Suter Jakob Anton (1764–1822)

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Vorname: Jakob Anton
Nachname: Suter
Geschlecht: männlich
Geburts­datum: 24. November 1764
Geburt­sort: Ried (Muotathal)
Todes­datum: 22. Januar 1822
Todes­ort: Cham ZG
Beruf: Arzt

Jakob Anton Suter war ein akademisch gebildeter Arzt und Chirurg aus Schwyz, der 1799 in der Zeit der Helvetischen Republik nach Cham übersiedelte. Mit einem aufsehenerregenden chirurgischen Eingriff, den er 1802 an einem Jüngling durchführte, machte er über Cham hinaus Schlagzeilen. Wegen seines Freidenkertums und seines wirtschaftlichen Erfolges war er Angriffen und Beschuldigungen ausgesetzt.



Die heutige Wirtschaft Schiess war Chams erstes Arzthaus, in dem Jakob Anton Suter bis 1822 wirkte
Titelblatt von Suters 1794 erschienenen Disseration über die Heilquelle von Iberg
handschriftlicher Brief von Suter, 08.09.1803


Stationen

1764 Jakob Anton Suter wird am 24. November als Sohn von Sebastian Heinrich Suter und Anna Maria Schöchelin in Ried bei Muotathal SZ geboren. Er ist Bürger von Muotathal. [1]

Suter schlägt eine akademische Laufbahn ein und studiert zuerst Theologie [2], später in Freiburg im Breisgau und in Wien Medizin und Chirurgie. [3] Er erwirbt den akademischen Titel Dr. med. [4]

1788 Suter muss zusammen mit einigen Männern vor dem Rat in Schwyz erscheinen. Die «Deliquenten» geben zu, das Tanzverbot übertreten und «gewalzet» zu haben. [5]

1789 Suter nimmt während seines Studiums in Wien als Feldscherer [6] im Feldzug gegen die Türken im Banat [7] teil. Er ist auch bei der Eroberung Serbiens und Belgrads dabei. [8]

1792 Zurück in Schwyz heiratet Suter am 19. August Clara Josepha Angelina Pfyl, Tochter von Franz Dominik Pfyl (1732–1813), Landammann von Schwyz. [9] In Schwyz praktiziert er als «Doctor und Chirurg». [10]

1793 Suter wird vom Schwyzer Rat zum Spitalmeister ernannt. Laut der Schwyzer Spittelverordnung von 1754 hatte der Spittelmeister ein Pflichtenheft von 25 Punkten zu erfüllen. Er musste u.a. «für Ruhe und Ordnung sorgen, das Inventar, namentlich das Bettzüg kontrollieren. Er musste arme Leute nachts eingeschlossen halten und dafür sorgen, dass zwischen ihnen gute Ordnung herrschte. Morgens durften die Bettler erst entlassen werden, wenn der Bettelvogt alle überprüft hatte». [11] Dieses Amt übt er bis mindestens bis 1795 aus. [12] Das Spital Schwyz war damals Kranken- und Armenhaus. [13]

1794 Suter publiziert in Luzern seine Dissertation, eine viel beachtete Schrift über die Heilquelle von Iberg. Sie trägt den Titel «Diss. med. de natura et viribus aquae mineralis in republica Suitensium detectae». [14] Darin weist er nach, dass die heilende Wirkung des Wassers in Oberiberg SZ einem hohen Radiumgehalt zuzuschreiben ist. [15] Suter verfasst seine Dissertation in Latein, der Sprache der akademisch gebildeten Ärzte. Im gleichen Jahr wird Suter Unterweibel von Schwyz. Dieses Amt übt er bis mindestens 1798 aus. [16]

1798 Im März marschieren französische Truppen in die Eidgenossenschaft ein, die alten politischen Strukturen sollen aufgelöst und eine neue Verfassung im Sinn der Aufklärung etabliert werden. Schwyz widersetzt sich den Neuerungen. Die Landsgemeinde verbietet am 4. April die helvetische Verfassung im Gebiet des Kantons Schwyz. Im darauf folgenden Abwehrkampf gegen die französischen Truppen nimmt Suter als Feldarzt der Schwyzer Truppen teil und führt einige Notoperationen durch. [17] Nach der Niederlage wird auch Schwyz Teil des Kantons Waldstätten.

