Fabrikstrasse 5, Kalanderbau

Aus Chamapedia

Der Kalanderbau kurz nach der Fertigstellung, vor 1912
Eingang des Kalanderbaus, vor 1912
Kalanderbau, Lorzenseite, 1918
Das Papier wird verpackt, 1925
Im Erdgeschoss des Kalandersaals: Weiterverarbeitung des Papiers, 1934
Aussenansicht Kalanderbau, 1937
Kalandersaal, Weiterverarbeitung, 1957
Der Kalanderbau von der Lorzenseite, 08.12.2022
Ansicht Süd, 12.01.2023
Ansicht Süd, Detailaufnahme Aufbau, 12.01.2023
Kalanderbau, Kalandersaal, Erdgeschoss, 12.01.2023
Erdgeschoss, 08.12.2023
Ansicht West, 12.01.2023

Der Kalanderbau von 1910 ist das architektonische Prestigestück der Papierfabrik Cham. Er bildet den repräsentativen Auftakt der Fabrik gegen Süden, orientiert sich an der damals gängigen, historischen Schlossarchitektur und ist sehr gut erhalten. Er ist steingewordener Ausdruck des grossen Selbstbewusstseins der damals so wichtigen Fabrik.


Chronologie

1910 Die Papierfabrik Cham ist neben der Nestlé & Anglo-Swiss Condensed Milk Company die wichtigste Arbeitgeberin der Region. Dieses Selbstbewusstsein findet nun seinen architektonischen Niederschlag. Denn der Kalanderbau (Ass.-Nr. 30c) wird als ornamentierter Repräsentativbau ausgestaltet. Die Papierfabrik engagiert für die Gestaltung und Realisierung die bekannten Industriearchitekten Séquin & Knobel aus Rüti ZH.

Der Kalanderbau steht als Auftakt in der südwestlichen Ecke des Fabrikareals, direkt an der Lorze und an der Fabrikstrasse. Er weist drei Geschosse auf und einen offen gehaltenen Fabrikations-, Arbeits- und Lagerraum, belichtet durch die grossen Fenster und durch Oblichter. Die Fassaden sind aufwändig gestaltet und noch klassizistisch geprägt, sie sind mit Natursteinen versehen und mit Zementsteinen gemauert, die aus dem Bergwerk Käpfnach bei Horgen ZH stammen. Der Materialwechsel erzeugt optisch ebenso eine konstrastierende Wirkung wie die Verwendung von gelben und roten Ziegeln.

Die Architektur wird so beschrieben: «Oberhalb eines Sockels gliedern Eck- und Wandpfeiler die Fassadenflächen. Die Südfassade weist als Schaufassade drei Achsen, die Westfassade an der Lorze acht Achsen auf. Im zweiten Obergeschoss sind die Pfeiler schräg zurückspringend ausgebildet. Die in den Wandflächen eingesetzten Fenster werden nach oben kleiner, was zusammen mit der Verjüngung der Pfeiler die Wirkung erzeugt, als würden die Fassaden nach oben streben. Die Fenster im zweiten Obergeschoss, die hier einen Flachbogen mit hervortretenden Seiten- und Schlusssteinen aufweisen, zeichnen es als Dachgeschoss aus. In den unteren Geschossen haben die Fenster einen geraden Sturz. Sprossen unterteilen die Holzfenster mit doppelter Verglasung in kleine Glasflächen. Die Südseite ist als Schaufassade mit einigen Elementen ausgezeichnet. Überhöhend wirkt am Dachrand eine Blendmauer oberhalb des Dachgesimses.» [1]

Damals befindet sich in der Mittelachse des Erdgeschosses ein grosses Eingangs- und Empfangstor mit Flachbogen, darüber prangt das Schild mit der Aufschrift «Papierfabrik Cham» in jugendstilartiger Typografie.

