaubert. Am 17. Juli endet das Leben von Katharina Meyer mit einem Schwerthieb des Zuger Scharfrichters. Ihre Leiche wird öffentlich verbrannt. [5]

1642 Anna Meyer von Cham, «vÿttin» genannt, wird am 7. Mai als verdächtige «Unholdin» zur Verhaftung ausgeschrieben. [6] Auch ihre Aussagen werden mutmasslich mit der Folter abgepresst: Vor 30 Jahren, als sie noch in Hünenberg gewohnt habe, sei der «bösse geÿst in manß gstalltt mit einem schwartzen berttli, eschfarb bekleidt, der sich nachwerdts henssli genäntt» in ihr Haus gekommen. Sie habe Gott und alle Heiligen verleugnet und mit dem bösen Geist geschlafen. Auch habe sie Vieh verderbt, «bösi wätter vnd hëgel» gezaubert und an Tänzen teilgenommen, so auf der Städtler- und auf der Steinhauser Allmend. Am 28. Mai wird Anna Meyer als Hexe abgeurteilt und enthauptet. Es ist nicht klar, ob eine verwandtschaftliche Beziehung zur 1634 hingerichteten Katharina Meyer besteht. [7]

1642 Am gleichen Tag wird in Zug auch Barbara Menig enthauptet. Sie sagt aus, der böse Geist mit dem Namen «harlibarli» habe in ihrem Haus in Cham aufgesucht. Auch sie gesteht, Unwetter gezaubert und Vieh geschädigt zu haben. [8]

1642 Der grosse Hexenprozess unter Ammann Beat II. Zurlauben zieht sich bis in den Hochsommer hinein. Er fordert 1642 in Zug wahrscheinlich 31 Menschenleben. Inhaftiert ist auch der Müller Jakob Wyss von Matten aus dem Chamer Kirchgang (und in der ehemaligen Vogtei Hünenberg gelegen). Wyss gesteht an der Folter, Leute und Vieh verzaubert zu haben. Auch sei er «ettlich mahlen vff der maschwander allmendt vff täntzen vnd vermeindtlichen gastmahleren gsÿn». Wyss wird zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt, er kann aber am 25. August aus dem Gefängnis fliehen. Sein weiteres Schicksal ist unklar. [9]

1646 Auch Margaretha Werder bringt ein klassisches Hexereigeständnis zu Protokoll: Der böse Geist habe sie in ihrem Haus in Niederwil aufgesucht, ihr Geld angeboten und «jren zuogemuottet sÿn bössen muettwillen mit jr zuo verbringen» [= ihr zugemutet den Beischlaf zu vollziehen]. Der böse Geist habe ihr Samen gegeben, mit denen sie in Niederwil, Hünenberg und auf der Zuger Allmend Kühe verzaubert habe. Auch sei sie «ettlich mahl vff der hünenberger- vnd zuger allmendt auch bim thüren ast [= beim Dürrast nördlich von Niederwil] jns böss geÿsts nammen vff einem schwartzen geÿssbock vff täntz vnd gastmäller gfaren.» Am 21. Juli wird Margaretha Werder in Zug enthauptet. [10]

Die Baarer Ammann Jakob Andermatt (1602–1680) notiert zu den Hinrichtungen vom 21. Juli in seinem Tagebuch kurz und lapidar: «Darnach bin ich [in der Pfarrkirche St. Martin Baar] zuo kilchen gsin vnd darnach gen zug ans lantgricht gesin. Man hat 2 vnholden [= Hexen] gehan. Ein stuberi vnd ein werderi. Sind vervrtheilt, das haupt ab vnd dan verbränen.» [11]

1648 Die Hinrichtungen von 1646 bis 1648 fallen unter die Regierungszeit von Ammann Wilhelm Heinrich (um 1591–1667) aus dem Ägerital, in dessen insgesamt drei Amtszeiten wiederholt Hexenprozesse stattfinden. Ob die am 22. Februar 1648 enthauptete Maria Magdalena Villiger aus Cham stammt, ist nicht gesichert. [12]

1660 Mit Dorothea gerät am 26. April zum dritten Mal innerhalb eines Vierteljahrhunderts eine Frau aus dem Geschlecht Meyer unter Hexereiverdacht. Der böse Geist sei in der Geissweid in der Stadt Zug, «da sÿ gantz zornig vnd bethrüebt gewässen zuo jren khommen, vnd sÿ thröst auch jren allß sÿe vermeindt geldt geben, sÿ aber nachdem sÿ eß geschauwet nur rosskoth gsÿn.» Weiter gesteht Dorothea Viehtötungen auf der Städtlerallmend. Und einmal habe sie mit einer Rute ins Teufels Namen in den Zugersee geschlagen, um ein Hagelunwetter zu zaubern. Es sei aber «nur ein schwären Tropfrägen daruss worden.» Auch Dorothea Meyer wird zum Tod verurteilt. Vor der Verbrennung erwürgt sie der Scharfrichter mit einem Strick an einem Pfahl. [13]