Die Helvetische Republik will die Bildung forcieren und dafür in den Kantonen Erziehungsräte schaffen. Suter steht anfänglich auf der Liste der «fähigsten Männer», welche für dieses Amt designiert sind. Auf der Liste der Ende 1798 ernannten Erziehungsräte fehlt Suter, da er Schwyz verlassen und nach Luzern gezogen ist. [18] Suter trennt sich mit seinem Wegzug aus Schwyz von seiner Frau. [19] Dieser Schritt ist für die damalige Zeit – insbesondere in einem katholischen Gebiet wie Schwyz – sehr aussergewöhnlich. Die Trennung des Schwyzer Spitalmeisters und der Tochter eines führenden Politikers sorgt zweifellos für viel Gesprächsstoff. [20]

1799 Jakob Anton Suter lässt sich in Cham nieder, wo er eine Arztpraxis betreibt. [21]

um 1800 Suter ist helvetischer «Staabschirurgus». [22] In dieser Funktion ist er wohl im zweiten Koalitionskrieg von 1799 bis 1801 im Einsatz, möglicherweise auch im Kampf der Franzosen gegen die Armee des russischen Generals Alexander Suworow (1730–1800).

1802 Suter macht in Cham mit einer aufsehenerregenden Operation von sich reden. Am 5. April operiert er einen 15-jährigen Burschen, der an einer unbekannten und als unheilbar geltenden Krankheit leidet. Er setzt beim Patienten auf der rechten Körperseite einen Schnitt zwischen dem Darmbeim [23] und der zwölften Rippe, eine «Querhand» von der Wirbelsäule entfernt und entnimmt dem Bauchraum zwei Mass [24] «einer unerträglich stinkenden eitrigen Materie». Zudem zieht er einen «dreiquintlein» [25] schweren Stein aus der Niere des Patienten. Suter ist zuversichtlich, dass der junge Mann vollständig genesen wird. Die Kunde von dieser Operation in einer Zuger Landarztpraxis wird sogar in Zürich vermeldet. [26]

1803 Suter praktiziert als Arzt in Cham. In einem Brief bezeichnet er sich als Doktor der Medizin, ausübender Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer. [27] Suter wird in den Sanitätsrat des Kantons Zug berufen. Er ist bis 1817 Mitglied dieses Gremiums. [28]

1804 Jakob Anton Suter kauft von Ratsherr Kaspar Hildebrand (1776–1851) ein Haus im Kirchbühl. [29] Es handelt sich um das Haus an der heutigen Schulhausstrasse 12 (Ass.-Nr. 13a), in dem seit 1908 in der «Wirtschaft Schiess» Gäste bewirtet werden. Suter besitzt auch das Nebengebäude (Ass.-Nr. 13b), heute Schulhausstrasse 14, das damals noch ein Holzschopf war. [30] In dieser Liegenschaft führt Suter die erste in Cham nachgewiesene Praxis, in welcher ein akademisch gebildeter Arzt wirkt. [31]

1805 Der Chamer Gemeinderat setzt Suter als Gutachter ein, für Melchior Grob im Städtli, der wegen einer Augenkrankheit von den Behörden die Entbindung vom Militärdienst fordert und kurze Zeit später für Xaver Gretener im Städtli, dessen Bruder wegen grosser medizinischer Probleme Unterstützung seitens der Gemeinde verlangt. [32]

Im selben Jahr fordert der Gemeinderat von Suter eine Gebühr von 48 Franken, weil sich dieser als Fremder in Cham niedergelassen habe. Im Protokoll der Sitzung des Gemeinderats vom 10. Mai ist festgehalten, dass «dr. A. Sutter zu Chamm […] freündschaftlich» ersucht worden sei, für die letzten zwei Jahre, in welchen er sich in Cham aufgehalten habe, eine an seinem Vermögen gemessene Aufenthaltsgebühr zu entrichten. [33] Darauf rekurriert Suter an die Zuger Regierung. Diese weist seine Beschwerde ab. Nun verlangt der Chamer Gemeinderat von Suter zusätzlich eine Kaution von 1'200 Franken. [34]