1912/1913 Schon kurze Zeit nach der Inbetriebnahme des Kalanderbaus folgt die erste Erweiterung. Das Treppenhaus wird ebenso angebaut wie eine zweigeschossige Toilettenanlage auf der Ostseite. [2]


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In einem Zwölfwalzen-Glättwerk im Kalandersaal wird das Papier satiniert, Illustration, 1937


1924 Das Äussere des Kalanderbaus ändert sich: Durch den Einbau eines Lifts wird der Aufbau eines Türmchen nötig. Die Zürcher Baufirma Locher & Cie. wird damit beauftragt und löst die Aufgabe behutsam: Der Turmaufbau fügt sich harmonisch in die Fassade ein, mehr noch, er steigert die Wirkung der Südfassade, in dem er den Kalanderbau keck überragt. [3]

1930 Der Anbau für die Treppen auf der Ostseite wird abgebrochen, denn dort entsteht der Neubau für die Ausrüstung (Ass.-Nr. 30b). [4]

2024 Der Kalanderbau ist im Verzeichnis der geschützten Denkmäler der Gemeinde Cham enthalten. [5]


Die Architekten

Die Papierfabrik Cham holt für die Realisierung des Kalanderbaus das renommierte Architekturbüro Séquin & Knobel aus Rüti, bekannt unter anderem durch den Bau der Roten Fabrik 1893–1897 in Wollishofen ZH. Carl Arnold Séquin-Bronner (1845–1899) studierte ab 1863 am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich, verliess die ETH allerdings ohne Diplom. In den frühen 1870er Jahren übernahm er die Kundenberatung in der Webmaschinenfabrik von Caspar Honegger (1804–1883) in Rüti. 1879 eröffnete Séquin sein eigenes Büro für standardisierten Fabrikbau in Rüti. 1895 schloss er sich mit Hilarius Knobel (1854–1921), dessen gleichnamiger Vater (1830–1891) als einer der bedeutendsten Glarner Architekten des 19. Jahrhunderts gilt, zum Büro Séquin & Knobel zusammen. In der Folge planten sie über 250 Fabrikanlagen im In- und Ausland mit Zweigstellen in Wien und Prag. Nach Séquins Tod führte sein Associé Knobel das Büro unter dem Namen Séquin & Knobel weiter. [6]


Würdigung

Die Architekturhistorikerin Viola Müller (*1966) meint zur Qualität des Gebäudes: «Architekturgeschichtlich ist der Kalanderbau im Kanton Zug einzigartig. Typisch für die zahlreichen Fabrikbauten des Architekturbüros Séquin & Knobel aus Rüti ist der Kalanderbau im historistischen Schlossarchitekturstil gehalten. Anfangs der 1910er Jahre erbaut und an der Schwelle zum Funktionalismus stehend, weist er aber in den Fabrikräumen schon sehr grosse Fensterflächen auf. Ausserdem sind die Zierelemente im Vergleich zu anderen Bauten von Séquin & Knobel als reduziert zu bezeichnen. Ortsbaulich ist der Kalanderbau zusammen mit dem Verwaltungsgebäude als Kopfbau äusserst bedeutend. An der Brücke über die Lorze markiert die Gebäudegruppe den Beginn der Fabrikanlage, die sich von hier ausgehend über 400 m lorzeabwärts entwickelt.» [7]


Situation

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Aktueller Kartenausschnitt

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Einzelnachweise

  1. Müller, Viola, Die Papierfabrik Cham. Baugeschichte und Detailinventar, Direktion des Innern des Kantons Zug/Amt für Denkmalpflege und Archäologie, Zug 2014, S. 28
  2. Vgl. Anmerkung 1 (Müller), S. 28
  3. Vgl. Anmerkung 1 (Müller), S. 28
  4. Vgl. Anmerkung 1 (Müller), S. 28
  5. Amt für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Zug, Verzeichnis der geschützten Denkmäler der Gemeinde Cham, Grundstücknummer 3369 [Stand: 03.01.2024]
  6. Vgl. Anmerkung 1 (Müller), S. 19
  7. Vgl. Anmerkung 1 (Müller), S. 29