Ammänner in der Zeit der Hinrichtung von Hexen

Jahr(e) Opfer Amtierender Zuger Ammann, Amtsperiode [14]
1559 1 Apollonaris Zigerli, Ägeri (1.)
1572 1 Johann Letter, Zug (2.)
1575 1 Apollonaris Zigerli, Ägeri (3.)
1580 1 Wolfgang Brandenberg, Zug (1.)
1591 1 Heinrich Elsener, Menzingen (1.)
1611 7 Kaspar Heinrich, Ägeri (1.)
1612 14 Martin Schmid, Baar (1.)
1615/1616 15 Konrad Zurlauben, Zug (1.)
1632–1634 24 Beat II. Zurlauben, Zug (1.)
1637/1638 4 Wilhelm Heinrich, Ägeri (1.)
1641/1642 12 (32) Beat II. Zurlauben, Zug (2.) [15]
1646–1648 18 Wilhelm Heinrich, Ägeri (2.) [16]
1650–1652 30 Georg Sidler, Zug (1.)
1653 4 Peter Trinkler, Menzingen (2.)
1660 35 Georg Sidler, Zug (2.)
1665 2 Wilhelm Heinrich, Ägeri (3.)
1672 7 Johann Peter Trinkler, Menzingen (2.)
1675 5 Franz Kreuel, Baar (1.)
1681 1 Karl Hegglin, Menzingen (1.)
1687 1 Beat Jakob Zurlauben, Zug (2.)
1691 3 Niklaus II. Iten, Ägeri (1.)
1737/1738 8 Johann Christian Blattmann, Ägeri (1.)


Einzelnachweise

  1. Bart, Philippe, Hexenverfolgungen in der Innerschweiz 1670–1754, in: Der Geschichtsfreund 158, 2005, S. 5–162. de Sepibus, Miriam, Hexenprozesse als Mittel des sozialen Aufstiegs im eidgenössischen Stand Zug in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, Masterarbeit Universität Freiburg, Freiburg 2012, S. 124f.
  2. Das Malefizgericht bilden 18 der insgesamt 40 Stadt-und-Amt-Räte. Die Stadt Zug stellt sechs und die drei Gemeinden des Äusseren Amtes – Baar, Berg (Menzingen und Neuheim) und Ägeri – stellen je vier Richter.
  3. Zwicky, Markus, Prozess und Recht im alten Zug. Eine Darstellung des Prozessrechts im eidgenössischen Stande Zug vom 15. Jahrhundert bis zum Ende des Ancien Régime, Dissertation Universität Zürich, Zürich 2002 (Zürcher Studien zur Rechtsgeschichte 48)
  4. Staatsarchiv Zug, A 105/2, fol. 69f.
  5. Staatsarchiv Zug, A 105/2, fol. 316–319
  6. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.2.350a, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1641–1650, fol. 34v (07.05.1642)
  7. Staatsarchiv Zug, A 105/3, fol. 122–128
  8. Staatsarchiv Zug, A 105/3, fol. 122–128
  9. Staatsarchiv Zug, A 105/3, fol. 129, 143–146
  10. Staatsarchiv Zug, A 105/3, fol. 195–198
  11. Pfarrarchiv/ Kirchgemeindearchiv Baar, A1/4009, fol. 211v
  12. Staatsarchiv Zug, A 105/3, fol. 227–233
  13. Staatsarchiv Zug, A 105/4, fol. 13–16
  14. Vgl. Anmerkung 1 (Bart), S. 5–162. Bart, Philippe, Mit dem Teufel im Bunde: Hexenprozesse gegen Frauen und Kinder aus Baar, in: Heimatbuch Baar 34, 2013/14, S. 22. Vgl. Anmerkung 1 (de Sepibus), S. 124f.
  15. Im Jahr 1642 werden unter Ammann Zurlauben noch mehr Hexen hingerichtet, aber viele Todesurteile fehlen. Vgl. die Dorsualnotiz auf einem Urteil «31 häxen hingricht vnd 19 mörder, dieben und schälmen, thuot 50 personen»
  16. Unter Ammann Heinrich werden 1646 wohl noch mehr Hexen hingerichtet, aber viele Todesurteile fehlen. Vgl. die Dorsualnotiz auf einem Urteil: «Schwert: IIIII [5], Für: IIIII IIIII III [13]»