Suter wendet sich an den Landammann der Schweiz, den Solothurner Peter Glutz-Ruchti (1754–1835). In seinem Brief schildert er die Sachlage, pocht auf die Niederlassungsfreiheit, die ihm laut Verfassung zusteht, auf seine Reputation als Arzt und auf seine Verdienste als Zuger Sanitätsrat. [35] Das Büro des Landammanns in Solothurn gibt Suter recht und schreibt, dass die Chamer aus «Mangel an Kentniss des Tagsatzungs-Beschlusses sich befugt erachtet haben, diese Gebühr zu fordern». [36] Die Chamer ignorieren dieses Schreiben. Fast sechs Jahre später ist am 21. März 1811 im Protokoll des Chamer Gemeinderats nochmals ausdrücklich festgehalten, dass Suter die Gebühr und die Kaution noch immer schuldig sei. [37] Cham verzichtet fortan auf Suters Beratungstätigkeit in medizinischen Fragen. [38]

1809 Suter ist Anfeindungen aus Schwyz ausgesetzt. Alt Kantonsrichter und Ehrengesandter Alois Pfyl aus Schwyz, der jüngere Bruder seiner geschiedenen Frau, droht Suter in einem Brief vom 8. Mai, geheime Sachen über ihn öffentlich zu machen und ihn damit beruflich und sozial zu ruinieren, sollte er dagegen gerichtlich vorgehen. Am 6. Juni widerruft er diese Anschuldigungen und bestätigt in einer amtlichen Erklärung, dass er die Ehre von Suter nicht im geringsten kränken wolle, er anerkenne Suter als rechtschaffenen Ehrenherren. Suter wird in dieser Ehrenerklärung als «Mitglied mehrer gelehrter Gesellschaften und des Sanitäts-Collegiums des löblichen Kantons Zug» bezeichnet. [39] Im selben Jahr erhält Suter einen Brief von der Kanzlei Schwyz. Ihm stehen laut eines Beschlusses einer Kommission, welche die Liquidation der Helvetischen Republik betreibt, Soldzahlungen für seine Dienste in der ersten Halbbrigade der Helvetischen Republik zu. [40] Suter bedankt sich darauf beim Landschreiber des Kantons Schwyz. [41]

1820 In der Kommunikantenzählung erscheinen in der Liegenschaft von Dr. Suter zwei erwachsene Personen. Unklar ist, wer die zweite Person im Haushalt von Suter war.

In der Nacht vom 8. auf den 9. November wird vor dem Haus von Dr. Suter ein Säugling ausgesetzt. Die Untersuchung ergibt, dass der Knabe nicht von einer Geburtshelferin entbunden wurde. Er stirbt bald darauf. Die Kleidung des Knaben erlaubt keine Rückschlüsse auf die Mutter. Die Zuger Behörden beschliessen trotzdem weitere Nachforschungen in Cham, die jedoch zu keinem Ergebnis führen. [42]

1821 Der Präsident des Waisenamts Schwyz wendet sich an Suter und bittet ihn um Hilfe für einen Waisenknaben aus Schwyz. Er spricht ihn wie einen Adeligen mit «hochwohlgeboren» und «hochzuverehrend» an. [43]

1822 Suter stirbt am 22. Januar 58-jährig in Cham. [44] Er wird tot in seinem Bett aufgefunden. Suters Tod wird in der «Neuen Zürcher Zeitung» und in «Schweizerische Monathschronik» vermeldet. [45] Auch die «Neue Zuger Zeitung» gedenkt Suter in ihrer Ausgabe vom 16. Februar auf der Seite «Schweizerische Eidgenossenschaft», nicht etwa auf der Seite «Zug». Suter wird als «hochseliger» Mann bezeichnet, der in Cham – «dem auserkorenen Luftorte» – ein einsames Leben geführt habe. In sehr wertschätzenden Worten werden seine äusserst hohe Kompetenz als Arzt, aber auch seine Menschlichkeit gelobt. [46]

Das Chamer Pfarrbuch verzeichnet Suters Tod wie folgt: «Die 22 Ianuar repentina [= plötzlich] morte in Domino obiit herr Doctor Antonius Sutter aus dem kilchsbül aetatis [= des Lebensalters] 57.» [47]

Am 12. Februar findet in Schwyz eine kirchliche Gedächtnisfeier für Jakob Anton Suter statt. [48] Sein Tod wird im Sterbebuch Schwyz verzeichnet. [49]

Bemerkenswert ist, dass es am 15. Februar – 23 Tage nach dem Tod von Jakob Anton Suter – bei der Liegenschaft im Kirchbühl gleich zu drei Besitzerwechseln kommt. Zunächst geht die Liegenschaft wieder Altrat Kaspar Hildebrand, dann an die Gebrüder Alois und Kaspar Hildebrand von Bibersee und schliesslich ist Martin Rhyner aus Schwyz, der Schwager von Suter, der neue Besitzer. [50]

Am 15. April ziehen die Chamer Behörden bei der Regelung des Erbes von seinen Hinterbliebenen eine Verlassenschaftsgebühr von 138 Gulden 10 Schilling Zuger Währung ein. [51]

1823 Am 24. Mai beschwert sich die Witwe von Jakob Anton Suter, Katharina Suter, geb. Pfyl, von der er sich bei seinem Wegzug aus Schwyz 1798 getrennt hatte, vertreten durch ihren Vogt, Rats- und Salzdirektor Schuler, zusammen mit den Herren Xaver Gemsch und Martin Rhyner beim Rat von Schwyz über das Vorgehen des Gemeinderats von Cham. Eine nähere Prüfung habe ergeben, dass die Verlassenschaftsgebühr, die Cham nach Suters Tod erhoben habe, rechtswidrig sei. Sie verstosse gegen eidgenössisches und zugerisches Recht. [52] Die Behandlung dieses erneuten Rechtsstreits wird in Zug auf die lange Bank geschoben. Sie zieht sich über zwei Jahre hin. [53]

1825 Am 20. Mai behandelt der Zuger Kantonsrat die Causa «Suter» und verlangt vom Chamer Gemeinderat eine Stellungnahme. Dieser weist auf den alten Streit wegen der nicht akzeptierten Aufenthaltsgebühr hin, wirft Suter vor, nur die Hälfte seines Vermögens versteuert zu haben und pocht darauf, dass die Erben Suters die Rechtmässigkeit der Verlassenschaftsgebühr mit der Zahlung anerkannt hätten. [54] Der Kantonsrat stellt zwar fest, dass weder der Kanton noch die meisten Zuger Gemeinden eine Hinterlassenschaftssteuer erheben, beschliesst aber trotzdem, dass die Forderung der Gemeinde Cham zwar unüblich, aber rechtens sei. Dies wird so nach Schwyz gemeldet. Damit ist die Sache für Zug und Cham abgetan. [55]


Suter, ein Arzt auf der Höhe seiner Zeit

Suters Operation 1802 sorgte für Schlagzeilen. Die «Zürcher Zeitung» berichtete in ihrer Ausgabe vom 16. April darüber und bezeichnete sie als «merkwürdige und seltene Kur» und zeigte sich erstaunt, dass ein solcher Eingriff nur eine Stunde von Zürich entfernt durchgeführt worden war. Suter operierte einen 15-jährigen Burschen, «der lange Zeit an unerkannten und für unheilbar gehaltenen Zufällen litt». Er stellte die richtige Diagnose. Der junge Mann litt an einem Nierenabszess, den Suter operativ behandelte. Als Mediziner war Suter für seine Zeit auf der Höhe des medizinischen Fortschritts. Er führte diese Operation durch, als in der Medizin noch die Säftelehre dominierte und die gängigen Heilpraktiken in der Volksmedizin vor allem aus befördertem Erbrechen, Abführen, Aderlass, Umschlägen und medizinischen Pflastern bestanden. War jemand krank, sprach man von «verdorbenen Säften» und «bösen Feuchtigkeiten».

Suter war nicht der Erste, der einen solchen Eingriff wagte. Vier Jahre zuvor hatte der Franzose Pierre-Joseph Desault (1744–1795) in Paris, in seinem Werk «Oeuvres chirurgicales» die Möglichkeit einer operativen Entfernung lumbaler Nierensteine beschrieben. Die französische Chirurgie war in der aufgeklärten, wissenschaftlichen Medizin tonangebend. Dass diese heikle Operation aber in einer Landarztpraxis weitab städtischer Zentren durchgeführt worden war, ist rückblickend beachtlich. Selbst in Zürich wusste man offensichtlich nichts von der Möglichkeit, lumbale Nierensteine operativ zu entfernen.

Damit ein solcher Eingriff gelingen konnte, bedurfte es eines ebenso gewieften wie risikofreudigen Chirurgen, der die Anatomie des menschlichen Körpers sehr gut kannte und präzise und schnell arbeiten konnte. Narkosen waren nicht möglich. Oft setzten Operateure Alkohol ein, um die Schmerzen etwas zu lindern, in seltenen Fällen Opium, was aber für die Patienten mit erheblichen Gefahren verbunden war. Wegen dieser erstaunlichen Operation galt Suter weithin als Arzt, der medizinische Wunder vollbringen konnte. Dies bezeugen Briefe, in denen Kranke oder deren Angehörige ihre letzte Hoffnung auf Suter setzten. Suter galt gleichsam als «Wunderdoktor», wenn auch in völligem Gegensatz zum heutigen Wortsinn, denn als Arzt sah er sich ganz der Aufklärung, der Rationalität und der Wissenschaft verpflichtet. Für seine hohe Kompetenz als Chirurg und Arzt spricht auch, dass er als vor kurzem Zugezogener 1803 in den Sanitätsrat des Kantons Zug berufen wurde. [56]

Suter war bestens vernetzt. Er war Mitglied der «Kaiserlich-medizinisch-chirurgischen Akademie» zu Wien, später auch der «Helvetischen Gesellschaft der correspondierenden Ärzte und Wundärzte» in Zürich. Diese erste schweizerische Standesgesellschaft war 1789 von aufgeklärten Ärzten gegründet worden. Zünftisch ausgebildete Handwerkerärzte waren nicht zugelassen. Zulassungsbedingungen waren eine akademische Ausbildung, ein recht hoher Mitgliederbeitrag und eine wissenschaftliche Arbeit. Die Standesgesellschaft wollte das Medizinalwesen erneuern und die staatliche Gesundheitspolitik mitprägen. Die meisten Mitglieder dieser Gesellschaft waren politisch liberal, nahmen wie Suter in staatlichen Sanitätskollegien Einsitz, führten einen Doktortitel und setzten sich für die Bildung der Bevölkerung ein. Sehr viele Ärzte dieser Gesellschaft gehörten zur helvetischen Reformbewegung. [57]


Die Inschrift auf Suters Grabstein – ein Indiz für sein Freidenkertum?

Die «Neue Zuger Zeitung» druckte im Nachruf die Inschrift auf Suters Grabstein ab, die sein Schwager Martin Rhyner hatte anbringen lassen:

«Hier unter diesem Grabes Stein
Sind der Natur heilsvolle Weisheits-Gaben,
Mehr werth, als Gold- und Silberschein,
Zur Trau’r und Klag’ der Menschheit nun vergraben!
Du! aller Wesen Macht! Laß’ Ihn am End’
Des eiteln [58] Lebenslauf’s im Frieden ruhen!»

Diese Grabinschrift ist sehr aussergewöhnlich, da die im Christentum geläufigen Bezeichnungen für Gott fehlen. Das Du, an das im zweitletzten Vers appelliert wird, meint eine Macht, die über allen Wesen steht. Diese auffällige Formulierung dürfte bewusst gewählt worden sein. Die Inschrift wirft möglicherweise ein Licht auf spannende Facetten in Suters Leben, welche die Gründe für seinen Wegzug aus Schwyz, die Trennung von seiner Frau und die Anschuldigungen seines Schwagers, Alois Pfyl, klären könnten.

Suter war wahrscheinlich Anhänger des Deismus, der davon ausging, Gott habe die Welt zwar erschaffen und sei Urheber der Natur- und Moralgesetze. Danach habe er die irdischen Dinge aber ihrem Lauf überlassen und nicht mehr ins Weltgeschehen und in die persönliche Entwicklung der Menschen eingegriffen. In Richtung Deismus weist auch die Formulierung, «der Natur heilsvolle Weisheits-Gaben» seien mehr wert «als Gold- und Silberschein». In Europa gewann der Deismus in der Zeit der Aufklärung an Boden. Die institutionelle Kirche stellte Deisten oft den Atheisten gleich.

Jakob Anton Suter steht wie viele andere seiner Zeitgenossen für eine Generation gebildeter, aufklärerisch denkender Männer, die im ausgehenden Ancien Régime geboren wurden und im Geist moderner Vernunftprinzipien leben wollten. Sie rieben sich zwangsläufig an den bestehenden Verhältnissen und fielen gewissermassen zwischen zwei Zeitalter. Suter hatte zuerst Theologie, später Medizin studiert und in der Heilkunde seine Berufung und Erfüllung gefunden. Sein Ziel war es, Menschen zu heilen und ihnen als Arzt zu einem möglichst guten irdischen Leben zu verhelfen. Er stellte sich wie viele wissenschaftlich ausgebildete Ärzte seiner Zeit gegen Fatalismus, Schicksalsergebenheit und den tiefverwurzelten Glauben, Krankheiten seien gottgegeben.

Obwohl vieles dafür spricht, dass Suter in Glaubensfragen ein Freidenker war, der in einer Zeit der Emanzipation eigene Wege ging, dabei aber auf grosse Widerstände traf, gedachten seiner auch die traditionellen Kircheninstitutionen. Das Chamer Pfarrbuch verzeichnete seinen Tod und auch in Schwyz gedachte man des ehemaligen Mitbürgers, der den Ort vor vielen Jahren verlassen hatte, nach Cham gezogen und dort gestorben war. Suters Tod wurde auch im Sterbebuch von Schwyz vermerkt und am 12. Februar fand in Schwyz eine kirchliche Gedächtnisfeier statt. Auffällig ist, dass explizit von einer «kirchlichen» Feier die Rede ist. Eine Totengedenkfeier im restaurativen Schwyz von 1822 war eigentlich selbstredend eine kirchliche. [59]


Die Chamer schielen auf Suters Geld

Mit dem Zuzug von Suter im Jahr 1799 bekam Cham den ersten akademisch gebildeten Arzt, der zudem wegen seiner Tüchtigkeit und Fachkenntnis über die Grenzen des Kantons hinaus bekannt und gefragt war. Für gute materielle Verhältnisse spricht neben Suters Ruf als Mediziner auch der Besitz der stattlichen Liegenschaft im Zentrum von Cham, direkt an der Hauptverkehrsachse, deren Wert 1813 auf 2500 Gulden geschätzt wurde. Ein standesgemässes Haus, ein Pferd mit Wagen, um die Patienten zu besuchen, gehörten zu den Statussymbolen eines arrivierten Arztes. Suter gehörte wohl zu den reicheren Landärzten. In Zürich betrug das Steueraufkommen der reichsten Landärzte um 1800 zwischen 20 und 144 Franken. Landärzte, die wie Suter auf Geburtshilfe setzten, verdienten in der Regel gut. Diese aufgeklärten, akademischen Mediziner verdrängten die handwerklich ausgebildeten Scherer mehr und mehr.

Mit dem Ansinnen der Chamer Behörden von 1805, Suter habe als Auswärtiger eine Aufenthaltsgebühr zu entrichten, begann die Entfremdung zwischen Suter und den Chamer Behörden. Obwohl die Forderung dem geltenden Recht widersprach, [60] beharrten die Chamer Behörden auf dieser Zahlung, die Suter zu Lebzeiten aber nicht geleistet hat.

Nach Suters Tod verlangten die Chamer von den Hinterbliebenen eine Verlassenschaftssteuer, die sie auch erhielten. Als Suters Erben diese Zahlung ein Jahr später hinterfragten, schoben die Zuger Behörden diese Angelegenheit auf die lange Bank. Schliesslich entschied der Kantonsrat zu Gunsten der Chamer, obwohl er feststellte, die Forderung der Chamer sei im Kanton Zug keine gängige Praxis. So haben sich die Chamer, die seit 1805 auf Suters Vermögen geschielt haben, 20 Jahre später doch noch ihren Anteil ergattert, allerdings auf fragwürdige Art und Weise.[61]

Im Nachruf wird Suter als «hochseliger» Mann bezeichnet, der in Cham – «dem auserkorenen Luftorte» – ein einsames Leben geführt habe. [62]


Einzelnachweise

  1. Schwyzerischer Geschichtskalender, https://www.sz.ch/public/upload/assets/31552/ [Stand: 23.10.2021]. Staatsarchiv Schwyz, NA.LX.1.333, Suter, Jakob Anton, Stammbuch Muotathal, S. 417
  2. Gwerder, Alois, Liegenschaftsgeschichte Muotathal Illgau. Band 1: Ried und unter Stoos, Schwyz 1988, S. 148
  3. Staatsarchiv Schwyz, NA.LX.1.333, Suter, Jakob Anton; Stammbuch Muotathal, S. 417
  4. Schwyzerischer Geschichtskalender, https://www.sz.ch/public/upload/assets/31552/ [Stand: 23.10.2021]
  5. Gwerder, Alois, Liegenschaftsgeschichte Muotathal Illgau. Band 1: Ried und unter Stoos, Schwyz 1988, S. 148
  6. Feldarzt: Scherer war die Bezeichnung für einen Schneider oder Bartscherer, aber auch für einen Chirurgen, Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 14 (1893), Bd. VIII (1893), Sp. 2579, Z. 25
  7. Das Banat ist eine historische Region in Südosteuropa, die heute in den Staaten Rumänien, Serbien und Ungarn liegt
  8. Staatsarchiv Schwyz, NA.LX.1.333, Suter, Jakob Anton; Stammbuch Muotathal, S. 417
  9. Staatsarchiv Schwyz, NA.LX.1.333, Suter, Jakob Anton; Ehebuch 1792
  10. Schwyzerischer Geschichtskalender, https://www.sz.ch/public/upload/assets/31552/ [Stand: 23.10.2021]
  11. Krankenhausgesellschaft Schwyz, Jubiläumsschrift 150 Jahre Spital Schwyz, Schwyz 2004, S. 12. Staatsarchiv Schwyz, Ratsprotokoll Schwyz 1793, Transkription Peter Inderbitzin und Meinrad Suter, p. 495 in den Protokollen, S. 163 in der Transkription, https://query.staatsarchiv.sz.ch/Dateien/0/D323.pdf [Stand: 23.10.2021]
  12. Staatsarchiv Schwyz, NA.LX.1.333, Suter, Jakob Anton; Erneuertes hohes Staatsregiment des hochlöblich-katholischen Standes Schweiz auf das Jahr 1795
  13. Staatsarchiv Schwyz, Ratsprotokoll Schwyz 1793, Transkription Peter Inderbitzin und Meinrad Suter, p. 495 in den Protokollen, S. 176 in der Transkription, https://query.staatsarchiv.sz.ch/Dateien/0/D323.pdf [Stand: 23.10.2021]
  14. Neue Zürcher Zeitung, 20.02.1822
  15. Staatsarchiv Schwyz, NA.LX.1.333, Der Kurort Oberiberg b. Einsiedeln (Schweiz), Oberiberg 1923
  16. Staatsarchiv Schwyz, NA.LX.1.333, Suter, Jakob Anton; Erneuertes hohes Staatsregiment des hochlöblich-katholischen Standes Schweiz auf das Jahr 1798
  17. Wyrsch, Jürg, Die Verwundeten im Kampf gegen die Helvetik 1798 und 1802. Die Behandlung der Verwundeten gemäss den ärztlichen Honorarrechnungen, in: Mitteilungen des historischen Vereins des Kantons Schwyz 91, 1999, S. 67–132
  18. Sialm, Placidus, Das Unterrichts- und Erziehungswesen in den schwyzerischen Teilen der Kantone Waldstätten und Linth zur Zeit der Helvetik (1798-1803), in: Mitteilungen des historischen Vereins des Kantons Schwyz 48, 1949, S. 48
  19. Schwyzerischer Geschichtskalender, https://www.sz.ch/public/upload/assets/31552/ [Stand: 23.10.2021]
  20. katholische Ehen konnten nicht geschieden werden, «katholische Gatten wurden nur von Tisch und Bett getrennt», vgl. Reusser, Ruth, «Ehescheidung», in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 07.04.2006. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/007993/2006-04-07/ [Stand: 04.04.2023]
  21. Fähndrich, Thomas, Jakob Anton Suter (1764–1822). Ein akademisch gebildeter Arzt auf der Höhe seiner Zeit und doch zwischen zwei Zeiten, in: Tugium 38, 2022, S. 153–162, hier S. 153
  22. Neue Zürcher Zeitung, 20.02.1822
  23. einer der Beckenknochen
  24. ca. 2-3 Liter, vgl. Dubler, Anne-Marie, «Mass», in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 29.10.2009. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/014198/2009-10-29/, [Stand: 23.10.2021]
  25. ein historisches Handelsgewicht, synonym zu Quentlein, drei Quintlein sind ca. 12 Gramm, Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 12 (1889), Bd. VII (1889), Sp. 2374, Z. 20
  26. Züricher Zeitung, 16.04.1802
  27. Staatsarchiv Schwyz, NA.LX.1.333, Suter, Jakob Anton; Brief von Suter, 08.09.1803
  28. Bibliothek Zug, Ernst Zumbach, Personen-Kartei (Zettelkatalog)
  29. Einwohnergemeindearchiv Cham, Gemeinderatsprotokolle 1798–1804, Sitzung vom 15.03.1804. Vgl. Anmerkung 21 (Fähndrich), S. 158
  30. Staatsarchiv Zug, G 617.6.1, Assekuranzregister Cham, 1. Generation (1813–1868), 1. Band
  31. Vgl. Anmerkung 21 (Fähndrich), S. 158
  32. Vgl. Anmerkung 21 (Fähndrich), S. 158
  33. Einwohnergemeindearchiv Cham, Gemeinderatsprotokolle 1798–1804, Sitzung vom 28.03.1805. Vgl. Anmerkung 21 (Fähndrich), S. 158
  34. Einwohnergemeindearchiv Cham, Gemeinderatsprotokolle 1798–1804, Sitzung vom 21.09.1805, Vgl. Anmerkung 21 (Fähndrich), S. 159
  35. Staatsarchiv Zug, CA 6.6, Beschwerdebrief von Suter an den Landammann der Eidgenossenschaft, 01.11.1805
  36. Staatsarchiv Zug, CA 6.6, Kopie des Beschwerdebriefs von Suter an den Landammann der Schweiz und Stellungnahme des Landammanns der Schweiz
  37. Vgl. Anmerkung 21 (Fähndrich), S. 160
  38. Vgl. Anmerkung 21 (Fähndrich), S. 160
  39. Staatsarchiv Schwyz, NA.LX.1.333, Suter, Jakob Anton; Ehrenerklärung vom 06.06.1809, ausgefertigt von Martin Giger, Landschreiber
  40. Staatsarchiv Schwyz, NA.LX.1.333, Suter, Jakob Anton; Brief der Kanzlei Schwyz an Suter, 11.??.1809
  41. Staatsarchiv Schwyz, NA.LX.1.333, Suter, Jakob Anton; Brief von Suter an den Landschreiber von Schwyz, 18.09.1809
  42. Staatsarchiv Zug, E 4.7.309, Verhandlungen des Kantonsrats vom 29. November 1820, S. 366
  43. Staatsarchiv Schwyz, NA.LX.1.333, Suter, Jakob Anton; Brief des Präsidenten des Waisenamtes an Suter, 24.01.1821
  44. Neue Zürcher Zeitung, 20.02.1822.
  45. Vgl. Anmerkung 21 (Fähndrich), S. 161
  46. Neue Zuger Zeitung, 16.02.1822
  47. Pfarrarchiv / Kirchgemeindearchiv Cham-Hünenberg, A 1/687, Pfarrbuch Cham: Ehe (11.01.1802–29.1.1866) und Tod (03.02.1802–16.09.1866: Erwachsene bzw. 05.01.1802–17.03.1859: Kinder)
  48. Schwyzerischer Geschichtskalender, https://www.sz.ch/public/upload/assets/31552/ [Stand: 23.10.2021]
  49. Staatsarchiv Schwyz, NA.LX.1.333, Suter, Jakob Anton; Sterbebuch Schwyz 1822
  50. Staatsarchiv Zug, G 617.6.1, Assekuranzregister Cham, 1. Generation (1813–1868), 1. Band
  51. Vgl. Anmerkung 21 (Fähndrich), S. 160
  52. Staatsarchiv Zug, CA 8.4.6, Dossier Suter Doktor
  53. Vgl. Anmerkung 21 (Fähndrich), S. 160
  54. Vgl. Anmerkung 21 (Fähndrich), S. 160
  55. Staatsarchiv Zug, E 4.12.78, Kantonsratsprotokolle, S. 72–74
  56. Vgl. Anmerkung 21 (Fähndrich), S. 154
  57. Vgl. Anmerkung 21 (Fähndrich), S. 156
  58. 'vergänglich', zu Vanitas/Vergänglichkeit. Vgl. Artikel
    «eitel». In: dwds.de/wb/eitel, 1.5.2022
  59. Vgl. Anmerkung 21 (Fähndrich), S. 161
  60. Staatsarchiv Zug, CA 6.6, Kopie des Beschwerdebriefs von Suter an den Landammann der Schweiz und Stellungnahme des Landammanns der Schweiz
  61. Vgl. Anmerkung 21 (Fähndrich), S. 159f
  62. Neue Zuger Zeitung, 16.02.1822